3850-6 Schnappschuesse der BefreiungIm Tyrolia Verlag ist der Bildband „Schnappschüsse der Befreiung. Fotografien amerikanischer Soldaten im Frühjahr 1945“ erschienen.

Die Fotografien zeigen Österreich und vor allem Tirol in einer schwierigen Zeit nach dem Kriegsende: Die Zukunft der Bevölkerung ist ungewiss, nachdem der nationalsozialistische Staat kollabiert ist. Versprengte deutsche Soldaten versuchen in ihre Heimat zurückzukehren oder geraten in Gefangenschaft. Alte Gewissheiten und Ideologien sind zerschlagen.

Derweil besetzen die amerikanischen Soldaten die eroberten Gebiete, lernen Land und Menschen kennen und müssen entdecken, dass die Gerüchte über die Vernichtungs- und Konzentrationslager schreckliche Realität waren.

 

Die Rolle der Kriegsfotografen

Die US-Armee setzte (wie die Wehrmacht) professionelle Fotografen während und nach den Kampfhandlungen ein. Diese nahmen eine wichtige Rolle ein: So dienten die Fotografien als Grundlage für die Ausbildung und Vorbereitung der Soldaten und konnten als Grundlage für taktische Entscheidungen verwendet werden. Dank der Fotografien konnten auch feindliche Stellungen und Waffen eingeschätzt werden. Die wohl wichtigste Aufgabe der Kriegsfotografen war aber die Dokumentation: Die Fotografien – teils unter Gefahr für das eigene Leben an vorderster Front aufgenommen – wurden vielfach in der heimischen Presse und Medienberichterstattung verwendet. Mit diesen Aufnahmen konnten sich die Soldaten und die Bevölkerung in den Vereinigten Staaten davon überzeugen, dass all die Menschenleben, Gefahren und Beschwernisse einer gerechten Sache dienten.

 

„Remember that cameras are guns and pictures are bullets. Good pictures today will help defeat the enemy tomorrow.“

 

Die Fotografien der Kriegsfotografen gingen in das kollektive Gedächtnis ein und prägen unseren heutigen Blick auf die Kämpfe im II. Weltkrieg. Es wird wohl kaum einen Menschen geben, der die Bilder von der Landung der Alliierten in der Normandie nicht kennt. Die Landung am D-Day wurde von etwa einhundert Fotografen begleitet, die 8.700 Fotos fertigten.

Dabei sollten die Fotografen keine Szenen nachstellen (dies war nur ausnahmsweise erlaubt), sondern die Geschehnisse dokumentieren – im Kriegsministerium wurden die Aufnahmen dann geprüft und verbreitet.

 

Die Schnappschüsse des einfachen Soldaten

Es kam nach der Besetzung Österreichs unweigerlich zu Kontakten mit der Zivilbevölkerung - auf dem Bild blicken US-Soldaten drei Frauen nach. Die Aufnahme wurde am 28.05.1945 in Imst aufgenommen. Fotograf war Louis Weintraub, 163 Signal Photographic Company. (c) National Archives (111-SC-206805) - mit freundlicher Genehmigung des Tyrolia-Verlags verwendet.
Es kam nach der Besetzung Österreichs unweigerlich zu Kontakten mit der Zivilbevölkerung – auf dem Bild blicken US-Soldaten drei Frauen nach. Die Aufnahme wurde am 28.05.1945 in Imst aufgenommen. Fotograf war Louis Weintraub, 163 Signal Photographic Company. (c) National Archives (111-SC-206805) – mit freundlicher Genehmigung des Tyrolia-Verlags verwendet.

Diesen offiziellen Aufnahmen (obwohl im militärischen Rang gering waren die Kriegsfotografen mit Privilegien bedacht und erhielten sehr detaillierte Inform

ationen) standen die Fotografien der einfachen Soldaten gegenüber. Denn diese wollten ihre Erlebnisse festhalten und konnten ihren Familien und Freunden in der Heimat so zeigen, was sie erlebten und wo sie sich befanden. Gerade nach dem Krieg verhielten sich viele Soldaten wie „Touristen“ in einem fremden Land. Der Bildband zeigt GIs mit einer erbeuteten Hakenkreuzflagge vor einem traumhaften Alpen-Panorama ebenso wie die einheimische Bevölkerung und Aufnahmen der Tiroler Landschaft und Dörfer. Auf vielen Aufnahmen posieren die Soldaten oder zeigen sich in der Freizeit.

 

Der Bildband

Der Bildband wurde von Peter Pirker und Matthias Breit erstellt. Peter Pirker ist Historiker an der Universität Innsbruck und hat zahlreiche Werke, insbesondere zur NS-Herrschaft, veröffentlicht – darunter auch das hier auf Geschichte-Wissen besprochene Werk „Codename Brooklyn“. Er hat für den Bildband „Schnappschüsse der Befreiung“ die Geschichte der Armeefotografen Louis Weintraub und Irving Leibowitz recherchiert und deren Aufnahmen gesichtet. Zudem hat er private Aufnahmen von Veteranen und deren Familien gesammelt. Die Bearbeitung der zur Verfügung gestellten Aufnahmen hat der Grafiker Matthias Breit übernommen, der auch für die Gestaltung des Bildbands verantwortlich ist.

