Das besonders von kulturellen, ethischen und religiösen Wesensmerkmalen geformte Friedenswerk der Dreieinigkeit weist Berührungspunkte zur friedlichen Revolution in der DDR auf. Zu nennen sind Demonstrationen, die das große musikalische und literarische Weltkulturerbe auf dem Gebiet der DDR für die Veranstaltungen nutzten, Bezüge zum 200. Jahr der französischen Revolution und zur Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte durch die französische Nationalversammlung und die wohl bedachten religiös-friedvollen Aktionen der Protestierenden.

1. Das trinitarische Friedenswerk

Im tausendsten Todesjahr von Heinrich I. (um 876-936), König des Ostfrankenreichs, der lange Zeit als erster deutscher König verehrt wurde, heirateten meine Eltern, Otto und Martha Schäfer, als gefeite Widerstandsaktion während der Nazizeit am ökumenischen Gründonnerstag im Frankfurter Römer, was wegen Heinrich Himmler sicherlich nicht unproblematisch war

Mehr hierzu können Sie im Artikel „Eine persönliche Familiengeschichte“ lesen.

Der Reichsführer der SS verherrlichte Heinrich I. maßlos und stilisierte den Liudolfinger im gleichen Jahr in einer Rede im Dom zu Quedlinburg zu einer spätgermanischen Führerfigur.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust erfolgte die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 mit einem in meinem Artikel „1948 – ein Schlüsseljahr im 20. Jahrhundert“ (Abschnitt 2.3) dargelegten mutmaßlich persönlichen Bezug. Der amerikanische Präsident Harry S. Truman erkannte die Staatsgründung noch am gleichen Tag an, die Sowjetunion drei Tage später. Das Ereignis war verbunden mit dem siebenhundersten Jahrestag der Grundsteinlegung des Kölner Doms im Jahr 1248.

Meine Mutter wurde am 23. April 1908, am St. Georgs Tag, in Münster/Westf. geboren und zog mit ihren Eltern einige Tage später nach Weilburg, das wie die Stadt Frankfurt am Main mit dem Kaiserdom St. Bartholomäus zum Bistum Limburg gehört.
Der St. Georgs Dom in Limburg feierte 1985 sein 750. Jubiläum. Im gleichen Jahr, beging man die Jubiläen 300 Jahre Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel sowie 400 Jahre Heinrich Schütz und bekräftigte das Friedenswerk, das auch in enger Beziehung zu Johann Wolfgang Goethe steht, mit unserem größten musikalischen Kulturerbe.

Briefmarken-Block der DDR zur Bach-Händel-Schütz Ehrung
Briefmarken-Block der DDR zur Bach-Händel-Schütz Ehrung – © Jochem Schäfer

An meinem Geburtstag in diesem Jahr sendete Radio DDR II das kontrapunktische Spätwerk Bachs „Das Musikalische Opfer“, das aus einem Treffen Bachs mit dem Preußenkönig Friedrich dem Großen entstand und auch an diesen als königliches Thema gewidmet war. Damit wollte offenbar die DDR ihre Beziehung zur weltweiten Kulturpolitik besonders bekunden.

Vier Jahre später fand die friedliche Revolution in der DDR statt. Schwerpunkt war die Bachstadt Leipzig.

2. Die friedliche Revolution in der DDR

1989 registrierte die Bevölkerung der DDR zunehmend die erheblichen Modernisierungsrückstände und die verheerenden Umwelt- und Naturbelastungen in weiten Teilen des Landes und formierte sich zu Protesten. Zur massiven Gegenwehr der Bürger führte die gefälschte Kommunalwahl am 7. Mai 1989. Das Aufbegehren hielt auch Monate danach noch an.

Die Kritik wurde verstärkt durch die KSZE-Folgekonferenz „Die menschliche Dimension“ und durch die demokratischen Reformbemühungen in Ungarn und Polen. Der Staatsbesuch Gorbatschows in Bonn vom 12. bis 15. Juni 1989 machte zudem trotz Zensur und Medienmanipulation in der DDR für weite Kreise eine zukunftsgestaltende Politik über Grenzen hinweg sichtbar.

