Das Gründungsjahr liegt zwischen den Jahren 30-100 n. Chr. Weltweit gehören ca. 2,3 Milliarden Menschen zum Christentum. Der Begriff „Christentum“ wird erstmals im 2. Jahrhundert erwähnt. Der syrische Bischof Ignatius von Antiochia erwähnte diesen Begriff in einem seiner sieben Briefe, die er an die Kirchen in Ephesus, Rom, Smyrna u.a. schrieb. Die hier erwähnten sieben Briefe sind als die „echten“ Ignatiusbriefe anerkannt. In der Zeit des 2. Jahrhunderts waren schriftliche Quellen nur spärlich vorhanden, so dass die Episteln des Ignatius damals als die wichtigste Bezugsquelle für das Christentum galten.
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Das Christentum ist eine Religion, die zu Beginn des 1. Jahrhunderts aus dem Judentum hervorgegangen ist und sich in kurzer Zeit im Mittelmeerraum verbreitete. Mit dem Judentum ist das Christentum vor allem durch den ersten Teil der Bibel verbunden, der „Altes Testament“ genannt wird. Ohne dieses Alte Testament bliebe der christliche Glaube geschichtslos und unverständlich.
Die ersten Christen waren Juden, die zum Glauben an Jesus Christus fanden. In Jesus erkannten sie den biblischen Messias, auf dessen Kommen die Juden bis heute warten. Allerdings übernahmen diese „Urchristen“ aus der jüdischen Tradition sämtliche heiligen Schriften und auch den Glauben an einen Messias. Ebenfalls übernommen wurden die Art der Gottesverehrung, das Gebet der Psalmen und die Anbetung des Gottes als „Erschaffer“.
Die zahlreichen Konfessionen bzw. Kirchen innerhalb des Christentums lassen sich in vier Hauptgruppen zusammenfassen:
- die römisch-katholische Kirche,
- die orthodoxen Kirchen,
- die protestantischen Kirchen,
- die anglikanischen Kirchen.
Das Christentum ist die zahlenmäßig größte Weltreligion, der ungefähr ein Drittel aller Menschen auf der Welt angehören. Mit etwa 2,3 Milliarden Anhängern ist das Christentum vor dem Islam mit 1,7 Milliarden und dem Hinduismus mit rund 1,06 Milliarden Anhängern die am weitesten verbreitete Religion. Das Christentum ist in ganz Europa zu Hause. So gehören zum Beispiel in Deutschland fast 70 % der deutschen Bevölkerung dazu, in der Schweiz mehr als 80 % der Schweizer und in Österreich fast 90 % der österreichischen Bevölkerung. In Asien zählen 8,5 % der asiatischen Bevölkerung zum Christentum und in Afrika etwa 48 % der afrikanischen Bevölkerung. In Angloamerika sind es etwas mehr als 80 %, in Lateinamerika über 90 % und im Pazifischen Raum über 70 % der jeweiligen Bevölkerung.
Innerhalb des Christentums entstanden mehrere Gruppierungen und Strömungen, die sich manchmal durch politische Motive oder geographische Gegebenheiten ausbildeten, aber auch durch abweichende Lehrmeinungen. Einteilen lassen sich diese Richtungen nach ihren Merkmalen in Konfessionen und Denominationen. Zu einer Konfession oder Denomination gehören eine oder mehrere Kirchen oder Gemeinden. Viele Kirchen stehen in einer mehr oder weniger lockeren Gemeinschaft mit anderen Kirchen, die in beiderseits anerkannten Lehren begründet sind, ohne deshalb ihre signifikanten Lehren und ihr charakteristisches Brauchtum aufzugeben. Über Lehre und Praxis wird in den meisten Konfessionen durch Synoden oder Konferenzen auf internationaler Ebene entschieden, in anderen Konfessionen auf der Ebene der lokalen Kirche.
Nach dem Selbstverständnis der christlichen Religion liegt der Kern ihres Glaubens im Wissen um die bedingungslose Liebe Gottes gegenüber den Menschen und der gesamten Schöpfung. Durch diese Liebe, in der sich Gott durch den Menschen Jesus von Nazareth offenbart, wird die Beziehung Mensch – Gott – Welt geklärt. Diese Bindung betrifft alle Daseinsbereiche des Menschen und alle Dimensionen des Menschseins. Und die Heilszusage gilt den Menschen aller Nationen, unabhängig von Rassen- oder Klassenzugehörigkeit, Geschlecht oder gesellschaftlicher Stellung. Damit versteht sich das Christentum als universale Religion und gleichzeitig als der Ort, an dem sich Gott den Menschen in der Geschichte zugewandt hat und als Gott erfahrbar ist. Diesem Verständnis bzw. Sendungsauftrag entspricht der missionarische Charakter des Christentums.
Von zentraler Bedeutung für das Christentum ist Jesus von Nazareth, der in der Geschichte als jüdischer Wanderprediger bezeichnet wird. Er lebte etwa in den Jahren 28 – 30 unserer Zeitrechnung und predigte in Begleitung seiner Jünger öffentlich in Galiläa und Judäa. Auf Befehl des römischen Präfekten Pontius Pilatus wurde Jesus von römischen Soldaten in Jerusalem gekreuzigt. Die Überlieferung berichtet, dass Jesus am dritten Tag nach seiner Kreuzigung von den Toten erweckt wurde, seine Jünger sein Grab leer vorfanden, aber Jesus ihnen in leiblicher Gestalt erschien. Durch die Auferstehung erkennt das Judentum in Jesus von Nazareth den erwarteten Messias. In ihren Bekenntnissen nennen sie ihn fortan „Jesus Christus“. Für die Christen ist die Auferstehung Jesu Christi der Urgrund ihres Glaubens. Das Neue Testament beschreibt den nicht bezeugten Vorgang der Auferstehung nicht, sondern setzt ihn als alleinige Tat Gottes voraus. Das Christentum feiert die Auferstehung jedes Jahr zu Ostern, dem wichtigsten christlichen Fest. Das Phänomen der Auferstehung, Inhalt und Bedeutung werden in der Neuzeit kontrovers diskutiert. Die um 1750 beginnende historische Jesusforschung stellte erstmals die Tatsächlichkeit der Auferstehung von Jesus in Frage. Durch inzwischen historisch zu nennender Kritik an biblischen Texten disputierten verschiedene Autoren über das leere Grab von Jesus. Über eine lange Zeit galt die Auferstehung als historischer Ausgangspunkt des christlichen Glaubens. Und nun erklärte man rationalistisch, dass eine absichtliche oder irrtümliche Fehldeutung des leeren Grabes vorliegt; ohne Wunder und entgegen der Aussagen des Neuen Testaments. Trotz dieser Diskussionen bleiben für die christliche Lehre die Menschwerdung Gottes, der Kreuzestod und die Auferstehung Jesu Christi zentral. Die Christen glauben, dass dieses Ereignis von Gott gewollt ist, um die Menschheit mit ihm zu versöhnen. Der Tod am Kreuz wird als Erlösungstat verstanden.
