Kurt Schumacher
Kurt Schumacher

Noch vor der offiziellen Kapitulation Deutschlands am 8.5.1945 bildeten sich trotz des noch bestehenden Verbots durch die Alliierten an verschiedenen Orten nach deren Befreiung erste SPD-Ortsgruppen, die sich am 6. Mai 1945 in Hannover zusammenschlossen und Kurt Schumacher zum lokalen Vorsitzenden wählten. Schumacher erwies sich dabei als geschickter Organisator. Im Juli 1945 beauftragten elf westdeutsche Parteibezirke „den früheren Reichstagsabgeordeten Dr. Kurt Schumacher mit der organisatorischen und politischen Führung der Partei im gesamten Reich.“

 

Kurt Schumacher wurde 1895 im westpreußischen Culm geboren und und trug im Ersten Weltkrieg eine so schwere Verletzung davon, dass sein rechter Arm amputiert werden musste. 1917 trat er dem SPD-nahen „Bund der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten“ bei und wurde im Januar 1918 – noch im Kaiserreich und vor Kriegsende – Mitglied der SPD. Während der Novemberrevolution war Schumacher Mitglied des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates in Berlin. Nach dem Krieg übernahm er in der Folgezeit verschiedene Parteifunktionen, wurde 1924 Mitglied des Landtages von Württemberg, 1930-1933 Reichstagsabgeordneter und fiel dabei als leidenschaftlicher Redner und Gegner sowohl der Nationalsozialisten als auch der Kommunisten auf. Schon damals erkannte Schumacher, dass die KPD eine von Moskau aus gesteuerte Partei war. 1930 wurde er auch Vorsitzender der SPD in Stuttgart.

Im Juli 1933 wurde Schumacher festgenommen und war zunächst bis 1943 und dann noch einmal von August bis September 1944 in verschiedenen KZs inhaftiert. Dazwischen und bis zum Kriegsende hatte sich Schumacher zwangsweise in Hannover aufzuhalten, das am 10. April 1945 von alliierten Truppen befreit wurde.

 

Dem gegenüber bildete sich in Berlin am 15. Juni 1945 ein „Zentralausschuss der SPD“ um Otto Grotewohl, Max Fechner und Erich Gniffke, die am 17. Juni zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt wurden. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) hatte mit den sogenannten „Befehl Nr. 2“ am 10. Juni 1945 den Weg dafür in der SBZ frei gemacht. Auch der Zentralausschuss beanspruchte für sich die gesamtdeutsche Parteiführung.

 

Otto Grotewohl wurde 1894 in Braunschweig geboren und wurde nach seiner Lehre 1912 Mitglied der SPD – von 1918 bis 1922 der USPD – danach wieder der SPD. Von 1920 bis 1930 war Grotewohl Mitglied des Braunschweigischen Landtages und bekleidete verschiedene Minister- und andere Ämter. 1925-1933 war er auch Reichstagsabgeordneter.

In der NS-Zeit wurde er mehrfach festgenommen und auch vor Gericht gestellt, war aber nie lange inhaftiert. Der Einberufung zum Volkssturm entzog er sich, in dem er bis zum Kriegsende untertauchte.

Nach dem Krieg wurde Grotewohl zu einem „Befürworter“ einer schnellen Einigung mit der KPD – nach den Worten von Egon Bahr (SPD) und Jakob Kaiser (CDU) jedoch erst nach dessen Einbestellung zur SMAD in Berlin-Karlshost – eine Haltung, die Kurt Schumacher im Westen strikt ablehnte.

 

So kam es vom 5. – 7. Oktober 1945 in Wennigsen bei Hannover zu einer Konferenz, an der Sozialdemokraten aus allen Teilen Deutschlands sowie aus dem Londoner Exil teilnahmen – die Vertreter des Zentralausschusses nahmen jedoch lediglich als Gäste teil. Auf dieser Konferenz setzte Schumacher durch, dass bis zu einem Reichsparteitag sich die Zuständigkeit des Zentralausschusses nur auf die SBZ beschränken sollte und bis dahin kein Führungsgremium für ganz Deutschland sprechen könne.

 

Ein im Auftrag des Zentralausschusses von Erich Gniffke angefertigtes und am 10. Februar 1946 an Otto Grothewohl übergebenes Schriftstück über die Situation an der Parteibasis ergab, dass überall Parteigenossen, die sich gegen die Einigung mit der KPD aussprachen, von sowjetischen Kommandanten durch Diffamierung sowie durch Anwendung von psychischer und physischer Gewalt aus ihren Ämtern gedrängt wurden.

In dieser Situation beschloss der Zentralausschuss an jenem 10. Februar 1946, eine organisatorische Verschmelzung mit der KPD anzustreben. Dies rief Widerstände innerhalb der SPD auch im Osten Deutschlands – insbesondere Berlins – hervor. Eine für den gesamten Osten Deutschlands geplante Urabstimmung „zur Einheit der Arbeiterschaft“ fand am 31. März 1946 nur in den Berliner Westsektoren statt – die SMAD verhinderte sie jedoch für die SBZ und den sowjetischen Sektor Berlins. Bei dieser Urabstimmung in den Westsektoren Berlins votierten 82,2% der zur Abstimmung erschienenen Sozialdemokraten mit „Nein“ auf die Frage nach einer sofortigen Einigung mit der KPD – jedoch zu 61,7% mit „Ja“ zur Frage nach einer generellen Zusammenarbeit mit der KPD. Daraufhin gründeten die Vereinigungsgegner am 7. April 1946 in Berlin eine von Zentralausschuss unabhängigen Landesverband. Karl Germer Jr., Franz Neumann und Curt Swolinsky wurden zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt.