Die Zerschneidung des Eisernen Vorhangs zwischen Ungarn und Österreich am 2. Mai 1989 und in einer publikumswirksamen Symbolhandlung erneut am 27. Juni 1989 durch die Außenminister der beiden Länder, Gyula Horn und Alois Mock, förderte den Drang nach Freiheit und Überwindung der Absperrung und begünstigte 1989 die Flucht von über 225.000 Flüchtlingenn und Übersiedler aus der DDR in die Bundesrepublik.

Am 10. Juni dieses Jahres, sechs Monate vor dem Jahrestag der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris, organisierten Leipziger Oppositiosgruppen ein Straßenfestival für Musik- und Künstlergruppen. Trotz Verbot und Verhaftungen durch Sicherheitskräfte der DDR traten die Musiker und Künstler unbeirrt auf und verbreiteten die friedliche Aktion weit über Leipzig hinaus. Dies schürte weitere Oppositionsbewegungen.

Als Reaktion auf die Gewalt an diesem Tag lud Gewandhauskapellmeister Kurt Masur am 28. August, am 240. Jahrestag von Goethes Geburtstag, zu einer Veranstaltung „Straßenmusik in Vergangenheit und Gegenwart“ mit öffentlicher Diskussion ein.

Die parallel zur einsetzenden Massenflucht stattfindenden noch kleineren Demonstrationen wurden am 14. Juli 1989, dem 200. Jahrestag des Sturms auf die Bastille in Paris während der Französischen Revolution, durch zwei herausragende musikalische Darbietungen in Ost-Berlin belebt:

Im Schauspielhaus spielte das Orchester des Schleswig-Holstein Musik-Festivals mit Leonard Bernstein Werke von Mendelssohn-Bartholdy, Debussy und Berlioz. In der deutschen Staatsoper und zeitgleich in den Opernhäusern von Karlsruhe und Essen ging die Uraufführung der Oper von Siegfried Matthus „Graf Mirabeau“ über die Bühne. Herborn war am 14. Juli 1968, im 1200. Jahr der Königskrönung Karls des Großen, am 9. Oktober 768, eine Städtepartnerschaft mit der südfranzösischen Stadt Pertuis (Dep. Vaucluse, Provence) eingegangen, in deren Kanton das Stammschloss der Familie des eng mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Französischen Revolution verknüpften Protagonisten der Oper von Matthus liegt. Karl der Große war 1165 am Davidstag heilig gesprochen worden.

Auch der Bezug zu meiner Heimatstadt Herborn in Verbindung mit meiner Tätigkeit in der Generaldirektion Umwelt und nukleare Sicherheit der EG-Kommission deuteten einen Davidsbezug an. Seit 1990 ist überdies Citizens for the Environment (CfE) mit Sitz in Israel eine eingetragene NGO, die sich besonders mit der Rolle des Klimawandels und Umweltbelastungen im Rahmen des israelisch-palästinensischen Konflikts befasst.

Mehr zur David-Metapher können Sie auf meiner unten dargestellten Webseite lesen.

Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der Autor, offizielle Vertreter von Herborn und Pertuis und Bürger der beiden Städte bei der Eröffnung des inzwischen weitgehend überbauten Pertuisplatzes in Herborn 1978
Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der Autor, offizielle Vertreter von Herborn und Pertuis und Bürger der beiden Städte bei der Eröffnung des inzwischen weitgehend überbauten Pertuisplatzes in Herborn 1978
Foto: Heinrich Roth – © Jochem Schäfer

Die erste Montagsdemonstration am 4. September 1989 in Leipzig nach einem Friedensgebet in der Nikolaikirche forderte Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und offene Grenzen. Sie offenbarte eine Beziehung zu Goethe und Schiller, deren Lebenswerk untrennbar mit den Freiheitsrechten verbunden ist. Das Denkmal der beiden Dichterfreunde in Weimar, das die DDR-Führung für nationale Kundgebungen und Ehrungen nutzte, wurde 1857 am gleichen Jahrestag feierlich enthüllt.

