Das Parlament in der Frankfurter Paulskirche
Das Parlament in der Frankfurter Paulskirche

Zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft – Die Demokraten: Im Frankfurter Paulskirchenparlament gab es 1848/49 noch keine Parteien, aber Fraktionen. Sie können dem konservativen, dem liberalen und dem demokratischen Spektrum zugerechnet werden. Konservative und Liberale haben sich später als Parteien organisiert. Die sozialistische Arbeiterbewegung bildete 1863 ebenfalls eine eigene Partei; das katholische Zentrum – in gewisser Weise Vorläuferin der heutigen CDU/CSU – stieß 1870 hinzu. Diese vier Parteien bestimmten bis zum Ende des Kaiserreiches die Politik.

Die Demokraten konnten sich als Partei nicht behaupten. Wer waren diese Demokraten, die nach der Revolution von 1848/49 die Politik nicht mehr beeinflussen konnten?

Deutschland im Umbruch (1840 bis 1848)

1815 wurde in Wien der Deutsche Bund gegründet. England, Russland, Österreich, Preußen und Frankreich hatten kein Interesse an einem deutschen Nationalstaat in der Mitte Europas. Die deutschen Fürsten und die Hansestädte schlossen sich zu einem Staatenbund zusammen. Die Zentralorgane des Bundes tagten in Frankfurt.

Der Deutsche Bund betrieb eine konservative Politik, die spätestens nach 1830 reaktionäre Züge annahm. Die monarchische Gewalt sollte gestärkt werden. Zwar gab es keine Rückkehr zu den Zuständen vor 1789, aber die Regierungen versuchten, die Auswirkungen der Französischen Revolution einzudämmen. Zuerst billigten viele Bürger diese Politik. Die Jahre zwischen 1789 und 1815 hatten Kriege und Umwälzungen gebracht; man sehnte sich nach ruhigeren Zeiten. Die Hoffnung auf einen deutschen Verfassungsstaat blieb aber lebendig.

Nach 1840 verschärften sich die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme. Die Kritik am Deutschen Bund wuchs. Eine deutsche Nationalbewegung forderte wie 1815 einen deutschen Verfassungsstaat. Für die regierenden Fürsten hätte dies einen Machtverlust bedeutet. Aber die Unzufriedenheit konnte auf Dauer nicht mehr mit Zensur und polizeistaatlichen Mitteln unterdrückt werden. Der gemäßigte bayerische Liberale Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst notierte im Dezember 1847: „Wohin wir sehen, regt sich eine Teilnahme des Volks an den öffentlichen Angelegenheiten, wie noch zu keiner Zeit.“ Als Grund für die Unzufriedenheit nannte der Fürst die „Nullität“ Deutschlands im Vergleich zu anderen europäischen Mächten. Im Bürgertum hoffte man auf eine Weiterentwicklung des Deutschen Bundes hin zu einem Bundesstaat auf konstitutioneller Grundlage. Doch es gab noch andere Probleme.

In den vierziger Jahren lösten Missernten Hungersnöte in Teilen Deutschlands aus. Im Handwerk kam es zu Absatzkrisen. Viele Gesellen hatten kaum noch die Chance, sich einmal als Meister selbstständig zu machen. Die Gegensätze zwischen Arm und Reich nahmen zu. Hungerproteste häuften sich. Die Steuereinnahmen gingen zurück. Am Ende des Jahres 1847 glich Deutschland einem Pulverfass, das schon durch einen Funken zur Explosion gebracht werden konnte. Die Möglichkeiten des Polizeistaates, Unruhen und Unzufriedenheit zu unterdrücken, reichten nicht mehr aus.

Wo es Landtage gab, wie beispielsweise im Großherzogtum Baden, zerfiel die Opposition in zwei Gruppen: die Liberalen und die Demokraten. Von Parteien im heutigen Sinne kann man noch nicht sprechen. Aber die Unterschiede zwischen den beiden Strömungen wurden größer. Die Hochburgen der Demokraten lagen im Großherzogtum Baden und im Königreich Sachsen. Männer wie Friedrich Hecker, Gustav von Struve, Robert Blum oder Johann Jacobi Im Königreich Preußen) zählten zu den bekanntesten Demokraten – die Aufzählung ist nicht abschließend.

