Teil 3 der Serie Frauen im Widerstand am Beispiel der Roten Kapelle
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von Name d. Red bekannt, Historikerin
Inhalt
4. Die Rote Kapelle nach 1945
Nur wenige Mitglieder der Roten Kapelle überlebten den Krieg. Die Zeit bis zum Kriegsende verbrachten sie entweder im Zuchthaus, in einem KZ oder an der Front. Im September 1946 trafen sich im Berliner Lustgarten Zehntausende Berlinerinnen und Berliner, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Dabei wurde auch die Rote Kapelle geehrt.[44] Diese Anerkennung änderte sich daraufhin sehr schnell, was die Überlebenden und die Angehörigen der ermordeten Widerstandskämpfer schon 1947 erfahren mussten. Greta Kuckhoff wandte sich 1947 an die amerikanische Besatzungsmacht. Sie hatte erfahren, dass der Chefankläger Manfred Roeder verhaftet wurde. Sie beabsichtigte, den Ankläger vor Gericht zu bringen. Was sie nicht wusste war, dass Roeder es verstanden hatte, das von der Gestapo erfundene Spionagenetz Rote Kapelle den amerikanischen Untersuchungsbeamten zu verkaufen. Er legte den Beamten „einen Gestapo Abschlussbericht über die Rote Kapelle vor, in dem Fotos, Namen und zum Teil Adressen aller 1942 Verhafteten und Überlebenden der Widerstandsgruppe enthalten waren.“[45] Er stellte die Angehörigen der Roten Kapelle als Agenten der Sowjetunion dar. Er verstand es, die Situation des aufkommenden Kalten Krieges auszunutzen und überzeugte die Amerikaner, „dass die Rote Kapelle mit dem deutschen Widerstand nichts zu tun gehabt habe, dass diese Spionageorganisation weiterhin im Dienste der Sowjetunion aktiv sei und dass die Überlebenden sich gegen die besten Interessen der Vereinigten Staaten wenden könnten.“[46] Vor allem die Aussagen von Roeder hatten zur Folge, dass die Überlebende der Roten Kapelle von da an von der amerikanischen Spionageabwehr CIC[47] überwacht wurden. Greta Kuckhoff bekam Besuch von einem Agenten der Spionageabwehr. Dieser schrieb in seinem Bericht:
„(…) Kuckhoff ist weiterhin daran interessiert, die Deutschen, vor allem die im sowjetischen Sektor Berlins und in der sowjetischen Besatzungszone, über die grossen Opfer und Leiden, die die Schulze-Boysen Gruppe erlitt zu informieren. Sie nutzt jede Gelegenheit, um diese Angelegenheit zu propagieren (…).“[48]
Manfred Roeder wurde 1947 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und das Kriegsverbrechertribunal verwies das Verfahren gegen ihn an Niedersachsen ab. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg untersuchte den Fall weiter, sie kamen zum Schluss, dass die Ermittlungen keinen Beweis erbracht hätten, dass Manfred Roeder im Dritten Reich eine Gesetzesübertretung begangen habe. Das Verfahren wurde 1951 eingestellt. Nicht nur die Überlebenden der Roten Kapelle mussten unter diesen Verleugnungen leiden, auch die Angehörigen der Opfer wurden bestraft. Olga Bontjes van Beek, die Mutter von Cato, wandte sich 1950 an den Kreisausschuss für Verfolgte der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, um als Hinterbliebene eines NS-Opfers anerkannt zu werden und um das Todesurteil gegen ihre Tochter aufheben zu lassen. Zwei Jahre später bekam sie den Bescheid, dass ihre Tochter keiner Widerstandsgruppe angehörte und das es keinen Beweis gäbe, dass sie eine Überzeugungstäterin sei, dieser Beweis müsse zuerst erbracht werden.