Durch das Christentum wurden andere Religionen beeinflusst. Deren Anhänger sehen sich zwar nicht als Christen, erkennen aber Jesus als Propheten Gottes an. Im Koran erscheint Jesus als Sohn Marias, bestritten wird jedoch seine Gottessohnschaft. Unmissverständlich zurückgewiesen werden im Koran jede Anbetung Jesus Christus sowie die Dreieinigkeit „Vater (Schöpfer) – Sohn (Erlöser) – Heiliger Geist (Vollender)“. Außerdem wird die Kreuzigung Christi entsprechend der islamischen Koranexegese verneint mit der Festlegung: „Sie haben ihn nicht getötet und auch nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien ihnen ein anderer ähnlich, so dass sie ihn mit Jesus verwechselten und töteten.“
Alle im Christentum vereinten Konfessionen und Kirchen haben einige gemeinsame Glaubensaussagen.
Die wichtigsten sind: „Es gibt nur einen einzigen Gott. Jesus Christus ist der Sohn Gottes und der verheißene Messias. Jesus Christus ist zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch. Richtschnur für das Leben als Christ ist die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe einschließlich der Feindesliebe. Jesus konnte nicht sündigen. Durch sein Opfer am Kreuz ist allen Menschen ihre Schuld der Erbsünde vergeben, die ihnen seit der Geburt anhaftet, und sie sind durch das Blut Christi mit Gott versöhnt, sofern sie dies annehmen. Die Bibel ist als Wort Gottes von Gott inspiriert. In ihr ist die Botschaft über Jesus und Gott sowie die Richtschnur für das gottesbewusste Verhalten der Menschen niedergelegt.“
Die Römisch-katholische Kirche
Etwa um die Jahre 30 bis 33 entstand die Urkirche, die katholische Kirche. Die Bezeichnung „Römisch-katholische Kirche“ entstand erst im Gefolge der Reformation 1517. Das geschah zur einfacheren Unterscheidung der gespaltenen christlichen Bekenntnisse und meint damit die Kirche, die den Primat des Papstes als Oberhaupt und als Stellvertreter Christi anerkennt.
Die römisch-katholische Kirche beruft sich auf die Gründung durch Jesus Christus. Sie ist die größte Kirche innerhalb des Christentums und umfasst 24 Teilkirchen eigenen Rechts und mit eigenem Ritus.
Äußeres Merkmal der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist neben der gemeinsamen Glaubenslehre die Anerkennung des päpstlichen Primats, das heißt der geistlichen und juristischen Leitungsfunktion durch den Papst.
Als Teilkirche eigenen Rechts oder auch Rituskirche werden 24 eigenständige Teilkirchen bezeichnet, die zusammen die eine römisch-katholische Kirche bilden. Dazu gehören die lateinische Kirche (Westkirche) und 23 katholische Ostkirchen.
Die lateinische Kirche (Westkirche) mit 2.664 Bischofssitzen und 235 Partikularkirchen ohne Bischofssitz bildet die größte und bedeutsamste Teilkirche. Die Ostkirchen mit byzantinischem Ritus werden zusammenfassend als griechisch-katholische Kirchen bezeichnet.
Der Anteil der Katholiken an der Weltbevölkerung beträgt 17,5 Prozent. Das sind etwa 1,27 Milliarden. Zum Beispiel sind in Deutschland 28,9 Prozent (23,7 Millionen) der Bevölkerung katholischen Glaubens und in Österreich sind es 58,8 Prozent (5,2 Millionen). In der Schweiz 37,3 Prozent der Schweizer Bevölkerung (3,1 Millionen), Luxemburg 68,7 Prozent (380.000 Luxemburger) und in Liechtenstein 75,9 Prozent (27.000 Personen). Die Heimatländer der römisch-katholischen Kirche sind über die ganze Welt verteilt.
Die innere Organisation der katholischen Kirche lässt erkennen, dass in der Urkirche ursprünglich mehrere Modelle der Gemeindeleitung vorhanden waren. Es gab den Kreis der Ältesten, die Betreuung durch Wanderprediger und die funktionale Gemeindeleitung. Aber diese Gemeindeleitung oblag bereits ab dem Jahre 80 n.Chr. den Bischöfen.
Gegenwärtig hat die römisch-katholische Kirche etwa 415.000 Priester und ungefähr 815.000 Ordensleute.
