Luther – dieser Name steht für einen Mann, der wie kaum ein anderer Deutschland geprägt hat. Mit der von ihm angestoßenen Reformation wurde die christliche Kirche in ihrem Innersten erschüttert. Doch wie konnte der Mönch Martin Luther die mächtigste Organisation der damaligen Welt so nachhaltig verändern?
Willi Winkler versucht in seiner neuen Biographie “Luther – ein deutscher Rebell”, die im Rowohlt Verlag erschienen ist, ein Gesamtbild dieser herausragender Persönlichkeit zu zeichnen.
Martin Luthers Herkunft war bescheiden – keineswegs wuchs er aber in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater Hans war ein ehrgeiziger Aufsteiger, der sich als Bauer seinen Weg zum Mineneigner erarbeitete. Auch für seinen Sohn Martin sah der Patriarch einer bedeutenden Zukunft entgegen: Der streng (aber für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich) erzogene Luther sollte am Hof tätig werden und damit die Geschicke in Politik und Verwaltung mitgestalten. Zu diesem Zweck nahm Luther auf Druck seines Vaters ein Studium der Rechtswissenschaften auf.
Den Bruch mit dem Vater, der dann folgte, schildert Winkler anschaulich: Für Luther bedeutete es einen großen Schritt den vorgezeichneten Weg aufzugeben und sich dem Glauben und dem Kloster zuwenden. Die Erfahrungen, die er dann aber mit dem Klerus machte, konnte er nicht mit seinem Glauben vereinbaren.
Winkler versucht hierzu die Persönlichkeit des Reformators zu ergründen und bettet dies in eine Gesellschaftsstudie der damaligen Zeit ein: Die Menschen des 16. Jahrhunderts waren getrieben von einer immensen Todesangst – der strafende Gott sah für die Sünden schreckliche Sühne vor. Die Qualen, die man im Jenseits zu leiden hatte, illustrierten Maler wie Cranach und Bosch in angsteinflößenden und beklemmenden Gemälden. Dabei nahm die allgegenwärtige Angst keine Rücksicht auf Stand und Vermögen: Auch die mächtigsten Männer der damaligen Zeit wie Jakob Fugger der Reiche oder Kaiser Maximilian haderten mit ihrem Seelenheil.
Die Kirche wusste diese Furcht in bare Münze zu verwandeln: Mit einem immer umfassenderen Ablasssystem gewährte es Erlösung gegen die Hingabe von Geld- und Sachwerten.
Den tiefgläubigen Luther widerte dieses Handeltreiben an – wie Jesus im Tempel von Jerusalem wandte er sich gegen die Kommerzialisierung des Glaubens. Dabei war Luther nicht vor der Todesfurcht der damaligen Zeit gefeit – wahrscheinlich noch mehr als andere Menschen trieb diese ihn sogar in einen religiösen Wahn und Daseinszweifel.
Kern von Winklers Biographie dürfte aber die Wertung sein, dass Luther keineswegs die Kirche spalten wollte – vielmehr war er ein konservativer Reformer, der mit seiner Kritik und seinen 95 Thesen ein Umdenken in der Amtskirche erzwingen wollte. Ihm, dem der Prunk und die Geltungsucht Roms fremd und zuwider waren, konnte andererseits die kommenden Entwicklungen kaum voraussehen.
Hette ich die sache so weit gesehen, als sie Gott lob kommen ist, so hette ich das maul gehalten
Winkler beschränkt sich glücklicherweise nicht auf theologische Wertungen – mit seinem Versuch, die damaligen Verhältnisse aufzuzeigen, gelingt es ihm, dem Leser die Beweggründe, die Luther antrieben, zu vermitteln. Allein die Schilderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nimmt einen großen Teil des Buches ein – zu Recht: Wahnsinnig erscheint heute der Handel mit dem Seelenheil der Menschen. Andererseits führte die Spendenbereitschaft der Bevölkerung zu einem nicht gekannten wirtschaftlichen Aufschwung: Nie zuvor dürfte es so viele Bauprojekte in ganz Europa, aber vor allem in Rom, gegeben haben.
Winkler, der als Journalist für den Spiegel und die Süddeutsche Zeitung gearbeitet hat, legt mit seinem Werk nicht nur eine Biographie über Martin Luther vor – vielmehr ist ihm eine Studie der damaligen Zeit gelungen.
Luther, ein deutscher Rebell ist zum Preis von 29,95 € im Handel erhältlich.