Liberale und Demokraten

Die Liberalen strebten eine konstitutionelle Monarchie an. Der regierende Fürst sollte die Minister ernennen; ihm unterstand die Exekutive, die ausführende Gewalt. Das Parlament sollte die Regierung kontrollieren und an der Gesetzgebung mitwirken. Die meisten Verfassungen aus der Zeit zwischen 1815 und 1847 billigten den Parlamenten in der Regel keine Initiativrechte zu, das heißt, sie durften keine Entwürfe für Gesetze einbringen. Die Abgeordneten mussten den Gesetzen aber zustimmen und konnten so Einfluss nehmen. Das liberale Modell der konstitutionellen Monarchie beruhte auf einer Machtteilung zwischen Krone und Bürgertum. Wählen konnte nur, wer über ein Mindestmaß an Steuern zahlte. Nur der Bürger, der mit seinen Steuern zum Gemeinwesen beitrug, sollte auch das aktive und passive Wahlrecht innehaben.

Die Liberalen in Deutschland verfügten über kein einheitliches Wirtschaftsprogramm. In der Regel schwebte den ihnen eine ‚harmonische Mittelstandsgesellschaft‘ vor, eine Gemeinschaft aus Kleineigentümern. Handwerker, das akademische Bürgertum, reformorientierte Adlige aber auch Arbeiter bildeten die soziale Basis vor 1848. Staatliche Sozialleistungen lehnte ein Teil der Liberalen vor 1848 nicht grundsätzlich ab. Das Recht auf Eigentum wurde begrenzt durch die Verpflichtung des Gemeinwesens, den Missbrauch von Eigentum zu bekämpfen. Jeder sollte die Chance haben, Bürger zu werden.

Teile des Liberalismus – wie die rheinischen Liberalen – warnten aber bereits jetzt vor sozialpolitischen Zugeständnissen. Im Rheinland hatte die Industrialisierung sehr früh eingesetzt. David Hansemann, ein überzeugte Liberaler, richtete im September 1840 eine Denkschrift an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1840 bis 1861). Hansemann sah in der „außerordentliche(n) Zunahme des demokratischen Elements“ eine Gefahr für die preußische Monarchie. Die Industrialisierung würde zur Bildung eines besitzlosen Proletariats führen. Die neuen Verkehrsmöglichkeiten erleichterten das Reisen. Der Anstieg der Lebensmittelproduktion, vor allem der Kartoffelbau, würde zum Bevölkerungswachstum beitragen; ein verbessertes Schulsystem und die allgemeine Wehrpflicht erhöhten das Selbstvertrauen der Unterschichten. Hansemann befürchtete einen „Verfall alter Sitten und Gewohnheiten“. Der „Hospitalsgeist in der Staatsverwaltung“, so bezeichnete Hansemann die in seinen Augen zu großzügige staatliche und private Armenfürsorge, käme den Anhängern der Demokratie entgegen.

Doch Hansemann war kein Konservativer, der die Freiheit ablehnte. Er plädierte für maßvolle Reformen von oben, die nicht jedem Staatsbürger das gleiche Maß an Freiheit zubilligten. Ein höheres Maß an politischer Freiheit setzte für Hansemann Besitz voraus. Ihm schwebte eine erneuerte Monarchie vor, die sich auf den besitzbürgerlichen Mittelstand und den reformorientierten Adel stützte. Hansemann erteilte auch einer staatlichen Unterstützung für Arbeiter eine Absage. Zu viele Waisenhäuser oder „Verpflegungsanstalten der Hilfsbedürftigen“ förderten die Abhängigkeit vom Staate. Die Unterschichten sollten zu Sparsamkeit, Fleiß Familiensinn und Bürgergeist erzogen werden.

