Kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs begann eine der gefährlichsten Auseinandersetzungen in der Weltgeschichte, der Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion, der aufgrund des gewaltigen Nuklearpotentials der beiden Großmachte zu einem Krieg hätte führen können, der erstmals in der Geschichte das Überleben der gesamten Menschheit in in Frage gestellt hätte.

Beide Mächte waren deshalb bemüht, jeden auftretenden Konflikt nicht über einen gewissen Punkt hinaus eskalieren zu lassen, damit der Kalte Krieg nicht in einen heißen Krieg umschlägt. Jahrzehnte hindurch musste die Menschheit mit der Möglichkeit rechnen, in einem nuklearen Schlagabtausch vernichtet zu werden, bis diese gefährliche Auseinandersetzung 1989 beendet wurde.

Der Konflikt erhielt noch dadurch seine besondere Brisanz, da es sich hier nicht nur um eine traditionelle Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Großmächten um Territorien und Einflusssphären handelte, sondern hier prallten zwei verschiedene Gesellschaftssysteme und zwei verschiedene Ideologien aufeinander, die im Prinzip unvereinbar waren.

Wer hatte die Schuld am Ausbruch des Kalten Krieges? Beide Seiten behaupteten, dass der jeweilige Kontrahent die Auseinandersetzung begonnen hätte.

Auf westlicher Seite verkündete der amerikanische Präsident Truman 1947 die sogenannte Truman-Doktrin. Er teilte die Erde in zwei Lager auf. Demzufolge gab es die freie, demokratische Welt, in der die Menschenrechte geachtet, Wahlen abgehalten werden, in der freie, unabhängige Medien existieren. Dazu würden die USA und viele weitere Staaten gehören.

Als Gegenpol  existierte dieser Meinung zufolge die totalitäre Welt, in der es keine Freiheit gibt, Menschenrechte missachtet, manipulierte Wahlen veranstaltet werden, wo es keine Pressefreiheit gibt, ein System, in dem der Staat alles kontrolliert und beherrscht. Zu dieser totalitären Welt gehören die Sowjetunion und die von ihr abhängigen Staaten.

Truman ging davon aus, das die totalitäre Welt expansiv sei, das die Sowjetunion versuchen würde, auch bisher freie Länder in irgendeiner Form zu unterjochen, nicht unbedingt durch Krieg, aber zum Beispiel durch Unterstützung aufständischer Gruppen. Die USA seien bereit, jedem freien Land zu helfen, das durch totalitäre Kräfte bedroht wird. Auch wenn es nicht explizit gesagt wurde, ließ sich die Truman-Doktrin auch dahingehend interpretieren, das bereits vom Totalitarismus beherrschte Länder möglicherweise mit der Hilfe der Amerikaner rechnen könnten, um sich zu befreien.

Im Gegenzug verkündete der sowjetische Ideologe Shdanow 1947 die Zwei-Lager-Theorie. Ausgehend von der Leninschen Imperialismustheorie behauptete er, das amerikanische Finanzkapital strebe nach der Weltherrschaft. Mit seinem Kapital würde es alle Länder versklaven und von sich abhängig machen wollen. Gleichzeitig wäre der amerikanische Imperialismus expansiv und will immer neue Gebiete erobern. Dem steht das friedliche, sozialistische Lager gegenüber. Alle demokratischen Länder hätten sich unter Führung der Sowjetunion zusammengeschlossen, um den amerikanischen Imperialismus abzuwehren und eine demokratische, friedvolle Gesellschaftsordnung aufzubauen.

Wie konnten diese beiden gegensätzlichen Positionen entstehen und wer hatte Recht bzw. wer hatte Unrecht?

Sowohl die USA als auch die Sowjetunion hatten im Verlauf des Krieges ihre eigenen Grenzen weit überschritten und ihre Truppen standen nun sowohl in Gebieten, die sie zuvor befreit hatten, als auch auf dem Territorium der besiegten Feindesländer. Es war klar, dass sie diese Regionen nicht verlassen würden, ohne Gewissheit zu haben, das die befreiten Staaten in Zukunft entweder Bündnispartner oder zumindest wohlwollend ihren Befreiern gesonnen waren. Gleichzeitig musste sichergestellt werden, das von den besiegten Feindstaaten in Zukunft keine Aggressionen mehr ausgehen konnte. Deshalb war es notwendig, wesentliche politische und gesellschaftliche Veränderungen in ihnen vorzunehmen.

In Jalta und in Potsdam hatten die USA und die UDSSR ihre zukünftigen Einflussgebiete festgelegt, wobei allerdings einige wesentlichen Fragen offenblieben, wie zum Beispiel die zukünftige Behandlung Deutschlands, welches eigentlich als einheitlicher Staat erhalten bleiben sollte. Die Grenzen verliefen aber in der Praxis dort, wo die Front im Mai 1945 stehengeblieben war, wobei die Amerikaner und Briten vertragsgemäß Teile der späteren DDR räumten und den Russen übergaben.