Die besonderen Merkmale der römisch-katholischen Religion lassen sich in zwei Einheiten darstellen. Das sind einmal die Glaubensinhalte und zum anderen die Morallehre. Das Zweite Vatikanische Konzil hat betont, dass Glaubensinhalte von unterschiedlicher Qualität sind. „Beim Vergleichen der Lehren miteinander soll man nicht vergessen, dass es eine Rangordnung oder Hierarchie der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens.“ Die Morallehre ist von Anfang an dadurch geprägt, dass an den Idealen der Bergpredigt festgehalten wird, aber gleichzeitig den Bedingungen der irdischen Realität Rechnung zu tragen ist. Der Bergpredigt zufolge sind die zentralen katholischen Wertsetzungen die Liebe, die Wahrheit, die Gewaltlosigkeit, der Besitzverzicht, die Gerechtigkeit, die Treue und die Keuschheit. Die Umsetzung in kirchliches und staatliches Recht geschieht in immer neuen Versuchen und ebenfalls immer mit innerkirchlichen und gesellschaftlichen Konflikten. Lange waren Themen wie der Eid, die Wehrpflicht oder der Kapitalismus umstritten. Aber in diesen Punkten ist die katholische Morallehre traditionell kompromissbereit. Große Bedeutung kommt dem Lebensschutz zu. Deshalb werden Abtreibung, aktive Sterbehilfe, Klonen, die Todesstrafe, Eugenik und Angriffskrieg abgelehnt. Außerdem sind die Themenbereiche Umwelt- und Klimaschutz sowie die bestehenden sozialen Ungerechtigkeiten gegenwärtig in den Mittelpunkt päpstlicher Besorgnis gerückt.
Die römisch-katholische Kirche setzt auf den Dialog mit anderen Religionen. Auf Initiative des Vatikans kommt es seit Oktober 1848 in Mainz und später immer wieder weltweit zu religiösen Treffen.
Die Altkatholische Kirche
Die Altkatholische Kirche ist eine kleine Kirche, die in breiteren Bevölkerungskreisen weitgehend unbekannt ist. Sie verfügt in Europa etwa über 70.000 Angehörige. Beitritte erfolgen zumeist nur von einzelnen Personen, die entweder aus einer anderen Kirche oder aber aus der Konfessionslosigkeit kommen.
Die Altkatholischen Kirchen entstanden im Anschluss an das Erste Vatikanische Konzil von 1870. Am 18. Juli 1870 wurde eine dogmatische Konstitution verkündet, die wesentliche Konfliktpunkte offenbarte. Die verkündeten Dogmen enthielten die päpstliche Unfehlbarkeit und das Jurisdiktionsprimat des Papstes und der übrigen Bischöfe.
Diejenigen römisch-katholischen Christen, die diese neuen Dogmen ablehnten, wurden exkommuniziert. Fortan nannten sich diese dann Alt-Katholiken, die ab 1872 eigene Gemeinden gründeten.
Entstanden sind die altkatholischen Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus Protest gegen die dogmatischen Definitionen des Jurisdiktionsprimats und der päpstlichen Unfehlbarkeit. Ein weiterer wichtiger Punkt ist ihr Bekenntnis zur Ökumene. Die altkatholische Kirche hat sich seit dem Beginn ihrer eigenständigen kirchlichen Existenz für eine Verständigung unter den einzelnen Konfessionen eingesetzt.
Gelegentlich wurde den Altkatholiken wegen ihrer Reformen von römisch-katholischer Seite vorgeworfen, sie seien „Neuprotestanten“. Diese Behauptung wird zurückgewiesen mit dem Hinweis darauf, dass die Altkatholiken in ihren Standpunkten und Reformen keine Neuerungen eingeführt haben. Ihre Glaubensgrundsätze berühren oder zuwiderlaufen nicht den ursprünglichen, allgemeinverbindlichen Glauben der Kirche.
Die Verfassung der altkatholischen Kirchen ist bischöflich-synodal und beruht auf demokratischen Prinzipien.
Volljährige Gemeindemitglieder haben Mitbestimmungsrechte. Der Bischof wird auf der Synode gewählt. Die Rechtsprechung im Bistum obliegt unabhängigen Synodalgerichten. Ein Zwang in der Religionsausübung wird abgelehnt.
Die Evangelische Kirche
Die evangelischen Kirchen sind christliche Kirchen, deren Konfession sich auf die Bibel des Alten und des Neuen Testaments und in Teilen auf die Dogmenbildung der Alten Kirche und auf die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche gründet. Die Bezeichnung „lutherisch“ oder „Lutheraner“ war ursprünglich eine polemische Bezeichnung von römisch-katholischer Seite zur Identifizierung der Protestanten als Ketzer. Erst später wurde der Begriff zu der eigenen Bezeichnung, um eine Abgrenzung zu den Römisch-Katholischen und zu den Evangelisch-Reformierten zu demonstrieren.
Als evangelische Kirche bezeichnen sich Christen in der Tradition der Reformation (1517-1648). Weitgehend synonym wird hierfür auch der Terminus „protestantische Kirche“ oder auch „evangelisch-lutherische Kirche“ verwendet. Bereits im Mittelalter fand der Begriff Verwendung und in der Reformationszeit wurde der Begriff „evangelisch“ bewusst kirchenkritisch in einem Gegensatz zur katholischen Kirche angewandt.
Die Reformation wurde in Deutschland vorwiegend von Martin Luther, in der Schweiz von Huldrych Zwingli und Johannes Calvin vorangetrieben. Der Beginn wird allgemein auf 1517 datiert, als Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben soll. Aber die Ursachen und Vorläufer des „Protestantismus“ liegen lange vor 1517. Sie sind spätestens in der Mitte des 15. Jahrhunderts zu bemerken. Als vorläufiger Abschluss der Erneuerungsbewegung kann der Westfälische Frieden von 1648 betrachtet werden.
Die Reformbewegung spaltete sich aufgrund unterschiedlicher Lehren in verschiedene evangelische Kirchen auf. Die wichtigsten Konfessionen, die aus der Reformation hervorgingen, sind die Lutheraner und die Reformierten, darunter die Calvinisten, Zwinglianer und Presbyterianer.
