Autor: Tom Zeddies

Glaubensspaltung – Reformation

Die „Reformatorische Wende“

Um 1515 – das genaue Datum ist unbekannt – hatte Luther sein berühmtes „Turmerlebnis“, das er selbst später als große Befreiung schilderte. In der einsamen Meditation über den Bibelvers Röm. 1, 17 entdeckte er plötzlich, was er seit einem Jahrzehnt vergeblich gesucht hatte:
„Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus dem Glauben kommt und zum Glauben führt; wie geschrieben steht (Hab. 2, 4): ‚Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.'“
Dieser Satz veränderte schlagartig sein gesamtes Schriftverständnis: Gottes ewige Gerechtigkeit ist ein reines Gnadengeschenk, das dem Mensch nur durch den Glauben an Jesus Christus gegeben wird. Keinerlei Eigenleistung kann dieses Geschenk erzwingen. Auch der Glaube, das Annehmen der zugeeigneten Gnade, ist kein menschenmögliches Werk.
Damit war für Luther die gesamte mittelalterliche Theologie mit ihrer kunstvollen Balance zwischen menschlichen Fähigkeiten und göttlicher Offenbarung zerbrochen. Von nun an nahm er die Kirche zunehmend kritisch in den Blick, die sich in all ihren Formen und Inhalten als Vermittlungsanstalt der Gnade Gottes an den Menschen sah.
Spätestens in der Römerbriefvorlesung von 1515 liegt Luthers neues Verständnis der Rechtfertigung allein aus Gnade Gottes vor, wenn auch noch vermischt mit Denkschemata Augustins und der Mystik von Johannes Tauler. 1516 veröffentliche er zudem die „Deutsche Theologie“ eines unbekannten Mystikers, der ihn in seiner wachsenden Ablehnung äußerlicher kirchlicher Riten bestärkte.
Mit der Änderung seines Nachnamens von „Luder“ zu „Luther“ – dem griechischen Wort für ?????????, (eleutheros: „Befreiter, frei“) – signalisierte er seit 1517 auch äußerlich seine innere Verwandlung.

 

Der Beginn der Reformation: Ablass und 95 Thesen

Luther hatte schon bei seiner Romreise Bußpraktiken kennengelernt, die er innerlich ablehnte. Der Ablass war ein Mittel der katholischen Kirche, Spenden für den Bau des Petersdoms in Rom zu gewinnen. „Ablassbriefe“ sollten den Gläubigen einen dem Geldbetrag entsprechenden Bußerlass für sie oder für bereits gestorbene Angehörige bescheinigen, wurden aber als Sündenerlass gegen Geld verkauft: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Genau ein Jahr vor dem Thesenanschlag in Wittenberg predigte Luther erstmals öffentlich dagegen.
Sommer 1517 bekam er die vom Mainzer Kardinal Albrecht verfasste „Instructio Summarium“, eine Anweisung für die im Land umherreisenden Ablassprediger, zu Gesicht. Mit einem Teil dieser Einnahmen wollte der Erzbischof seine Schulden bezahlen, die er bei den Fuggern hatte. Diese hatten ihm sein Kurfürstenamt finanziert. Dazu sandte er den Ablassprediger Tetzel auch nach Sachsen. Am 4. September 1517 gab Luther daraufhin 97 Thesen heraus, um einen Disput über die gesamte scholastische Theologie unter seinen Dozenten-Kollegen in Gang zu bringen. Eine wörtliche Kopie davon fand sich erst kürzlich in der Bibliothek im Schloss Wolfenbüttel wieder.
Doch erst jene andere Reihe von 95 Thesen gegen Buß- und Ablasspraktiken fand den großen öffentlichen Widerhall, der die Reformation auslöste. Luther soll sie der Legende nach am 31. Oktober am Kirchentor in Wittenberg angeschlagen haben. Darin protestierte er weniger gegen die Finanzpraktiken der katholischen Kirche als gegen die darin zum Ausdruck kommende verkehrte Bußgesinnung. Der Ablasshandel war für ihn nur der äußere Anlass, eine grundlegende Reform der ganzen Kirche „an Haupt und Gliedern“ zu fordern. Dabei griff er den Papst noch nicht direkt an, sah seine Aufgabe aber in der Fürbitte für alle Gläubigen. Für die breitere Bevölkerung verfasste er 1518 den „Sermon von dem Ablass und Gnade“, in dem er die Thematik und seine Meinung dazu in einfacher, verständlicher Weise darstellte.
Kardinal Albrecht zeigte Luther nun in Rom an; Tetzel reagierte mit Gegenthesen auf die Disputationsreihe vom September, bei der ihn der Ingolstädter Theologe Johannes Eck unterstützte. Im April 1518 durfte Luther im Auftrag von Staupitz vor der Augustinerkongregation in Heidelberg seine Theologie erläutern. Hier grenzte er die exklusive Relation von Gnade zum Glauben (sola gratia – sola fide) scharf gegen Aristoteles und die menschliche Willensfreiheit ab. Er gewann eine Reihe von Anhängern, die später zu Reformatoren wurden, darunter Martin Bucer, Johannes Brenz, Sebastian Franck. Im August berief die Universität Wittenberg außerdem Philipp Melanchthon, der bald Luthers engster Freund und Schüler wurde.