Goethe und Schiller vor dem deutschen Nationaltheater in Leipzig
Goethe und Schiller vor dem deutschen Nationaltheater in Leipzig – © Jochem Schäfer

Die engagierten Protestbewegungen der DDR-Bürger ab September mit Tausenden und ab Oktober mit Hunderttausenden Teilnehmern entfaltete eine beispiellose Eigendynamik und erreichte mit dem friedvollen Begehren bekräftigt durch den Aufruf der „Leipziger Sechs“ zur Gewaltlosigkeit und dem verantwortungsbewussten Dialog der “Gruppe der 20“ in Dresden ab 9. Oktober einen gewaltfreien Verlauf der Demonstrationen.

Augenfällig war an diesem entscheidenden Tag der friedlichen Revolution, dass 70.000 Menschen mit Kerzen in den Händen den hochgerüsteten Sicherheitskräften gegenüberstanden und die Diktatur ohne Gewalt aus den Angeln hoben – wie David gegen Goliath, aber nicht mit einer Steinschleuder wie in der biblischen Geschichte, sondern mit Gebeten und Kerzen. Der Koloss der DDR war umgekippt.

Ein Denkmal in Frankfurt auf der Zeil nahe der Hauptwache, das 50 Jahre nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1983 aufgestellt wurde und David zeigt, wie er nach vollbrachter Tat auf dem abgeschlagenen Riesenhaupt seines Gegners Goliath sitzt, könnte auch hier Verwendung finden.

Das Denkmal auf der Zeil
Das Denkmal auf der Zeil – © Jochem Schäfer

3. Der Weg zur deutschen Einheit

Nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989, der als Jahrestag sowohl an die Reichskristallnacht 1938 als auch an das jährliche Weihefest der Lateranbasilika in Rom, der Bischofskirche des Papstes, erinnert, schlug Bundeskanzler Helmut Kohl am 28. November in einem Zehn-Punkte-Programm einen Stufenplan zur Vereinigung Deutschlands und Europas vor. Damit leitete er die deutsche Wiedervereinigung endgültig ein.

Die Übergangsregierung der DDR beschloss am Davidstag Ende Dezember 1989 den völligen Mauer-Rückbau unter Einbeziehung von Grenzzäunen, Signal- und Sperrzäunen und Sperrgraben. In Polen wurde an diesem Tag eine grundlegende Verfassungsänderung verabschiedet und in der Tschechoslowakei der Dissident und führende Kopf der Bürgerbewegung, Václav Havel, vom alten kommunistischen Parlament einstimmig zum Staatspräsidenten gewählt.

Weitere Stationen auf dem Weg zur deutschen Einheit waren im Dezember 1989 und Januar 1990 der Sturm auf die Statsi-Zentralen, die demokratische Wahl zur Volkskammer am 18. März 1990, das Inkrafttreten der Währungs- Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990, der Einigungsvertrag vom 31. August 1990, der am 12. September 1990 in Moskau abgeschlossene Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen den beiden deutschen Staaten und den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach vorherigem Volkskammerbeschluss nach Artikel 23 Grundgesetz am 3. Oktober 1990.

Zum Autor Jochem Schäfer

Der Verfasser ist Ministerialrat a.D. Im vergangenen Jahrhundert wirkte er neben seiner Arbeit als Bundes- und Landesbeamter bei agrar-, umwelt- und friedenspolitischen Ereignissen und Entscheidungen auf EG-Ebene in enger Zusammenarbeit mit EG-Ministerrat, EG-Kommission und Europäischem Parlament mit. Herausragend waren der Camp-David-Frieden zwischen Israel und Ägypten und die Öffnung der Berliner Mauer mit der deutschen Wiedervereinigung und der friedlichen Auflösung des Warschauer Pakts. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre war er u.a. im EG-Agrarministerrat und an der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EG in Brüssel tätig. In den Jahre 1989/90 beriet er eine Task Force unabhängiger Sachverständiger bei der EG-Kommission zum Binnenmarkt- und grenzüberschreitenden Umweltschutz und nahm an Tagungen des EG-Umweltministerrats teil. Im Wendejahr 1989 konnte er der Generaldirektor der EG-Kommission für nukleare Sicherheit und Umweltschutz, Prof. Jan Brinkhorst, bei einem Treffen mit höheren Beamten aus den mittel- osteuropäischen Ländern als Sitzungsleiter vertreten.
Seine Webseite verweist auf seine Arbeiten als freier Schriftsteller: https://jochem-schaefer.jimdofree.com/

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