Mit dem ursprünglich politischen Begriff „Protestanten“ werden im engeren Sinne die Angehörigen der christlichen Konfessionen bezeichnet, die durch die Reformation des 16. Jahrhunderts entstanden sind. Im Allgemeinen werden auch die nachreformatorisch entstandenen Konfessionsrichtungen als evangelisch bezeichnet, sofern sie gleiche oder ähnliche Grundsätze wie die reformatorischen Kirchen vertreten und sich deshalb von der römisch-katholischen Kirche distanzieren. In diesem Sinne wird z.B. die anglikanische Kirche zum Protestantismus gezählt. Ach die evangelischen Freikirchen gehören zum evangelischen Spektrum.
Die evangelische Kirche hat heute drei Hauptrichtungen, die als weltweite Organisationen erkennbar sind. Das sind der Lutherische Weltbund, der Internationale Lutherische Rat und die Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz. Der evangelischen Konfessionsfamilie gehören etwa 75 Millionen Christen an.
- So zählt der „Lutherische Weltbund“ 143 Mitgliedskirchen mit ca. 72 Millionen Gemeindemitgliedern;
- der „Internationale Lutherische Rat“ 30 Mitgliedskirchen mit 3,3 Millionen Gemeindemitgliedern;
- die „Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz“ 24 Mitgliedskirchen und ca. 500.000 Gemeindemitglieder.
Die evangelische Kirche und die evangelischen Glaubensgemeinschaften sind weltweit verbreitet.
Lutherische Kirchen sind in den meisten Fällen synodal und episkopal organisiert. Die Synoden sind die oberste Instanz für die Gesetzgebung sowie Lehr- und Personalentscheidungen und werden jeweils durch einen Synodalpräsidenten oder eine Synodalpräsidentin oder einen Präses oder einer Präses geleitet. In den Landeskirchen wird die geistliche Aufsicht von einem Bischof oder einer Bischöfin ausgeübt. Die deutschen evangelischen Landeskirchen haben sich in der „Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) organisiert.
Im Selbstverständnis der evangelischen Kirche ist die Glaubenslehre direkt an das Evangelium angelehnt. Darin unterscheidet sie sich von der römisch-katholischen Kirche Weitere elementare Unterschiede sind erkennbar in der Ablehnung der Marienverehrung, eine Absage an das Papsttum und an die hierarchische Verfassung der katholischen Kirche. Grundsätzlich sind die besonderen Merkmale der evangelischen Kirche für die evangelischen Christen als verbindlich zu betrachten. Und die Grundgedanken, die sich aus der Reformation ergeben, lassen sich in den vier lateinischen Formeln zusammenfassen: „sola fide, sola gratia, solus Christus und sola scriptura“.
Hervorzuheben ist außerdem, dass die entscheidenden Impulse für das Entstehen der Menschenrechte aus dem Protestantismus kamen.
Das spirituelle Christentum
Das spirituelle Christentum ist eine im 17. und 18. Jahrhundert entstandene Form des religiösen Sektierertums der russischen Orthodoxie, dessen Angehörige spirituelle Christen genannt werden. Christliche Spiritualität umfasst dabei nicht nur eine besondere Beschäftigung mit geistlichen Dingen, sondern drückt sich auch im Alltag aus. Gotteserfahrung und Ethik gehören zusammen. Die spezifische Spiritualität der orthodoxen Christenheit weist hingegen über die Jahrhunderte hinweg Grundkonstanten auf, die nur wenige allgemeine Variationen zulassen, weil sie sich an die Lehre der Kirchenväter gebunden fühlen.
Zu einer besonderen Organisationsform wäre zu sagen, dass es keine Trennung zwischen Laien und dem Klerus gab.
Die Apostolischen Gemeinschaften
Die Apostolische Gemeinschaft versteht sich als Teilkirche der „Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche“. Dabei gibt es einmal die „Freikirche“, die sich selbst als eine Abteilung innerhalb der Kirche Jesu Christi bezeichnet. Sie ist eine Abspaltung von der Neuapostolischen Kirche und sieht sich in der Tradition der katholisch-apostolischen Gemeinden. Die Gemeinschaft wurde am 24. Januar 1955 in Düsseldorf gegründet. Auslöser war der Ausschluss einiger Apostel aus der Neuapostolischen Kirche. Zum zweiten gibt es die römisch-katholische Vereinigung, die sich im Sinne apostolischer Dekrete als Laien zusammengeschlossen hat. Ziel ist die Verwirklichung eines spezifischen Apostolats.
In den 64 deutschen Gemeinden beträgt die Anzahl der Mitglieder etwas mehr als 5.000 Angehörige, wobei die Kinder nicht mitgezählt wurden.
Die Bezirke werden vorwiegend von Ältesten geleitet, einige aber auch von einem Bischof oder einem Apostel. Zusammen bilden die Apostel, die Bischöfe und die Ältesten den Vorstand der Gemeinschaft. Sie sind der Delegiertenversammlung verantwortlich, deren Abgeordnete alle fünf Jahre von den Kirchenmitgliedern gewählt werden. Seit 2004 ist die Frauenordination möglich.
Die Apostolische Gemeinschaft kennt und feiert die drei Sakramente Taufe, Abendmahl und Versiegelung. Es sind drei unterschiedliche Bedeutungen für das eine und vollkommene Heil Gottes. In der Taufe wird der Bund mit Gott gefeiert. Im Abendmahl werden die Erlösung von Sünden und die Versöhnung mit Gott gefeiert. In der Versiegelung feiert die Apostolische Gemeinschaft den Heiligen Geist, der zu Pfingsten ausgegossen wurde.
Die Unitarier
Der Begriff Unitarismus bezeichnet einerseits eine aus der radikalen Reformation stammende theologische Auffassung, und andererseits eine historisch aus dieser theologischen Auffassung entstandene religiöse Bewegung. Die unitarische religiöse Bewegung besteht heute sowohl aus theistischen, insbesondere christlichen Gemeinschaften.