Hier wird deutlich, dass die Liberalen fürchteten, neben ihnen könne sich eine neue oppositionelle Kraft etablieren. Hansemann fürchtete die Demokraten mehr als die preußische Monarchie. Nicht alle Liberalen hatten so viel Vertrauen in die Regierenden. Sie gerieten immer mehr in eine Position zwischen den Herrschenden und der demokratischen Opposition.

Worin lagen die Unterschiede zwischen Liberalen und Demokraten?

Die Demokraten lehnten die Staatsform der konstitutionellen Monarchie ab. Souveränität war für sie nicht teilbar und musste vom Volk ausgehen. In der Regel waren die Demokraten überzeugte Republikaner, aber ihr pragmatischer Flügel hätte auch eine parlamentarische Monarchie akzeptiert, in der das erbliche Staatsoberhaupt nur repräsentative Aufgaben übernimmt.

Im Gegensatz zu den Liberalen traten die Demokraten für ein gleiches Männerwahlrecht ein (ein Wahlrecht für Frauen war in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch innerhalb der Linken nicht mehrheitsfähig). Wahlrechtseinschränkungen, die das Recht zur Stimmabgabe oder zur Kandidatur von Besitz oder Bildung abhängig machten, lehnten sie ab. Unbescholtenheit und ein Mindestalter waren die einzigen Bedingungen, die die Demokraten akzeptierten. Diese Forderung machte sie bei Handwerksgesellen, Tagelöhnern und Arbeitern populär.

Der Demokrat Johann Jacoby
Der Demokrat Johann Jacoby

Nicht zuletzt forderten die Demokraten auch staatliche Hilfsmaßnahmen gegen das Massenelend. All unser Streben nach politischer Freiheit ist nichts wert, es sei denn ein Mittel zur Umgestaltung unseres sozialen Elends, zur Veredlung der armen Volksklassen, die als Lasttiere missbraucht werden“, bemerkte er im September 1843 in einem Privatbrief der ostpreußische Demokrat Johann Jacoby.

Allerdings nahm die demokratische Strömung keinen einheitlichen Standpunkt in sozialpolitischen Fragen ein. Oft wurde die Forderung nach einem „Ausgleich“ von Arbeit und Kapital erhoben. Ein Teil der bürgerlichen Linken forderte eine progressive Einkommenssteuer. Auch eine staatliche Förderung genossenschaftlicher Selbsthilfe kam in Betracht. Die Demokraten waren keine Sozialisten, die sich von der Abschaffung des Privateigentums eine Lösung der sozialen Probleme erhofften.

Der Historiker Peter Wende kam 1975 zu dem Ergebnis: „Der Radikalismus versucht daher, zwischen liberaler und sozialistischer Wirtschaftsordnung einen Mittelweg einzuschlagen; oder genauer: er strebte eine liberale Gesellschaftsordnung ohne deren Mängel, Gefahren und Ungerechtigkeiten an. Die Leitidee dieser Gesellschaft läßt sich unter einem Motto zusammenfassen, daß quasi in ironischer Vorwegnahme moderner Parteislogans schlicht lautet: ‚Wohlstand und Bildung für alle“.

Der Politiker Wirth
Der Politiker Wirth

Der demokratische Publizist und Politiker Johann Georg August Wirth (1798 bis 1848) warb für ein sozialpolitisches Programm, das zwar Enteignungen ablehnte, aber eine Sozialbindung des Eigentums betonte. Er forderte staatliche Transferleistungen für Arbeitsunfähige und Alte, eine staatliche Regulierung der Arbeitszeit, einen garantierten Mindestlohn und die Förderung des allgemeinen Schulwesens. Seine Vorstellungen waren typisch für den linken Flügel der bürgerlichen Demokratie. Ein sozialer Ausgleich zwischen den Klassen schien möglich, aber ohne Unterstützung des Staates käme er wohl nicht zustande. Der Historiker Thomas Nipperdey resümiert in seiner „Deutschen Geschichte 1800 bis 1866“ über die sozialpolitischen Vorstellungen der radikalen Opposition im Vormärz: „Sie wollten die Ungleichheiten zwar nicht abschaffen, aber sie wollten sie über Steuer- und Erbgesetzgebung und freien Zugang zu den Bildungsinstitutionen begrenzen. Gleichheit war die Voraussetzung von Freiheit; im Konfliktfall plädierten sie für die Gleichheit, aber anders als die Liberalen sahen sie darin keine Gefährdung der Freiheit.“

