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Pompeji

 

Lit.:

Volker M.Strocka, Florian Seidler: Häuser in Pompeji. 10 Bde.

Alfonso de Franciscis: Führer mit Rekonstruktionsversuchen: Pompei – Herculaneum und die Villa Iovis in Capri. Einst und jetzt. Rom 1985.

Wie sie damals lebten: Im Römischen Reich 100v.Chr.-200n.Chr. TimeLife Bücher, Amsterdam.

Zu Nero: Jürgen Malitz: Nero. C.H.Beck Wissen. München 1999.

Spektrum der Wissenschaft Mai 2000

 

Vorgeschichte:

Pompeji war eine Gründung der Etrusker und wurde später, als die etruskische Macht im Niedergang war, von den Oskern, einem Volk aus dem mittelitalienischen Bergland “übernommen” – mitsamt der griechisch-etruskischen Mischkultur. Der Einfluss der Griechen rührt von der Nähe zu Cumae, einer der ältesten und zugleich die nördlichste griechischen Kolonie in Italien, aber auch von der grundsätzlichen Tendenz der etruskischen Kultur, Bestandteile der griechischen Kultur (Alphabet, Alltagsgegenstände, anthropomorphe Gestalt der Götter, Riten, Gestalt der Tempel etc.) in angepasster Form zu entlehnen.

 

Im 4.Jh.v.Chr. übernahmen die Samniten, ein oskischer Stammesbund, der in Mittelitalien einen mit Rom konkurrierenden Bund aufgebaut hatte, Kampanien und damit auch Pompeji. Nachdem die Samniten von Rom in drei schweren Kriegen besiegt worden waren, entwickelte sich Pompeji zu einem treuen Verbündeten Roms, der auch von Hannibal nicht zum Überlaufen auf die karthagische Seite überzeugt werden konnte. Dadurch konnte sich Pompeji eine gewisse Freiheit in Sachen des Handels, der Magistratur und der Sprache bewahren.

 

Diese Freiheiten resultieren aus dem römischen Bündnissystem: Es gab

         Kolonien latinischen Rechts: Kolonien, die den selbständig gebliebenen Latinerstädten gleichgeordnet waren, d.h. die Bürger waren berechtigt, an Wahlen in Rom teilzunehmen und verpflichtet, Soldaten für das römische Heer zu stellen.

         civitas sine suffragio: Koloniestädte ohne latinische oder römische Bürger, die keine Eigenständigkeiten hatten und als Teil der Stadt Rom betrachtet wurden (= Bestandteile des eigentlichen Stadtstaates Rom). Dadurch hatten die Bürger sowohl das römische Bürgerrecht als auch das ihrer Heimatstadt, so dass sich eine doppelte Loyalität entwickelte, gegen die z.B. Hannibal machtlos war!

         municipia: Städte mit niederer Gerichtsbar­keit, Marktgerichtsbarkeit, Versorgungsaufgaben als Befugnissen für Stadtmagistrate, aber alle anderen Befugnisse lagen beim römischen Magistrat. Nachdem der römische Stadtstaat schon mehrere Städte auf seinem Gebiet hatte (s.o.), war dies ein Modell, den römischen Machtbereich beliebig zu erweitern, ohne dass ein Gebilde entstand, das über die Möglichkeiten eines Stadtstaates hinausging !

         Bundesgenossen: Verbündete Roms, die keine Bürgerrechte hatten, aber zur Stellung von Soldaten verpflichtet waren

 

Im Kampf um die Vorherrschaft hatte Rom dieses System entwickelt. Erst musste Rom mit den Latinern, den Stadtstaaten der Landschaft Latium (von denen auch Rom einer war!) kämpfen; nach erbitterten Kämpfen einigte man sich auf eine „gleichrangige“ Rolle Roms auf der einen Seite und aller Latinerstädte auf der anderen in einem gemeinsamen Bund. Durch Gründung von (gemeinsamen oder nur römischen) Kolonien weitete man das Einflussgebiet aus, unterworfene Völker wie die Samniten wurden zu Bundesgenossenverträgen gezwungen. Zwischen den Kolonien und den Bundesgenossen standen die “Landstädte” (municipia) wie Pompeji, die sich in Freundschaft in das römische System eingegliedert hatten.