 

Die Ausbreitung der Reformation

Die Schriften von 1520 machten Luther im ganzen Reich bekannt. In vielen Ländern beginnen sich ähnliche Reformbestrebungen zu regen. Diese Reformationsbewegung führte im Ergebnis zu einer Kirchenspaltung und Gründung der lutherischen Kirche. Diese lag Luther fern, da er die katholische (= allumfassende) Kirche insgesamt reformieren wollte.
Als die katholischen Stände 1529 auf dem zweiten Reichstag zu Speyer die Aufhebung der bisherigen partiellen Duldung der Evangelischen durchsetzten, legten die evangelischen Stände (5 Fürstentümer und 14 Städte aus Oberdeutschland) die Protestation zu Speyer ein. Seitdem spricht man von Protestanten.
Beim folgenden Reichstag zu Augsburg 1530 erreichen diese die Duldung ihrer gemeinsamen Bekenntniserklärung, der Confessio Augustana, und die erneute Aussetzung des Wormser Edikts. Dadurch kann sich die Reformation in den deutschen Territorien weiter ausbreiten und festigen. Dies war der politische Durchbruch, aber auch der Beginn einer Entwicklung, die später zur Gegenreformation und zum 30-jährigen Krieg führte.

 

Der Bauernkrieg

Die mittelalterliche Feudalordnung führte auch infolge vieler Kriege dazu, dass die Fürsten den Bauern immer mehr Abgaben aufbürdeten, ihre Gewohnheitsrechte (z.B. das Jagen, Fischen, Holz schlagen) immer stärker einschränkten und sie in die Leibeigenschaft zwangen. Dies führte schon im 15. Jahrhundert zu einer Serie von Bauernaufständen, zuerst in der Schweiz.
In deutschen Gebieten kam es 1524 zum „großen Bauernkrieg“. Ausgehend von schweizerischen, schwäbischen und badischen Bauern breiteten sich die Aufstände wie ein Flächenbrand aus. Auch einige Städte schlossen sich an, da die Unzufriedenheit mit Fürsten und Bischöfen allgemein sehr groß geworden war. Die Bauern stellten Forderungen, die von der bloßen Wiederherstellung ihrer Gewohnheitsrechte bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft und zu demokratischen Grundrechten reichten (12 Artikel). Dabei beriefen sie sich auch auf die Bibel und sahen sich moralisch im Recht, da sie Luthers Reformation auf ihrer Seite glaubten.
Nach einigen Erfolgen der Bauern ließen die Fürsten ein Gegenheer aufstellen, das aber die ersten Schlachten verlor. In Weinsberg ermordeten einige Bauern einen Grafen und seine Begleiter (Weinsberger Bluttat). Daraufhin verfasste Luther, der sich bis dahin zurückgehalten hatte, seine berüchtigte Schrift „Wider die mörderischen Rotten der Bauern“. Diese ermutigte alle Fürsten – unabhängig von ihrer Konfession – dazu, die Bauern mit aller notwendigen Gewalt niederzuschlagen. Daraufhin verstärkten die Fürsten, bei denen Luthers Wort Gewicht hatte, das Gegenheer.
1525 erreichten die Aufstände auch Thüringen und Sachsen. Hier war der frühere Lutherschüler und Reformator Thomas Müntzer zum Wortführer der Bauern geworden. Er hatte anfangs wie Luther versucht, die Landesfürsten für Reformen zu gewinnen. Nachdem Luther den Kurfürsten ermutigt hatte, Müntzers Forderungen abzulehnen, wurden dessen eigenständige Reformversuche in Allstedt verboten.
Nun übernahm Müntzer die Führung des Bauernheeres und wollte es nach Mansfeld führen, um den dort ansässigen Grafen zu entmachten. Bei Frankenhausen wurde sein Heer vom Fürstenheer gestellt und umzingelt. Die Bauern waren nur mit Schlegeln und Sensen bewaffnet und hatten kaum Kampferfahrung. Müntzer war kein Militärführer, sondern ein wortgewaltiger Prediger. Nach Scheinverhandlungen trieben die berittenen Soldaten die Bauern auseinander und richteten ein Blutbad an, bei dem etwa 5000 Bauern ermordet wurden. Müntzer wurde wenige Tage später gefasst und enthauptet.
Luther begrüßte dies als gerechte Strafe für den „Teufel“, der das „weltliche“ und „himmlische“ Reich vermischt und gegen Gottes Ordnung rebelliert hatte (vgl. Zwei-Reiche-Lehre). Trotzdem fühlte er sich mitverantwortlich für das Gemetzel, das nicht zuletzt auf seinen Aufruf hin geschehen war.
Nach dieser Niederlage wurden auch alle übrigen Aufstände nach und nach niedergeschlagen. Man schätzt, dass im deutschen Sprachraum etwa 130.000 Bauern dabei ihr Leben verloren. Keine einzige ihrer Forderungen wurde erfüllt, sondern vielfach wurden ihre Lasten verschärft. Nach diesem ersten Revolutionsversuch dauerte es über 300 Jahre, bis der Feudalismus, und 400, bis die Monarchie in Deutschland überwunden wurden.

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