Einerseits konnten die demokratischen Oppositionellen mit der Forderung nach dem gleichen Wahlrecht und Unterstützungsmaßnahmen für die vielen Armen sich zum Fürsprecher breiter Volksmassen machen. Damit weckten sie aber auch Erwartungen, die gerade in der Revolution 1848/49 zu Problemen führen sollten, bestand doch die soziale Basis überwiegend aus Angehörigen des Bürgertums; vereinzelt waren auch Fabrikanten in ihren Reihen zu finden.

Die Spaltung innerhalb der Opposition wurde deutlich, als Demokraten und Liberale 1847 sich an unterschiedlichen Orten trafen, um ihre politischen Standpunkte zu präzisieren.

Die Demokraten versammelten sich am 10. September 1847 in Offenburg und verabschiedeten einen Forderungskatalog, der unter der Überschrift „Forderungen des Volks“ bekannt wurden. In dreizehn Punkten wurde die badische Landesregierung aufgefordert, sich von der repressiven Politik des Deutschen Bundes loszusagen. Meinungs-, Gewissens- und Lehrfreiheit gehörten zu den Zielen der Demokraten. Die Polizei solle aufhören, den Bürger zu schikanieren. Die Demokraten setzten sich auch dafür ein, die Bundesversammlung in Frankfurt, bis jetzt die Vertretung der Regierungen (ähnlich wie unser Bundesrat, allerdings mit dem Unterschied, dass die Länderregierungen zwischen 1815 und 1848 keine demokratische Legitimation besaßen) vom deutschen Volk gebildet werde. In der sozialen Frage plädierten die Demokraten für einen Ausgleich von Arbeit und Kapital: „Die Gesellschaft ist schuldig, die Arbeit zu heben und zu achten.“ Wie genau das geschehen sollte, sagten die Delegierten nicht.

Die Liberalen trafen sich am 10. Oktober 1847 im hessischen Heppenheim. Der Bericht ähnelt eher einer Erörterung der politischen Lage und nicht einem politischen Forderungskatalog. In Inhalt und Stil wurden die Gegensätze zu den Radikalen deutlich.

Ein halbes Jahr später, im Frühjahr 1848, brach im Deutschen Bund eine Revolution aus. Liberale und Demokraten standen sich endgültig als Gegner gegenüber.

Die Revolution 1848/49

Hier ist nicht der Ort, ausführlich auf die Revolution einzugehen. Mich interessiert vielmehr, wie sich der Verlauf der Revolution auf die Demokraten auswirkte.

Im Januar 1848 kam es zu Aufständen in Sizilien. Ende Januar kündigte der dänische König eine neue Verfassung an. Am 25. Februar wurde in Frankreich König Louis Philippe gestürzt und die Republik ausgerufen.

Von Südwestdeutschland aus verbreitete sich ab Ende Februar 1848 die revolutionäre Welle über Deutschland. Das Ziel der deutschen Revolution war die deutsche Einheit auf liberal-demokratischer Grundlage. Am 3. März 1848 stellte der Deutsche Bundestag den Mitgliedsstaaten die Aufhebung der Zensur frei. Zwei Tage später trafen sich in Heidelberg 51 Persönlichkeiten aus verschiedenen deutschen Ländern. Sie wollten Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung vorbereiten.

Nun überstürzten sich die Ereignisse. Am 6. März erkannte der Bundestag in Frankfurt die Farben Schwarzrotgold an, die bis dahin verboten waren. In den meisten Bundesstaaten ernannten die Monarchen liberale Minister. Der Liberalismus wurde zur regierenden Partei. Auch in den beiden größten deutschen Staaten, Österreich und Preußen, siegte die Opposition, in Berlin erst nach Straßenkämpfen. Am 2. April 1848 setzte der Deutsche Bund alle repressiven Gesetze, die seit 1819 erlassen worden waren, außer Kraft. Mit dem Frühling, der ungewöhnlich warm war, schien auch die Freiheit in Deutschland einzuziehen.