Allerdings gab es 89v.Chr. einen italienweiten Aufstand fast aller Bundesgenossen und Verbündeten Roms, in dem Rom fast zugrunde gegangen wäre, den sog. “Bundesgenossenkrieg”. Auch Pompeji stand auf der Seite der Aufständischen und wurde zerstört. Im Jahr 80 wurde es als Kolonie neu gegründet, der Grundriss und die grundsätzlichen städtischen Funktionen und Einheiten aus dieser Zeit blieben bis 79 n.Chr. erhalten; alle Veränderungen bis dahin waren nur dazugefügt, ohne dass das Alte entfernt worden wäre.

 

Pompeji war eine typische Landstadt, die sich mit ihren Nachbarn stritt (ein besonders heftiger Streit im Amphitheater der Stadt zwischen den Pompeianern und den Bewohnern der Stadt Nuceria führte im Jahr 59 v.Chr. dazu, dass für 10 Jahre alle Spiele verboten wurden – für die Pompeianer, die berühmt waren für ihre Leidenschaft für Zirkusspiele – übrigens ein Erbe der Etrusker – , eine äußerst harte Strafe!). Von Pompeii aus wurde auch Handel betrieben. Die Stadt wurde im 1.Jh. n.Chr. wegen seines gemäßigten Sommerklimas zu einem beliebten Wochenend- und Feriendomizil der reichen Römer.

 

Stadtkultur:

Wo aber Römer (nicht nur reiche Römer !) waren, da gab es auch Thermen. Die Unterschichten flohen gerne aus ihren überfüllten, oft heruntergekommenen Mietskasernen in die Badeanlagen, die reicheren verbrachten oft den ganzen Tag in den Thermen, wichtige Geschäftsabschlüsse und -verhandlungen wurden hier getätigt und auch Politik betrieben. Dazu waren Bäder ein beliebtes Mittel der Reichen, und erst recht der Kaiser, durch den Bau und/oder die Renovierung oder Erweiterung bestehender Thermen ihren Reichtum zur Schau zu stellen und für memoria zu sorgen.

 

Der Untergang von Pompeji:

62 n.Chr. erschütterte ein Erdbeben die Stadt, dessen Schäden noch 79 n.Chr. sichtbar waren. Doch diese Vorwarnung auf die finale Katastrophe wurde offenbar nicht ernst genommen, obwohl sich viele der Reichen auf Villen entlang der Küste zurückzogen und Handwerker und Kaufleute ihre Häuser zu Läden oder Werkstätten umwandelten; daher finden sich heute in den Ruinen der Häuser oft mehrere Funktionen vereint. Als sich 79 n.Chr. ein heftiger Ausbruch des Vesuv ereignete, wurde Pompeji in zwei Phasen unter Aschen- und Lapillimassen begraben, während Herculaneum von Schlammmassen bedeckt wurde, ähnlich wie vor einigen Jahren die Hauptstadt der Karibikinsel Montserrat. Diese Schlammmassen verbuken zu einer harten Masse, was die Ausgrabungen in Herculaneum viel schwieriger machte als die in Pompeji; dazu kommt, dass über dem antiken Herculaneum eine moderne Stadt steht, während Pompeji keine Nachfolgerin fand (als es zwischen 1595 und 1600 die ersten Ausgrabungen gab, hieß das Flurstück “Civita”, eine Erinnerung an die Stadt muss also noch vorhanden gewesen sein).

