Zu Beginn der 1950er und 1960er-Jahre war die Frau noch primär Hausfrau. Im 21. Jahrhundert angekommen, hat sie sich weitestgehend emanzipiert und kann frei wählen, ob sie beispielsweise Managerin, Hausfrau oder Bundeskanzlerin werden möchte. Zwar werden hochdotierte und machtvolle Berufspositionen noch immer von verhältnismäßig weniger Frauen in Deutschland gehalten als von Männern, doch hat sich in den vergangenen Jahrzehnten das Selbstbewusstsein der Frau und generell der Menschen stark verändert. Auch wenn laut Artikel 3 des Grundgesetzes alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, Frauen sowie Männer als gleichberechtigt gelten und der Staat sich zur Erreichung dieses Ziels verpflichtet, so war noch vor 50 Jahren die gesellschaftliche Realität eine andere. Welche Ereignisse diese Zeit prägten und welche Entwicklungen diese bei den Westdeutschen, insbesondere bei der Jugend, zur Folge hatten, soll im Nachfolgenden behandelt werden.

Eine Wohnung einer neu errichteten Siedlung im Jahr 1961 - Bild von Bundesarchiv, B 145 Bild-F011043-0002 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons
Eine Wohnung einer neu errichteten Siedlung im Jahr 1961 – Bild von Bundesarchiv, B 145 Bild-F011043-0002 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons
 

Wunden aus dem Zweiten Weltkrieg

Viele Menschen im Nachkriegsdeutschland befanden sich kriegsgeschädigt in einer apathisch-gleichgültigen psychischen Verfassung. Eine authentische Bestandaufnahme des allgemeinen, westdeutschen Seelenzustands lieferte Hannah Arendt, eine jüdische Politologin und Publizistin, in ihrem Buch „Besuch in Deutschland“. Den Westdeutschen wirft sie eine Flucht vor der Wirklichkeit und der Verantwortung für die von ihnen begangenen Verbrechen vor. Emotionale Kälte und Selbstmitleid sei das Überbleibsel vergangener Kriegserfahrungen. Eine nur „selektive Erinnerungskultur“, Verdrängung des Geschehenen und Verantwortungsdiffusion für gegenwärtige Zustände standen auf der Tagesordnung. Schließlich wurden für alle Notstände in der Nachkriegszeit zunächst die Besatzungsmächte verantwortlich gemacht.

 

Der Kalte Krieg verschärft sich

International schwelte ein unbehagliches Gleichgewicht der atomaren Abschreckung. Dieses Gleichgewicht geriet, wie nie zuvor im Kalten Krieg, besonders bedrohlich im Jahre 1961 im Zuge der Berlin-Krise und des Mauerbaus und im Jahre 1962 durch die Kuba-Krise ins Wanken. Die regelmäßige Aussendung von Sputnik-Satelliten Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre vonseiten der Sowjetunion versetzte die nicht-sozialistische Welt nachhaltig in Besorgnis und heizte den Konflikt der beiden großen Weltmächte, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten, besonders an. Auch dass der russische Kosmonaut Juri Gagarin im April 1961 der erste Mensch im Weltall war, konnte für die internationale Stimmung nicht gerade als dienlich angesehen werden.

 

Technische Innovationen

Das Fliegen für die Massen zählt zu einer der wichtigsten technischen Entwicklungen in den 1950er und 1960er Jahren. Bild von Archives New Zealand from New Zealand (Air Hostess Uniform 1965 Gold 002) [CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons
Das Fliegen für die Massen zählt zu einer der wichtigsten technischen Entwicklungen in den 1950er und 1960er Jahren. Bild von Archives New Zealand from New Zealand (Air Hostess Uniform 1965 Gold 002) [CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons
Mit der Mondlandung im Juli 1969 gelang der US-Raumfahrtbehörde NASA dann jedoch ein besonderer technologischer Geniestreich, der nicht nur den Sowjets nachhaltig die Überlegenheit US-amerikanischer Raumfahrttechnik vor Augen führte, sondern auch als Manifestation einer Ära des Fortschritts und kreativer Zukunftsvisionen angesehen werden kann. Zu diesen Fortschritten gehörte auch der Fernseher, der nunmehr vermehrt Einzug in die bürgerlichen Wohnzimmer erhielt. Das Zeitalter der Massenmedien war angebrochen und die fleißige Hausfrau musste nicht mehr einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, die Wäsche des Haushalts mit der Hand zu waschen. Wenngleich die Waschmaschine bereits viel früher, genauer gesagt im Jahre 1906, erfunden wurde, ging der erste europäische Wäschetrockner erst im Jahre 1958 auf den Markt. In der sicheren Gewissheit, dass die eine roboterhafte Gerätschaft ihre Wäsche schon waschen würde, während wiederum der andere Automat die Wäsche sogar trocknen kann, gewann die Hausfrau an Freizeit, die sie gewinnbringend für sich nutzen konnte. Doch auch wenn die Arbeit der Menschen im Büro und zu Hause leichter wurde, so hatte der Beginn des Zeitalters der Automatisierung und der Robotertechnik doch nachhaltige Folgen: Die Erwerbslosenquote stieg seitdem stetig an und die alten Rollenbilder gerieten ins Wanken. Die Erfindung der Pille 1961 gab der Frau zudem das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, was jedoch die Gesellschaft zunehmend spaltete.