 

Ein Soldat blickt von der Hafelekarspitze auf den Fluss Inn im Mai 1945. (c) Arthur Flynn / Sammlung Larry Wayne - mit freundlicher Genehmigung des Tyrolia-Verlags verwendet.
Ein Soldat blickt von der Hafelekarspitze auf den Fluss Inn im Mai 1945. (c) Arthur Flynn / Sammlung Larry Wayne – mit freundlicher Genehmigung des Tyrolia-Verlags verwendet.

In seiner Einleitung schreibt Peter Pirker, dass er mit dem veröffentlichten Bildband den Blick der Tiroler auf die Sichtweise der amerikanischen Soldaten lenken möchte, wie diese Ereignisse, Land und Menschen erlebten. Denn in der Nachkriegszeit hatten Tiroler Politiker versucht, die Eroberung des Landes in ihrem eigenen Sinne zu instrumentalisieren: Nicht die Amerikaner, die nicht zwischen Deutschland und Österreich hätten unterscheiden können, sondern die Tiroler Widerstandskämpfer hätten zur Befreiung maßgeblich beigetragen. Dadurch konnte eine Tiroler und österreichische Identität geschaffen werden – wobei natürlich ausgeblendet wurde, dass es auch in Tirol bis zuletzt viele überzeugte Nationalsozialisten gab.

Welche Bedeutung Fotografien entfalten können, zeigt Johannes Breit in einem Aufsatz, der den kommentierten Bildern vorangestellt ist, auf. Denn Fotografien dieser Ereignisse sind bewusstseins- und meinungsbildend. In einem weiteren Aufsatz zeichnet der Autor Pirker dann die Biographien einiger US-Kriegsfotografen nach und geht auf die „Cactus Division“ ein, aus deren Bestand die meisten der veröffentlichten Aufnahmen stammen.

 

Eine empfehlenswerte Sammlung

Soldaten besetzen kampflos Imst in Tirol. Der Fotograf Luis Weintraub ließ mehrere Frauen und Kinder mit weißen Bändern wirken. Das Foto wurde am 04.05.1945 aufgenommen. (c) National Archives (111-SC-267470) - mit freundlicher Genehmigung des Tyrolia-Verlags verwendet.
Soldaten besetzen kampflos Imst in Tirol. Der Fotograf Louis Weintraub ließ mehrere Frauen und Kinder mit weißen Bändern winken. Das Foto wurde am 04.05.1945 aufgenommen. (c) National Archives (111-SC-267470) – mit freundlicher Genehmigung des Tyrolia-Verlags verwendet.

Die Ersteller Peter Pirker und Matthias Breit haben mit viel Interesse ein zeitloses Werk geschaffen. Der sehr hochwertig gestaltete Bildband erreicht sein Ziel, den Krieg und das Kriegsende aus amerikanischer Sicht zu schildern. Die Soldaten lernten ein Land kennen, das sie mehrheitlich – wenn überhaupt – nur aus Geschichten und Berichten kannten. Entsprechend sind gerade die Aufnahmen kurz vor und nach dem Ende der Kämpfe Zeugnisse einer bedeutenden und unsicheren Zeit. Die Einheimischen standen einer ungewissen Zukunft gegenüber – die Soldaten kamen in Kontakt mit einer Bevölkerung, die noch wenige Monate und Jahre zuvor frenetisch Hitler zugejubelt hatte. Dabei sind gerade die Aufnahmen besonders eindrücklich, die zeigen, wie Zivilisten verscharrte Opfer des Nationalsozialismus exhumieren mussten, damit diese würdig bestattet werden konnten; so zeigten die Besatzer der Bevölkerung die Gräuel und Verbrechen der einstigen Machthaber auf und begannen die Auseinandersetzung der Tiroler mit der eigenen Verantwortung.

Abgesehen von diesen offiziellen Aufnahmen bieten aber gerade die privaten Fotografien der Soldaten sehenswerte Einblicke und Eindrücke: Diese bewahrten sich ihre Erinnerungen und zeigen Menschen, Land, Gebäude und ihren Alltag. Diese konnten im besetzten Tirol nach den Kämpfen gegen die Nationalsozialisten und vor dem nächsten Kriegseinsatz (der II. Weltkrieg war nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands nicht beendet; gerade im Pazifik wurden weitere schwere Kämpfe mit den Japanern ausgefochten) etwas Erholung und Ruhe finden.

Peter Pirker und Matthias Breit haben einen hervorragend gestalteten Bildband veröffentlicht, wobei insbesondere die privaten Aufnahmen der Soldaten einen unverstellten und besonderen Eindruck abseits der offiziellen Kriegsberichterstattung gewähren.

 

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