 

Der Vulkanausbruch von 79n.Chr. gliederte sich in mehrere Phasen: Vorausgehend wurde die Gegend mehrere Tage lang von Erdbeben erschüttert. Dann folgte im August 79 der Ausbruch, den Plinius d.J. beschrieb. Eine erste Eruption schüttete eine 3m hohe Ascheschicht auf, ein zweiter, der 200°C heiße, brennende Asche und giftige Schwefelgase förderte, besiegelte dann endgültig das Schicksal der Stadt. Diese Tatsachen ergeben sich aus einem Fund von acht Leichen. Die Menschen hatten sich auf Dächer oberhalb der ersten Ascheschicht geflüchtet, wo sie dann von der brennenden Asche und den giften Gasen getötet wurden. (Antike Welt 1992, S.71)

 

Pompeji hatte 79n.Chr. ca. 10000 Einwohner und lebte von der Landwirtschaft. Auf dem fruchtbaren Vulkanboden gediehen Feigen, Gemüse, Oliven und Weintrauben, wofür Pompeji laut dem römischen Geographen Strabo in der ganzen (römischen) Welt bekannt war, Schafe lieferten Tuch und Wolle. Die Fischsoße “Garum” wurde in fast industriellem Maßstab hergestellt und in den Gar(!)küchen zum Essen gereicht – ein Vorläufer des Ketchup, nicht nur von der Zusammensetzung her, sondern auch deshalb, weil manche Römer das garum buchstäblich über jede Speise kippten…

 

Archäologie:

Die lange Geschichte der Stadt und das plötzliche Ende sowie die Konservierung unter der Asche hat zur Folge, dass die Archäologen heute nicht nur alltägliche Gegenstände finden, Graffiti an den Wänden (die oft nicht nur Schmierereien, sondern regelrechte Hinweistafeln darstellten) und erschütternde Zeugnisse von den sterbenden Bewohnern, sondern auch die Bau- und Hausgeschichte sowie die Stadtentwicklung im Italien des 2.Jhs.v.Chr. bis zum 1.Jh.n.Chr. rekonstruieren können. Die Wandmalereien, die in einem der vornehmeren Häuser Pompejis (wie auch jeder anderen römischen Stadt) obligatorisch waren und die Funktion einer Tapete erfüllten, zeigen außerdem viele Facetten des täglichen Lebens – wenn auch überwiegend des täglichen Lebens der reichen Städter.

Doch auch Szenen, die einen Bäckerladen oder ein Stehcafé (thermopolia, ähnlich den heutigen trattorias) zeigen, bieten wertvolle Einblicke in das tägliche Leben einer römischen Stadt.

 

Aus “wie sie damals lebten”:

“Zu den Hauptattraktionen zählte ein zwölfeckiger Pavillon mit einem großen Aquarium in der Mitte – höchstwahrscheinlich ein Behälter für lebende Fische, die auf Anfrage aus dem Bassin gefischt, geschlachtet und ausgenommen wurden, so dass der Kunde sie ganz frisch mit nach Hause nehmen konnte. (zu der Fischliebhaberei reicher Römer, schon von Zeitgenossen als z.T. “närrisch” charakterisiert, s. Antike Welt 1999, S.157ff.)

Pompeji bot nicht nur dem Auge und dem Ohr, sondern auch der Nase eine Fülle von Eindrücken. Die Brisen, die vom Meer her wehten, trugen den Duft üppig blühender Rosen aus den Gärten der Reichen durch die Gassen, wo er sich mit dem Aroma frisch gebackenen Brotes vermischte, aber auch mit dem Mief ranziger Kleie, die man als Schweinefutter auf die Straßen kippte, dem säuerlichen Dunst von Wein aus den Keltereien und dem würzigen Geruch von garum, der beliebten vergorenen Fischsoße, die man in allen Tavernen und Imbiss-Stuben zum Essen reichte. An bestimmten Stellen aber überlagerte ein “Odeur” alle anderen: Der durchdringende Gestank von Urin, der zusammen mit anderen Substanzen zum Waschen von Wollstoffen in einem der florierendsten Gewerbe der Stadt Pompeji verwendet wurde – den Walkereien, von denen es nach dem Erdbeben [von 62 n.Chr.]noch etwa ein Dutzend in dem Ort gab.”

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