Am 1. Mai 1848 fanden in Deutschland Wahlen zu einer Nationalversammlung statt, die am 18. Mai in der Frankfurter Paulskirche zusammentreten sollte. Auch in den Bundesstaaten wurden Länderparlamente gewählt.

Die Aufgabe der Paulskirchenversammlung war nicht einfach. Sie sollte eine Verfassung für ganz Deutschland beschließen.

Außerhalb des Parlaments kam es zu einer Politisierung und Radikalisierung der Bevölkerung. In Baden versuchte eine radikaldemokratische Minderheit einen Aufstand, der scheiterte. Wo die Industrialisierung bereist eingesetzt hatte, meldeten auch Arbeitervereine ihre Forderungen an.

Die Linke in der Paulskirche

Versammlung in der Frankfurter Paulskirche
Versammlung in der Frankfurter Paulskirche

Die Fraktionen, also Zusammenschlüsse von Abgeordneten mit gleichen oder ähnlichen Zielen, die sich eine Satzung gaben und ihre Arbeit koordinierten, bildeten sich in den ersten Wochen heraus. Diese Fraktionen benannten sich nach den Versammlungslokalen, in denen sie ihre Sitzungen außerhalb des Plenums abhielten. Bis zum Ende des Pauls-Kirchenparlaments gab es Abspaltungen und Neugründungen. Dennoch kam es bald zu einer Flügelbildung mit einer schwachen Rechten, einer starken Mitte und einer Linken, die eine einflussreiche Minderheit bildete. Die Mehrheit in der Paulskirche war liberal.

In der ersten Euphorie der Frühlingswochen waren Fragen aufgetaucht, die nun geklärt werden mussten. Welche Befugnisse sollte die Pauls-Kirchenversammlung haben? Wie sollte das Verhältnis zu den Einzelstaaten sein, die ja noch existierten und deren Regierungen – trotz mancher Zugeständnisse – fest im Sattel saßen? Ein geeintes Deutschland hätte automatisch zu einem Machtverlust der bisher souveränen Bundesstaaten geführt. Außerdem gab es eine Verbundenheit vieler Bürger mit ihren Ländern oder Landesherrn, was nicht im Gegensatz zu einem deutschen Nationalbewusstsein stehen musste.

Auf der äußersten Rechten gab es die Partei ‚Milani‘. Diese Konservativen strebten eine „deutsche Verfassung“ an, die aber mit den Einzelstaaten verabredet werden müsse. Die ‚Fraktion Milani‘ strebte einen modernisierten Deutschen Bund an. Immerhin war für diese Konservativen der Begriff Verfassung kein Unwort mehr.

Die „Partei der Rechten im engeren Sinne“, auch ‚Partei im Casino‘ genannt, setzte sich aus gemäßigten Liberalen zusammen. Am 25. September 1848 erklärte die Fraktion Casino, dass die deutsche Einheit zu erstreben sei unter Berücksichtigung der „einzelnen deutschen Staaten“. Die Liberalen wollten ein föderatives Deutschland im Einklang mit den regierenden Fürsten. Am Schluss bekannte sich die Fraktion zur „politische(n) Freiheit“. Gleichzeitig solle mit aller „Entschiedenheit“ für die „öffentliche Ordnung“ und gegen die „Anarchie“ gekämpft werden. Hier werden die Grundlinien eines konstitutionellen Liberalismus deutlich, der in den demokratischen Bestrebungen in Deutschland eine Gefahr sieht und auf eine Einigung mit den souveränen Fürsten hofft.

Im Zentrum existierten mehrere Gruppierungen, die der Pauls-Kirchenversammlung das Recht zubilligten, eine Verfassung zu verabschieden, aber auch diese Fraktionen wollten sich mit den Einzelstaaten verständigen.