Die Unitarier sind eine Religionsgemeinschaft freien Glaubens, die historisch den freireligiösen Gemeinschaften zugeordnet wird. Sie sind nach ihrem Selbstverständnis eine freiheitliche, nichtchristliche, pantheistische, humanistische Religionsgemeinschaft in der Tradition der Religionsauffassung der Aufklärung, in der auch freireligiöse Gemeinden stehen. Sie besitzen kein religiöses Dogma und sind deshalb eine freie Religionsgemeinschaft. Es gibt aber Grundgedanken der Gemeinschaft, die dem Einzelnen als Interpretationsmöglichkeit angeboten werden. Während die christlich-liberalen Unitarier sich auf die Bibel als Heilige Schrift beziehen, hat die überwiegende Zahl humanistisch-orientierter unitarischer Gemeinschaften keine Dogmen und keine verbindliche Schriften.
Bemerkenswert ist, dass über Mitgliederzahlen – wenn überhaupt – nur vage und höchst ungenau Auskunft gegeben wird. In Deutschland wird die unitarische Mitgliederzahl mit rund 10.000 geschätzt. Die Unitarier sind weltweit beheimatet.
Die unitarischen Gemeinschaften sind überwiegend dezentral organisiert. Die weitgehend selbständigen Gemeinden werden grundsätzlich von einem Pfarrer, Reverend oder Gemeindeleiter geleitet. Ihm zur Seite steht durchweg ein Gremium von demokratisch gewählten Gemeindevertretern, die organisatorische und finanzielle Belange verantworten.
Zentrale Grundsätze der Unitarier sind der Glaube an die Einheit allen Seins, das vom Wesen des Göttlichen durchdrungen ist. Und der Glaube an die menschliche Vernunft. Außenstehende meinen oft, die Unitarier würden als Gegenstück zu den christlichen Leitbildern von „Glaube, Liebe, Hoffnung“ lediglich „Freiheit, Vernunft, Toleranz“ setzen. Die Unitarier selbst geben an, dass sie an ein zusammenhangstiftendes Weltprinzip glauben, dass sie als das Göttliche bezeichnen. Die unitarische Religion ist nach ihrem Selbstverständnis eine an der Welt und auf das „Diesseits“ ausgerichtete Religion.
Bemerkenswert ist vielleicht noch, dass die Unitarier Feierstunden begehen anstatt von Gottesdiensten.
Die orthodoxen Kirchen
In den orthodoxen Kirchen werden verschiedene Bezeichnungen verwendet, um die orthodoxe Identität auszudrücken. Es handelt sich um „orthodoxe Kirche“, „orthodoxe katholische Kirche“, „östlich-orthodoxe Kirche“, „Ostkirche“, „griechisch-orthodoxe Kirche“ (hiermit ist der griechische Kulturraum gemeint, nicht nur Griechenland) oder auch „griechisch-orientalische Kirche“. Zusammenfassend werden orthodoxe, unierte und altorientalische Kirchen oft als Ostkirche bezeichnet. Dieser Begriff ist dabei lediglich ein geographischer Sammelbegriff und bezeichnet nicht eine als Einheit verstandene Gruppe von Kirchen. Die orthodoxe Kirche unterscheidet sich von den altorientalischen Kirchen und den katholischen Ostkirchen, die größtenteils von byzantinischen Kirchen abstammen.
Die selbstverwalteten Ostkirchen sind teilweise Nationalkirchen und weisen kulturelle Unterschiede auf, stehen jedoch untereinander in Kirchengemeinschaft. Deshalb verstehen sich die Angehörigen der orthodoxen Kirchen als Einheit und sprechen daher meist von der Kirche der Orthodoxie im Singular. Es handelt sich immer um eine Gruppe von Kirchen, die in Kirchenverständnis, Lehre und Kult weitgehend übereinstimmen und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl haben. Sie betrachten sich nicht jeweils als Teil einer einzigen Kirche, sondern als unmittelbarer Ausdruck der einen Kirche.
Die kirchlichen Traditionen und Lehren der orthodoxen Kirchen gehen auf Jesus Christus zurück und fanden ihre volle Ausprägung im byzantinischen Reich mit dessen Zentrum Byzanz bzw. Konstantinopel.
Die orthodoxen Kirchen sind nach der römisch-katholischen Kirche die zweitgrößte christliche Denomination mit ca. 300 Millionen Angehörigen, gefolgt von den Kirchen der Anglikanischen Gemeinschaft, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen und des Lutherischen Weltbundes.
Alle heutigen orthodoxen Kirchen auf dem Balkan, in Griechenland, Kleinasien, Syrien und Russland entstanden im hellenistischen Kulturraum oder wurden von dorther gegründet. Sie standen bis zur muslimischen Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 unter der Verwaltung der byzantinischen Reichskirche.
Die verschiedenen orthodoxen Gemeinden in Westeuropa und Nordamerika sind der heimatlichen Kirche oder dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel unterstellt. Diese Regelung widerspricht eigentlich dem orthodoxen Kirchenrecht, nach dem in jedem Gebiet nur eine orthodoxe Kirche existieren soll. Dieses wird aber wegen der besonderen Situation der großen Zahlen an Migranten mit Bedarf an muttersprachlicher Seelsorge hingenommen.
Ein zweites Argument hierfür ist, dass man in einem seit alters her römisch-katholischem Gebiet keine vollgültige Parallelkirche errichten möchte, da ja die Orthodoxen solches umgekehrt auch in ihren eigenen Ländern ablehnen.
An der Spitze einer orthodoxen Kirche steht ein Erzbischof oder Metropolit. Je nach Größe und historischer Bedeutung kann er auch den Titel Patriarch tragen. In der Hierarchie folgen die Bischöfe, die allerdings rechtlich und geistlich gleichgestellt sind. Ein Patriarch, Metropolit oder Erzbischof hat gegenüber einem Bischof keine höhere Autorität. Bindende Entschlüsse können aber nur von der Gemeinschaft der Bischöfe an einem Konzil oder einer Synode getroffen werden. Innerhalb seines Gebiets hat jeder Bischof die geistliche Jurisdiktion. Eine Frauenordination kommt bei den orthodoxen Kirchen grundsätzlich nicht vor. Lediglich für die Vorbereitung von Taufen sind Diakonissen vorgesehen.