Die Geschichtsschreibung nach 1945 ging im Westen und Osten ganz verschiedene Wege. So wurde im Westen im Zeichen des Kalten Krieges die Rote Kapelle als Spionageorganisation der Sowjetunion dargestellt. Dazu dienten der oben erwähnten Bericht des Manfred Roeders und die Medien in den sechziger Jahre. Die Medien machten aus der Widerstandsorganisation eine von Moskau aus gesteuerter Spionagegruppe mit einer klaren Kommandostruktur Moskau-Paris-Brüssel-Berlin. Das war weitgehend das Bild im Westen. In der DDR wurde aus der Roten Kapelle eine „Art Vorgängerinstitution des Ministeriums für Staatssicherheit“[49], die Überlebenden wurden ausgezeichnet und „es entstand die Legende vom Berliner Netz der Roten Kapelle als der grössten sowjetischen Spionageorganisation.“[50] Die Vorurteile gegenüber der Roten Kapelle blieben lange bestehen. So protestierten Nachkommen der Verschwörer des 20. Juli Ende der achtziger Jahre gegen die Eingliederung der Widerstandorganisation in die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Sie begründeten ihren Protest damit, dass die Rote Kapelle kommunistische Ziele hatte und eine Vorläufer-Institution der DDR gewesen sei.
Stefan Roloff, der Sohn Helmut Roloffs meint dazu:
„Es ist Zeit, den Blick auf den deutschen Widerstand zu erweitern, aus einer Sichtweise zu befreien, die ihm die Gestapo aufgezwungen hat.“[51]
5. Schluss
Die Rote Kapelle war keine kommunistische Spionageorganisation wie es in der Nachkriegsliteratur bis zur Wiedervereinigung Deutschlands geheissen hat. Vielmehr waren es verschiedene Gruppen, die ein gemeinsames Ziel hatten: dass verbrecherische Regime zu beseitigen. Die Legende vom Berliner Netz der Roten Kapelle als grösste sowjetische Spionageorganisation in Deutschland während des zweiten Weltkrieges kann nicht bestätigt werden.[52]
Dennoch gibt es einige Parallelen zum Kommunistischen Widerstand. So beteiligten sich auch innerhalb der Roten Kapelle viele junge Frauen, die in der Weimarer Republik von der Arbeiterbewegung geprägt worden waren. Im Gegensatz zum Arbeiterwiderstand war der Frauenanteil in dieser Widerstandsorganisation sehr hoch. Eine zweite Gemeinsamkeit findet man in der Tätigkeit innerhalb der Gruppe: die Frauen verteilten Flugblätter, hörten Sender ab, stellten ihre Wohnungen oder Arbeitsräume für Besprechungen zur Verfügung und halfen Verfolgten. Einer der grössten Unterschiede liegt in der sozialen Herkunft der Frauen. So stammten die weiblichen Mitglieder der Roten Kapelle mehrheitlich aus gutem bürgerlichen Hauses, waren unabhängig und gingen einem akademischen Beruf oder Studium nach. Dank dem Gestapo-Album von Regina Griebel kann man diese Herkunft gut herausarbeiten, vor allem die Biographien der zum Tod verurteilten Frauen sind vollständig darin zu finden.
Die Frage, welche Motivationen die Frauen hatten, kann man nicht eindeutig beantworten. Klar ist das Motiv der Beseitigung des nationalsozialistischen Regimes. Der Lebensbericht von Greta Kuckhoff kann dabei einen Einblick in die Motive und Motivation der Gruppe geben. Man darf aber bei der Lektüre nicht vergessen, dass dieser Bericht 1976 geschrieben wurde und verständlicherweise subjektiv gefärbt ist. Die Motivation der einzelnen Frauen, den gefährlichen Weg des Widerstandes einzuschlagen, ist sehr schwer „zu rekonstruieren und bleibt ein wichtiges Aufgabenfeld für die Forschung.“[53] „Ebenso fehlen Untersuchungen über die Rolle der Frauen innerhalb der Arbeiteropposition der späten 1930er Jahre“.[54]
Lesen Sie in Teil 4 die Literatur zur Serie
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[46] Hermann Vinke, Cato Bontjes van Beek, „Ich habe nicht um mein Leben gebettelt“, Arche, 2003, S. 195
[47] Counter Intelligence Corps
[48] Roloff, Die Entstehung der Roten Kapelle, S. 199
[50] Boris Chawkin, Russische Quellen zur Roten Kapelle, in Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel, Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin, S. 108
[51] Roloff, Die Entstehung der Roten Kapelle, S. 205
[52] Chawkin, Russische Quellen, S. 108
[53] Coburger, Die Frauen der Roten Kapelle S. 100
[54] Eiber, Widerstand der kleinen Leute, S. 277