Auf der Linken gab es zwei Fraktionen: die Partei des ‚Deutschen Hofes‘ und die Partei ‚Donnersberg‘. Beide Gruppierungen vertraten entschieden den Grundsatz der Volkssouveränität. Logischerweise leitete sich daraus für die Paulskirche das Recht ab, über die Verfassung zu bestimmen. Der Deutsche Hof akzeptierte die Existenz von monarchisch regierten Einzelstaaten, wenn diese nicht gegen Bundesrecht verstießen. Sozialpolitische Forderungen standen nicht im Vordergrund.

So entschieden die Linke im Plenum auftrat, sie musste bald feststellen, dass sie in der Minderheit war. Mit der Mehrheit des Hauses beschloss die Nationalversammlung am 28. Juni 1848 die Errichtung einer provisorischen Zentralgewalt, die aber dem Parlament nur bedingt verantwortlich war. Die Linke protestierte am 1. Juli 1848 entschieden gegen diese Regelung. Sie sah darin einen Verstoß gegen das Prinzip der Volkssouveränität, die allerdings auch nur von einer Minderheit – den Demokraten – vertreten wurde.

Schon im September 1848 zeichnete sich ab, dass die deutsche Verfassung, wenn sie denn zustande käme, keine eindeutig demokratische Verfassung sein würde. Aber im ‚Deutschen Hof‘ und auf dem ‚Donnersberg‘ war man immer kampfbereit. Außerhalb des Parlaments erhielten die Demokraten Unterstützung.

Die Demokraten und die Arbeiterschaft

Das Frühjahr 1848 hatte wie ein Dammbruch gewirkt. All der Unmut, der sich in den Jahren vor der Revolution aufgestaut hatte, war wie verflogen. Demokratische Vereine bildeten sich und die Demokraten wurden mit der Tatsache konfrontiert, dass nun auch die Arbeiter ihre Rechte anmeldeten. Die Kompromissformeln vom „Ausgleich zwischen Arbeit und Kapital“ reichten nicht mehr aus. Dabei suchten die Arbeitervereine Kontakt zur demokratischen Bewegung; noch kam es nicht zur Trennung von fortschrittlichem Bürgertum und Arbeiterschaft. Die vorproletarischen Unterschichten bestanden nur zum Teil aus Arbeitern. Für eine eigenständige sozialistische Partei war die Zeit noch nicht reif.

Doch in den demokratischen Vereinen nahm die soziale Frage einen größeren Raum ein als in der Paulskirche. Der Volksklub in Düsseldorf setzte die „Verwirklichung der sozialen Demokratie“ auf die Tagesordnung. Darunter verstanden diese Demokraten Eingriffe des Staates zugunsten der sozial Schwächeren. Der badische Republikaner Gustav von Struve, als Republikaner zum äußersten linken Flügel der Demokraten gehörend, forderte am 31. März 1848 die Gründung „eines besonderen Arbeiterministeriums, welches den Wucher steuert, die Arbeit schützt, und derselben namentlich einen Anteil am Arbeitsgewinn sichert.“ Karl Marx hätte sich darüber nur lustig gemacht, aber die Demokraten waren davon überzeugt, dass die soziale Frage ohne Klassenkampf gelöst werden könne.

Dass auch in der sich gerade formierenden Arbeiterbewegung eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Demokraten gewollt war, zeigt ein Aufruf der Maschinenbauarbeiter an die Bürger Berlins vom 17. April 1848. Die Arbeiter erinnerten an die gemeinsamen Barrikadenkämpfe vom März 1848 und beklagten die Kompromisse, die die Liberalen seitdem gemacht hatten. Sie zeigten sich enttäuscht über diese Zugeständnisse und wollten mit diesem Aufruf unterstreichen, dass es gemeinsame Interessen von Bürgern und Arbeitern gäbe: „Wir wollen uns dafür die Hände als Brüder reichen, wir wollen ausrufen: einig, einig, einig! Und dann gemeinsam an dem Aufbau des Tempels der Freiheit arbeiten.“