Die orthodoxen Kirchen verstehen sich als die ursprüngliche Kirche, von der sich alle übrigen Kirchen im Laufe der Geschichte abgespalten bzw. entfernt hätten, so auch die römisch-katholische Kirche. Daher verstehen sich die orthodoxen Kirchen auch als geistliche Heimat aller Christen in ihren jeweiligen Gebieten und sehen mit Befremden auf die zahlreichen evangelischen Konfessionen.
Die altorientalischen Kirchen
Mit der Bezeichnung altorientalische Kirchen, orientalisch-orthodoxe Kirchen oder als Alternative auch vorchalkedonensische Kirchen werden jene Ostkirchen bezeichnet, die sich nach dem Konzil von Ephesos im Jahre 431 oder nach dem Konzil von Chalcedon im Jahre 451 von der römischen Reichskirche trennten. Bei diesen Kirchen handelt es sich zum einen um Landeskirchen außerhalb der Grenzen des Oströmischen Reichs (Nationalkirchen), zum anderen um regionale Bewegungen in Armenien, Ägypten, Georgien und Syrien (Oppositionskirchen). Diese Oppositionskirchen richteten sich gegen den konstantinopolitanischen Zentralismus und vereinten sowohl Griechen wie Kopten oder Syrer. Die Trennung hatte neben dogmatischen auch politische Gründe. Einen vereinenden Altorientalismus für alle Gruppen gibt es aber weder theologisch noch historisch.
Durch Flüchtlingswellen, Emigration und Übertritte zum Islam haben die orientalisch-orthodoxen Kirchen viele Mitglieder verloren. Mit Ausnahme in der Republik Armenien, in Eritrea und in Äthiopien sind sie heute Minderheitenkirchen. Gleichzeitig haben sie sich aber im westlichen Kulturkreis ausgebreitet. Die in Deutschland lebenden altorientalischen Christen werden durch den Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland vertreten.
Die orientalisch-orthodoxen Kirchen sind in Lehre und Liturgie den byzantinisch-orthodoxen Kirchen ähnlich, betonen aber stärker die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur in Jesus Christus und bezeichnen Maria als Mutter Christi und nicht als Mutter Gottes.
Die Bibelforscherbewegung
Die Bibelforscherbewegung ist eine nichttrinitarische christliche Glaubensbewegung. Sie nannte sich ursprünglich „Internationale Bibelforscher-Vereinigung“ und wurde in Deutschland als „Ernste Bibelforscher“ bekannt. Die größte Glaubensgemeinschaft sind die „Zeugen Jehovas“.
Etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann in den USA die Geschichte der Bibelforscher. Doch bereits in den Anfangsjahren kam es zur Trennung in die Gruppen der „Freien Bibelforscher“, der „Laien-Heim-Missionsbewegung“ und zur Bildung der „Tagesanbruch Bibelforscher“.
Die vollständige Mitgliederzahl lässt sich nur sehr schwer verifizieren, da durch frühere Verfolgungen, Verboten und Diskriminierungen eine Auflistung zögerlich und nur schwer nachvollziehbar erfolgt. Bekannt ist, dass die Laien-Heim-Missionsbewegung weltweit etwa 16.000 Mitglieder hat und die Freien Bibelforscher zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa 10.000 Angehörige. In Deutschland lebten im Jahre 1933 etwa 30.000 Mitglieder.
Freie Bibelforschergemeinden befinden sich in 45 Ländern der Erde. Jedoch findet die Missionstätigkeit der Zeugen Jehovas in 240 Ländern statt. Nach 1933 gerieten die Bibelforscher wegen ihrer Unbotmäßigkeit gegenüber den Machthabern, der Verweigerung des Kriegsdienstes und Ablehnung des Hitlergrußes schnell ins Abseits. Aber auch wegen Hilfeleistungen für Juden aus christlicher Nächstenliebe gerieten die Anhänger der Bibelforscherbewegung bald ins Visier der Nationalsozialisten.
Neben Juden, Sinti und Roma, Sozialisten, Kommunisten und Homosexuellen wurden sie unter der Bezeichnung „Bibelforscher“ als eigene Kategorie der Verfolgten und Häftlinge behandelt. Allein von den Zeugen Jehovas wurden 1.490 in Konzentrationslagern ermordet. Mit etwa 90 % der Insassen stellten die Bibelforscher-Frauen die größte Gruppe in den Konzentrationslagern. Die Forschungsarbeiten insbesondere zu den Verfolgungen während der Zeit der Nationalsozialisten sind längst nicht abgeschlossen.
Im Jahre 1950 wurden in der DDR die Bibelforscher verboten und befanden sich dadurch in einer schwierigen Lage. Viele wurden verhaftet, andere wandten sich vom Glauben ab.
Die Zeugen Jehovas sind in der öffentlichen Wahrnehmung durch ihre Geduld und Freundlichkeit, aber vor allem durch ihre ausgeprägte Missionstätigkeit bekannt. Ein besonderes Merkmal ihres Glaubens ist das Nichtbegehen aller religiösen Feier- und Festtage außer dem Abendmahl. Ihre Geburtstage feiern sie auch nicht. Bemerkenswert ist außerdem ihre Ablehnung von Bluttransfusionen.
Die Judenchristen
Als Judenchristen werden die Juden bezeichnet, die sich zum Glauben an Jesus Christus als Messias und Sohn Gottes bekennen. Als Urchristentum bezeichnet man die Anfangszeit des Christentums. Sie reicht von der Kreuzigung Jesu um das Jahr 30 n.Chr. bis zur Abfassung der letzten urchristlichen Schriften, die später in das Neue Testament aufgenommen wurden, also bis um 100/110 n.Chr.
