Europäische Organisationen

 

Die große Koalition in Deutschland wird von vielen politischen Beobachtern als Möglichkeit gewertet, mit einer starken Hausmacht in Europa politische Prozesse anzustoßen. Dabei stellt sich aber die Frage, welche Rolle Deutschland in Europa einnehmen will und welche Strategie es geo- und machtpolitisch überhaupt verfolgt.

Geschichtlich Europas Motor

Geschichtlich ist Deutschland der Motor Europas. Bis zum 18. Jahrhundert weitgehend unbedeutend, wurde Deutschland mit dem Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einem machtpolitischen Faktor in Europa.
Napoleon gründete damals den Rheinbund als Puffer gegen Preußen und das russische Zarenreich. Neben Frankreich, Preußen und Russland war England das wichtigste Land der Welt. Europa war ökonomisch und finanziell vom Inselreich abhängig: Mit der rasenden Industrialisierung in England war dieses den europäischen Staaten überlegen.
Als 1871 das Deutsche Kaiserreich gegründet wurde, hatten sich die geopolitischen Gegebenheiten schlagartig geändert. In Europa wurde Deutschland zu einer der mächtigsten Nationen überhaupt: Militärisch war es jedoch von zwei Seiten bedroht: Frankreich im Westen und Russland im Osten. Nichts fürchteten deutsche Politiker damals so sehr, als ein franko-russisches Bündnis, gegen das das Deutsche Kaiserreich nicht hätte gewinnen können.
Sowohl der I. als auch der II. Weltkrieg spiegeln diese geopolitische Lage wieder: In beiden Kriegen wurde versucht, Frankreich zu schlagen, um dann Russland bekämpfen zu können und England vom Festland entfernt zu halten.
Nach dem II. Weltkrieg wurde Deutschland geteilt – die Westmächte benötigten jedoch Westdeutschland als Puffer gegen die mächtige Sowjetunion und banden die BRD wirtschaftlich und militärisch in die EWG und NATO ein. Das Wirtschaftswunder in Deutschland wirkte sich positiv auf Westeuropa aus. Innerhalb weniger Jahre wurde Deutschland wirtschaftlich wieder ein Machtfaktor in Europa

Die Schuldenkrise als Zäsur

Die wirtschaftliche Entwicklung wäre ohne die europäische Einigung so nicht möglich geblieben. Deutschland lebt vom Export und die Europäische Union schützt durch den gemeinsamen Binnenmarkt genau diese Interessen: Ohne die Europäische Union könnten Staaten mit verschärften Einfuhrbedingungen politische Kompromisse abtrotzen und wären nicht durch den freien EU-Markt gehindert.
Mit der Schuldenkrise wurde Deutschland sich seiner wirtschaftlichen Macht bewusst: Schuldenstaaten waren von deutschem Geld abhängig, als größte Wirtschaftsmacht war auch der Wohlstand der Deutschen bedroht.

Ein deutsches Europa oder ein europäisches Deutschland?

Common sense in der deutschen Regierung ist, dass die Europäische Union die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten überwachen sollte – ein solches Vorgehen wäre jedoch ein starker Eingriff in die Souveränität der Mitgliedsstaaten. Zudem folgt das europäische Recht in vielen wichtigen Kernpunkten der deutschen Tradition.
Deutschland muss auch aufgrund des Drucks seiner Bürger (die eurokritische AfD wäre fast in den Bundestag eingezogen) seine Interessen stark in Europa vertreten: Diese deutsche Dominanz wird aber in den Mitgliedsstaaten als Provokation verstanden. In ihren Augen ist nicht die nationale Politik an der Wirtschafts- und Finanzkrise schuld, sondern Versäumnisse in der EU.
Diesen Konflikt aufzulösen wird eine Hauptaufgabe von Angela Merkel – ein europäisches Deutschland müsste Kompetenzen abgeben, die europäische Kommission und das Parlament umgestalten – die Europäische Union also neu ordnen.
Als Alternative bietet sich nur an, deutsche Interessen intergouvernemental (also national) den Mitgliedsstaaten aufzwingen – dies würde der europäischen Einigung entgegenstehen und starke wirtschaftliche Risiken in sich tragen.

Russland als deutscher Partner

Dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder war eine enge Zusammenarbeit mit Russland sehr wichtig – menschlich fand er mit Wladimir Putin zusammen.
Unter Angela Merkel ist das deutsch-russische Verhältnis merklich abgekühlt. Neben der Europäischen Union wäre Russland ein denkbarer Partner für Deutschland: Deutschland und Russland ergänzen sich: Die Bundesrepublik hat die Technologie und das Wissen, um auch wirtschaftlich in den nächsten Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielen zu können. Genau diese Technologie fehlt den Russen – umgekehrt mangelt es Deutschland an Gas, das vorwiegend aus Russland bezogen wird.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich Deutschland enger an Russland binden wird: Dafür stehen die Vorzeichen nicht gut. Es wird insoweit interessant zu sehen, wie die Europäische Union gestaltet wird und welche Rolle ein europäisches Deutschland einnehmen wird.

 

 

Bild By J. Patrick Fischer [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

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