Die Hoffnungen der Berliner Arbeiter erfüllten sich nicht. Im Laufe des Jahres 1848 zeigte sich, dass viele Bürger lieber ein Bündnis mit den alten Mächten eingingen, die in geschickter Weise erkannt hatten, dass Zugeständnisse – wie eine Verfassung mit rechtsstaatlichen Garantien – den größten Teil des Liberalismus zufriedenstellten. Die Demokraten mussten auf ihrem zweiten Demokratenkongress vom 26. bis zum 28. Oktober 1848 erleben, dass der Riss durch ihre Reihen ging. Viele Demokraten waren für das Volk, aber in die Lage der Proletarier konnten sie sich nicht versetzen. Hinzu kam die Machtlosigkeit der Demokraten. Als sich ab dem Spätherbst 1848 das Pendel wieder zugunsten der ‚alten Mächte‘ neigte und die Landbevölkerung teilweise die Konterrevolution begrüßte, konnte die bürgerliche Linke sich nicht mehr durchsetzen. Während sie in der Verfassungsfrage noch einen klaren Standpunkt hatte, so war nur der linke Flügel der Demokraten bereit, die Arbeiterfrage ernst zu nehmen. Das Leitbild der Demokraten in der Wirtschaftspolitik blieben die stellungslosen Gesellen oder die Tagelöhner ohne Land, die Bürger werden wollten. Das Proletariat musste sich eigene Formen der Parteibildung suchen.

Fazit

Einige Historiker sind mit den Demokraten der Jahre 1848/49 hart ins Gericht gegangen. Erich Eyck machte in seinem 1973 erschienen Buch über die Frankfurter Paulskirche die Linke und ihren Radikalismus für das Scheitern der Revolution verantwortlich. Ich halte diesen Standpunkt für zu einseitig. Man kann den Demokraten vorwerfen, dass sie die Bereitschaft der Bevölkerung zu einem Aufstand zugunsten der 1849 verabschiedeten Reichsverfassung überschätzten. Die von radikaldemokratischer Seite initiierte Reichsverfassungskampagne scheiterte blutig.

Aber das Wirken der Demokraten blieb nicht folgenlos. Das demokratische Wahlrecht in der Reichsverfassung von 1849 war ihr Werk. In einigen Länderparlamenten konnte die bürgerliche Linke 1848/49 Politik gestalten und beispielsweise die Todesstrafe abschaffen.

Im Herbst 1848 hätte möglicherweise ein Bündnis der Mitte und der gemäßigten Linken die Stellung der Paulskirche stärken können. Aber die deutsche Einheit scheiterte hauptsächlich daran, dass Österreich und Preußen kein geeintes Deutschland wollten. Auch die anderen europäischen Großmächte hatte kein Interesse daran, dass dieses Machtvakuum in der Mitte des Kontinents nun von einem deutschen Nationalstaat abgelöst worden wäre.

Auf die Revolution folgten Jahre der Reaktion, in denen vor allem die Demokraten politisch verfolgt wurden. Als sie sich zu Beginn der sechziger Jahre wieder betätigen wollten, hatten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse verändert. Eine Arbeiterbewegung war entstanden, die eine eigene Partei gründete. Zwischen den Linksliberalen und den Sozialisten war kein Platz mehr für eine eigenständige demokratische Partei. Von den Demokraten übernahm die Sozialdemokratie das Prinzip der Volkssouveränität, den Gedanken der Demokratie. Selbst als sich die SPD 1891 in ihrem Erfurter Programm zu einer marxistischen Gesellschaftsanalyse bekannte; in ihrer praktischen Politik blieben die Sozialdemokraten die Erben der 48-er Demokraten.

Teile des Linksliberalismus versuchten ebenfalls, an die sozialpolitischen Vorstellungen der Demokraten anzuknüpfen. Die 1868 gegründeten Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine vertraten das Prinzip eines Ausgleiches von Arbeit und Kapital. Von den linksliberalen Parteien wurden diese Gewerkschaften kaum unterstützt. Der Einfluss der Gewerkvereine auf die Arbeiterschaft blieb begrenzt.

Mögen die Demokraten als Organisation gescheitert sein; ihre Ideen bleiben lebendig.

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