Das Urchristentum bildete sich nach dem Tod von Jesus von Nazareth als eine innerjüdische Sondergruppe heraus. Sie verstand sich als Teil des Judentums und wurde von den damaligen Pharisäern nicht ausgegrenzt, sondern gegenüber den Sadduzäern verteidigt.
Alle frühen Nachfolger Jesu, fast alle Verfasser des Neuen Testaments und die meisten Urchristen im 1. Jahrhundert waren jüdischer Herkunft, also Judenchristen. Das Neue Testament ist eine Sammlung von 27 Schriften des Urchristentums, die Jesus Christus als den zur Rettung Israels und des Kosmos gekommenen Messias und Sohn Gottes verkünden. Die neutestamentlichen Schriften beziehen sich oft auf das Alte Testament, die heiligen Schriften der Juden.
Bis etwa 100 n.Chr. des Urchristentums gab es eine jüdische Mehrheit. Danach, bis etwa 400 n.Chr. gehörten sie zu den christlichen Minderheiten.
Eine kontinuierliche judenchristliche Tradition gibt es weder im Judentum noch im Christentum. Es gab aber im Laufe der Zeit verschiedene Anläufe zu einer konfessionsübergreifenden Organisierung von Judenchristen. So z.B. gründete sich in London um 1813 der Verein der „Söhne Abrahams“ aus getauften Juden, die allerdings Mitglieder ihrer Freikirchen blieben. Aber ihr Anliegen war, das noch unbekehrte Israel zu missionieren und die Kirchen zu reformieren. In der Folge bildeten sich nationale Ableger in den meisten europäischen Staaten, den USA, Israel, Südafrika und Australien. Während der Zeit der Verfolgung durch die Nationalsozialisten versuchten sie, Judenchristen in Deutschland in den Jahren 1939-1945 zur Ausreise zu verhelfen. Im Gegensatz zu Kryptojuden, die aufgrund des öffentlichen Druckes nicht mehr öffentlich ihre jüdische Religion praktizierten, traten Judenchristen aus Überzeugung zum Christentum über.
Als Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde wird das Einbringen allen Eigentums und teilen der Erlöse mit den Bedürftigen bezeichnet.
Die messianischen Juden
Messianische Juden sind eine relativ neue Bewegung, die ihre Wurzeln in der Bewegung der Hebräischen Christen im 19. Jahrhundert hat. Messianische Juden sind Menschen überwiegend jüdischer Abstammung, die an Jesus Christus als ihren Messias glauben. Sie verstehen sich aber dennoch als Juden und zelebrieren weiterhin die jüdischen Bräuche.
Die Grundlage ihres Glaubens, ihrer Lehre und Lebensführung bildet für sie die vollständige Bibel mit dem Alten und dem Neuen Testament, weil sie der Überzeugung sind, dass die Bibel in ihrer Ganzheit von Gott geschaffen ist.
Von jüdischen Organisationen und dem Obersten Gericht des Staates Israel werden Messianische Juden nicht als Juden anerkannt. Eine Mehrheit der säkularen Juden tendiert jedoch dazu, die Messianischen Juden als weitere Teilrichtung des Judentums zu betrachten. Auch wenn Messianische Juden andere Christen als Glaubensgeschwister anerkennen bzw. von ihnen anerkannt werden, lehnen sie es oft kategorisch ab, sich selbst ausschließlich als Christen zu bezeichnen oder bezeichnen zu lassen. Die Mehrzahl der Messianischen Juden lebt in den USA, in Israel und Kanada.
Mit der eskalierenden Judenverfolgung seit 1939 zerfiel die Bewegung der messianischen Juden u.a. in den Ländern Rumänien, Ungarn und Russland.
Die Gemeinden der Messianischen Juden besitzen weder eine einheitliche Struktur noch eine übergeordnete Hierarchie. Sie stehen aber durch verschiedene Netzwerke miteinander in Kontakt. Zwischen den messianischen Juden und den Judenchristen besteht keine historische Verbindungslinie. Das ist in etwa vergleichbar mit dem Unterschied der antiken Juden im Urchristentum zu den Heidenchristen der Jerusalemer Urgemeinde.
Die Messianischen Juden sind nach jüdischer Ansicht eine christliche Sondergemeinschaft. Juden, die freiwillig zu ihnen konvertieren, verlieren deshalb ihre Rechte als Juden. Diese Regelung ist maßgebend für ihre Stellung hinsichtlich des Staates Israel und weltweit hinsichtlich aller jüdischer Gemeinden und Organisationen. Konvertieren Juden zum Messianischen Judentum und stellen später einen Antrag auf Einbürgerung in Israel nach dem Rückkehrgesetz, so wird ihr Antrag abgelehnt.
Der weitaus größte Teil der heutigen sich selber Messianische Juden nennenden Menschen sind darum nach jüdischem Verständnis Christen, auch in Israel.
Die Sabbatianer
Der Begriff Sabbatiner bezeichnet keine geschlossenen Gruppe, sondern verschiedene teils historische, teils noch bestehende christliche Glaubens- und Sondergemeinschaften, die den Sabbat einhielten oder einhalten. Um 1528 wurde die erste Gruppe der „Sabbater“ in Schlesien und in Mähren gegründet.
Im Jahre 1638 kam es zu einer Trennung der Glaubensrichtung der Unitarier von den Sabbatianern. Diese wurden später verfolgt und in der nachfolgenden Zeit konvertierten sie oft zum Schein zu den Reformierten. Dennoch hielten sich einige Sabbatianer trotz Verfolgung bis ins 19. Jahrhundert. Sie wurden damals auch als Seelenjuden bezeichnet. Der letzte Rest der Gemeinschaft, die in Siebenbürgen damals noch etwa 30 Familien umfasste, trat 1868 vollständig zum Judentum über. Die letzten überlebenden Nachfolger der Siebenbürger Sabbatharier wurden im Holocaust ermordet.