 

So kam es lediglich in der SBZ sowie im sowjetischen Sektor Berlins am 21./22. April 1946 zum Vereinigungsparteitag von KPD und SPD zur SED. Wilhelm Pieck (KPD) und Otto Grotewohl (SPD) wurden zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt.

Obwohl große Teile der Sozialdemokraten im Osten einer generellen Zusammenarbeit der beiden Parteien durchaus positiv gegenüberstanden, ist in diesem Zusammenhang oft von der „Zwangsvereinigung“ beider Parteien die Rede. Über diese Begrifflichkeit gibt es eine jahrzehntlange kontroverse Diskussion, wobei sich der Begriff in der offiziellen Geschichtsschreibung durchgesetzt hat. Fest steht bei allem Für und Wider, dass diese Vereinigung unter massivem Druck und auch unter Repressalien durch die SMAD stattfand und die Sozialdemokraten in der SBZ keine freie Entscheidung über die Einigung treffen durften. Dadurch hatten die Sozialdemokraten in der SBZ keine Alternative – Zehntausende verweigerten allerdings die Mitgliedschaft in der SED und verließen die Partei.

Der Zusammenschluss galt auch für den sowjetischen Sektor Berlins, nicht aber für die Westsektoren. Ende Mai 1946 kam es in dieser Angelegenheit zu einer Einigung zwischen den vier Siegermächten: Die SED wurde auch in den Westsektoren Berlins zugelassen – während die SPD vom SMAD auch im sowjetischen Sektor zugelassen wurde. Eine ungehinderte Parteiarbeit war der SPD im Ostsektor dennoch kaum möglich. Zwar gelang der SPD bei den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung von „Großberlin“ (sprich: Gesamt-Berlin) im Oktober 1946 noch ein Wahlsieg; bei einer Wahlbeteiligung von 92,3% erlangte die SPD 48,7% aller abgegebenen Stimmem, die CDU 22,2%, die SED 19,8% und die LDP 9,3%;

aber dies blieb die letzte freie Wahl für das gesamte Berliner Stadtgebiet. Die Besatzungsmächte betrieben daraufhin eine Spaltungspolitik für Berlin, die schießlich am 24. Juni 1948 in der Blockade West-Berlins mündete. Erst am 12. Mai 1949 wurde die Blockade vom SMAD wieder aufgehoben.

 

Die Gesamt-Berliner Verwaltung – der Berliner Magistrat – war ab dem 30. November 1948 nur noch für West-Berlin zuständig – im Osten der Stadt wurde ein sog. „provisorischer demokratischer Magistrat“ unter der Führung der SED gebildet, an dem die SPD nicht mehr beteiligt war. Auch an den „Wahlen“ mit Einheitliste, wie sie seit 1949 stattfanden, durfte die SPD nicht mehr teilnehmen. Einzelnen SPD-Vertretern aus den Ostbezirken wurde jedoch ein Mandat im Westteil Berlins oder auch im Bundestag ermöglicht – so wurde z. B. der Friedrichshainer Kreisvorsitzende Kurt Neubauer 1952 Mitglied des Deutschen Bundestages. Der Landesverband der SPD in Gesamt-Berlin bestand trotz zunehmender Repressalien bis 1961 fort – erst nach dem Mauerbau am 13. August 1961 wurden die Kreisbüros in den Ostbezirken Berlins durch die DDR-Behörden geschlossen.

 

Kurt Schumacher wurde am 10. Mai 1946 zum Vorsitzenden der SPD in den drei westdeutschen Besatzungszonen gewählt und entwickelte in der Folgezeit einen von Zeitgenossen als „autoritär“ beschriebenen Führungsstil. So erwartete er etwa eiserne Parteidisziplin von den Mitgliedern der SPD und war ein Verfechter des Fraktionszwangs. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 wurde die SPD unter Kurt Schumacher Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Bei den Wahlen zum ersten Bundestag erreichte die SPD 29,2% bei einer Wahlbeteiligung von 78,5% hinter der Union, die 31,0% der abgegebenen Stimmen erhielt. Bei einer Kandidatur für das Amt der deutschen Bundespräsidenten unterlag Schumacher gegen den Kandidaten der Regierungskoalition Theodor Heuss (FDP).

In der Frage der Westanbindung der Bundesrepublik war Kurt Schumacher innerlich zwiegespalten, was sich auch in seiner politischen Positionierung ausdrückte. Einerseits nahm er eine strikte antikommunistische Position ein, was ihn zum vehementen Gegner des sich bildenden Ostblocks inklusive der DDR machte. Andererseits lehnte er aufgrund seiner Überzeugung als deutscher Patriot konkrete Schritte ab, die zu einer Westanbindung der Bundesrepublik und damit zu einer Vertiefung einer Spaltung Deutschlands führten. So forderte er auch, dass die von Stalin am 10. März 1952 an die Westmächte gesandten „Stalin-Noten“ genau geprüft werden. Die Verhandlungen verliefen jedoch ergebnislos.

Am 20. August 1952 starb Kurt Schumacher an den Spätfolgen seiner langen KZ-Haft.

 

Autor: Gilbert Jacoby

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