 

Das Wirtschaftswunder

Der Alltag der Deutschen in den 1950er- und 1960er-Jahren war von Selbstbewusstsein und Wohlstand geprägt. Das Automobil, allem voran der VW Käfer, prägte zunehmend das Straßenbild. Der Leistungsgedanke, angefeuert durch gelernte Angst und dem Wunsch nach sozialer Sicherheit, wurde allerorts unterstützt und es herrschte ein regelrechter „Wettbewerb des Opportunismus“. Zu diesem wirtschaftlichen Aufschwung trugen auch ausländische Gastarbeiter, insbesondere die italienischen (etwa 4 Millionen seit 1955), maßgeblich bei. Die Westdeutschen kultivierten wiederum ihre Vorliebe fürs Reisen und ihre neu gewonnene Mobilität brachte sie unter anderem dazu, Städte an der Adria zu besuchen, die fortwährend als „Teutonengrill“ bezeichnet wurden. Die zahlreichen deutschen Haushalte versuchten ferner ein Familienidyll zu beschwören, welches von der jungen Generation jedoch als Farce und strikte Konformität entlarvt wurde. Es war eine Frage der Zeit, dass diese erneute Biedermeier-Kultur bzw. Flucht ins Private nach und nach neue Subkulturen nach sich zog.

Volle Schaufenster prägten die Zeit des Wirtschaftswunders Bild von Tyne & Wear Archives & Museums (https://www.flickr.com/photos/twm_news/6841092248/) [No restrictions], via Wikimedia Commons
Volle Schaufenster prägten die Zeit des Wirtschaftswunders Bild von Tyne & Wear Archives & Museums (https://www.flickr.com/photos/twm_news/6841092248/) [No restrictions], via Wikimedia Commons
 

 

Das Selbstbewusstsein der jungen Generation

In den 1950ern und 1960ern ging die Frau gerne der Punkte-Diät nach und so mancher Mann frönte nach der Arbeit dem Bodybuilding. Doch spätestens im Laufe der 60er wurde die Kritik an dem gängigen Weltbild der Elterngeneration gesellschaftlich immer lauter. Bereits die letzten Kriegsheimkehrer 1955 bzw. 1956 regten so manchen jungen Erwachsenen zur Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit ihrer Eltern an und der bis 1963 als Bundeskanzler präsente Konrad Adenauer schien den kompletten „Mief“ einer konservativen, mundtoten Gesellschaft zu verkörpern. Junge Frauen weigerten sich, dem althergebrachten Idealbild einer Frau im Barbie-Stil zu entsprechen und als primäres Lebensziel die Heirat ansehen zu müssen. Was für die junge Generation sexuelle Freiheit auf der einen Seite bedeutete, war für die älteren Generationen der Verfall der Moral. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) organisierte seit seinem Ausschluss aus der SPD 1961 fortwährend Studentenrevolten. Die Befreiung der Menschen von kapitalistischer Ausbeutung und Entfremdung waren dabei ebenso Anliegen wie die Beendigung des Vietnamkriegs, die Kritik am Axel-Springer-Verlag und dem Plädoyer für eine tiefgreifende Bildungsreform. Das Attentat auf Rudi Dutschke im April 1968 nahm der subgesellschaftlichen Protestkultur jedoch den Wind aus den Segeln.

 

Die Rolle der Musik

Auch wenn die westdeutsche Studentenbewegung viele ihrer Ziele nicht erreichte, so bewirkte sie doch einige soziale Reformen und trug maßgeblich zum Wahlsieg Willy Brandts im Jahre 1969 und zur sozialliberalen Koalitionsregierung bei, was einen längerfristigen kulturellen Wertewandel begünstigte. Doch was wäre diese Zeit ohne die Musik gewesen? Nachdem von den Vereinigten Staaten aus zunächst der Rock’n’Roll Europa eroberte, begeisterte sich die Jugend zunehmend für den Rhythmus von Bill Haley, Elvis Presley und Songs im Petticoat-Stil. Man trug Jeans, wurde als „Gammler“ bezeichnet und war stets rebellisch. Die Songs der Beatles und der Rolling Stones trugen zu einem neuen selbstbestimmten Lebensgefühl bei.

 

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