Wie die Juden erwarteten die Sabbatianer die Ankunft des Messias, waren aber der Meinung, dass die Gläubigen erst nach Jesu Wiederkunft zur Ruhe Gottes gelangten.
Begriffsklärung
Ablass ist ein Begriff aus der römisch-katholischen Theologie und bezeichnet einen von der Kirche geregelten Gnadenakt, durch den nach kirchlicher Lehre zeitlichen Sündenstrafen erlassen werden, nicht dagegen die Sünden selbst.
Buchreligion ist ein religionswissenschaftlicher Begriff zur Bezeichnung solcher Religionen, die eine Heilige Schrift besitzen und sich stark an Texten orientieren.
Denomination. Mit dem Begriff Denomination wird hauptsächlich in den USA eine Glaubensgemeinschaft bezeichnet, die unter einem eigenen Namen und mit eigener Tradition und Identität auftritt. In Deutschland ist diese Bezeichnung mit „Konfession“ zu übersetzen.
Diadochen heißt Nachfolger und wird wegen der Wichtigkeit im Plural verwendet.
Diaspora bezeichnet ein Gebiet, in dem eine religiöse Minderheit lebt, die von einer Mehrheit mit anderen Konfessionen umgeben ist.
Doketismus ist eine Lehre, der die Auffassung zugrunde liegt, dass die Materie niedrig und böse sei und Christus nur einen Scheinleib zuerkennt.
Ekklesiologie ist im Christentum die theologische Reflexion über die Gemeinde, über ihr Wesen, ihre Bedeutung in der Heilsgeschichte im Kontext von Gottes Wirken und ihre Entwicklung zur Institution Kirche.
Eucharistie bedeutet Abendmahl oder heilige Kommunion.
Europäisches Heidentum oder Paganismus bezeichnet religionsgeschichtlich aus christlicher Sicht den Zustand, nicht zu einer der monotheistischen Religion zu gehören.
Exegese bedeutet Auslegung oder Erläuterung heiliger Schriften, findet aber auch Anwendung im Zusammenhang juristischer oder überhaupt allgemeiner Texte.
Gnostizismus stammt aus dem altgriechischen „gnosis“ und bedeutet „Erkenntnis“. Als religionswissenschaftlicher Begriff bezeichnet er damit verschiedene religiöse Lehren und Gruppierungen des 2. und 3. Jahrhunderts nach Christus.
Gott. Im deutschsprachigen Raum wird mit Gott ein monotheistischer Gott verstanden
Kryptojuden sind im allgemeinen Sprachgebrauch Konvertiten und deren Nachkommen.
Messias bedeutet „Gesalbter“, „Erlöser“.
Monotheismus. Der Begriff kommt aus dem Griechischen und heißt wörtlich übersetzt „allein“ und „Gott“. Korrekt übersetzt bezeichnet Monotheismus philosophische Lehren bzw. Religionen. Das bedeutet, nach diesen Lehren und Religionen gibt es nur einen allumfassenden Gott.
Neopaganismus. Mit Neopaganismus, oder auch Neuheidentum, werden die seit dem 19. Jahrhundert aufgekommenen religiösen und kulturellen Strömungen bezeichnet, die sich vor allem an antikem, keltischem, germanischem oder slawischem Heidentum und außereuropäischen ethnischen Religionen orientieren.
Ökumene ist das allgemeine Zusammenwirken der christlichen Kirchen.
Reformation. Mit Reformation wird die kirchliche Erneuerungsbewegung von 1517 und 1648 bezeichnet. Sie führte zur Spaltung des westlichen Christentums in die Konfessionen katholisch, evangelisch und reformiert.
Rekonstruktivist bedeutet so viel wie „Erneuerer“.
Religion ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte überirdische Kräfte ist. Im Sinne der Wissenschaftstheorie ist „Glaube“ nicht beweisbar, da es hierbei um intuitive und individuelle Erfahrungen geht.
sola fide – allein der Glaube als Vertrauen nicht auf sich selbst, sondern auf Jesus Christus lässt einen Menschen vor Gott als gerecht gelten. Durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt, nicht durch gute Werke.
sola gratia – allein durch die Gnade Gottes wird der Mensch errettet, nicht durch eignes Tun. Kein menschliches Handeln oder Streben oder noch so gute Werke können als ein Verdienst gegenüber Gott geltend gemacht werden. Das Heil bleibt in allen Phasen des Christseins immer ein Geschenk.
solus Christus – allein Christus, nicht die Kirche, hat Autorität über Gläubige. Allein der Person Jesus Christus, seinem Wirken und seiner Lehre gilt das Vertrauen für die Errettung.
sola scriptura – allein die Heilige Schrift ist die Grundlage des christlichen Glaubens, nicht die Tradition der Kirche. Die Bibel ist die einzige Grundlage für das theologische Urteilen oder Verurteilen. Sie wendet sich nicht gegen zeitgemäßes Reden, nicht gegen den kritischen Gebrauch der Vernunft, auch nicht gegen neue, aktuelle Bekenntnisse oder kirchliche Traditionen; sie soll diese auch nicht ersetzen. Aber sie ist der Maßstab und die Norm. An ihr ist alle Predigt und kirchliche Lehre zu messen.
Synkretismus bedeutet die Vermischung verschiedener Religionen, Konfessionen oder philosophischer Anschauungen.
Synode. Die Synode ist die Versammlung von Vertretern der evangelischen Kirche.
Toleranzpatent. Mit Toleranzpatent werden die Toleranzedikte Kaiser Josephs II. bezeichnet. Damit wurden Reformen eingeleitet, die den im Erzherzogtum Österreich zuvor diskriminierten Minderheiten eine freiere Ausübung ihrer Religion ermöglichten. Der Vorrang der Katholischen Kirche blieb aber weiterhin bestehen.
Trinitarisch bedeutet Dreifaltigkeit, Dreieinigkeit; die Wesenseinheit Gottes.
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