In den USA herrschte noch immer die Erinnerung an die große Depression der 30er Jahre. Der zweite Weltkrieg hatte die Krise überwunden, doch es blieb die bange Frage, ob der Frieden sie zurückbringen und der Alptraum dann erneut beginnen würde. Der Regierung Roosevelt war es klar geworden, dass die Amerikaner ihre klassische isolationistische Politik aufgeben musste. Der einheimische Markt war zu eng geworden, nur ein Ausgreifen auf den Weltmarkt konnte die USA vor neuen Rezessionen schützen. Deshalb versammelten sich bereits 1944 in dem Ort Bretton Woods in New Hampshire die Finanzminister und Notenbankgouverneure von 44 Staaten und konzipierten ein neues internationales Wirtschaftssystem, welches den Abbau von Zöllen und die Etablierung des US-Dollars als neuer Leitwährung vorsah. Diesem System konnten sich weitere Staaten in der Zukunft anschließen, auch die früheren Feindstaaten, ebenfalls die von der Sowjetunion besetzten Nationen. Verbunden war dies mit dem Wunsch, allen Staaten nicht nur die wirtschaftliche Freiheit, sondern auch die demokratische Freiheit zu garantieren. Marktwirtschaft und Demokratie waren das Ordnungsprinzip, das von den USA vertreten wurde

In dem amerikanischen Machtbereich stieß dieses Konzept auf allgemeine Zustimmung und zwar sowohl bei den dort regierenden Eliten als auch bei deren Bevölkerung. Die von den Amerikanern befreiten Regionen hatten bereits in der Vergangenheit demokratische und marktwirtschaftliche Systeme besessen, diese mussten lediglich reaktiviert werden. Alternative Konzepte, vage Sozialismusvorstellungen, wie sie in Deutschland die SPD vertrat oder die kurzlebigen Volksfrontregierungen in Frankreich und Italien, fanden wenig Resonanz. Auch die besiegten Feindstaaten, Deutschland, Italien und Japan, hatten schon, wenn auch kurzlebige demokratische Traditionen gekannt. Ebenfalls waren sie kapitalistisch, marktwirtschaftlich strukturiert, auch wenn bei ihnen der Staat eine sehr große Rolle im Wirtschaftsleben gespielt hatte. Hier ging es lediglich darum, die Eliten und die Bevölkerung von den Kriegsverbrechern zu befreien, danach ließen sich auch diese Länder problemlos in den amerikanischen Machtbereich einordnen. Das Konzept von Marktwirtschaft und Demokratie wurde überall gerne aufgenommen, da es sich mit den Wunschvorstellungen und Traditionen der meisten Menschen in Deckung bringen ließ. Die Gelder des Marshallplans, weit davon entfernt, Europa zu versklaven, wie die Kommunisten behaupteten, bedeuteten eine Anschubfinanzierung, um die von dem Krieg zerstörten Ökonomien wieder aufzubauen. Die europäischen Volkswirtschaften waren bereits viel zu sehr entwickelt, als das man sie in einen kolonialen Status hätte zwingen können. Dies entsprach auch keineswegs den amerikanischen Interessen, da sie starke Bündnispartner brauchten.

Anders hingegen war die Situation in den Ländern, die von der Sowjetunion besetzt worden waren. Stalin hatte in einem Gespräch mit dem jugoslawischen Kommunisten Djilas gesagt: „Dieser Krieg ist nicht wie in der Vergangenheit; wer immer ein Gebiet besetzt, erlegt ihm auch sein eigenes gesellschaftliches System auf. Jeder führt sein eigenes ein, soweit seine Armee vordringen kann. Es kann gar nicht anders sein.“ Milovan Djilas; Gespräche mit Stalin, Frankfurt 1962, S.146.

Die Amerikaner hatten mit dieser Politik kein Problem gehabt, wohl aber die Sowjets. Die von den Russen eroberten Regionen waren zuvor regiert worden von Grundbesitzern und bürgerlichen Kräften, also sozialen Schichten, die schon von ihrer sozialen Stellung her dem Sowjetsystem feindlich gesonnen waren. Aber auch die große Masse der Bevölkerung, größtenteils Kleinbauern und Mittelstand, waren nicht an einem Kommunismus interessiert, sondern allenfalls an der Mehrung ihres Eigentumes, vertraten also bürgerliche, besitzindividualistische Interessen und lehnten Kollektivierung und Verstaatlichung ihres Eigentums entschieden ab. Das sowjetische System musste also gegen den Willen der ansässigen Bevölkerung mit Zwang und Repression durchgesetzt werden, ganz anders, als im amerikanischen Machtbereich.

Stalin wollte die Kriegsbeute nicht hergeben, sondern war daran interessiert, einen Gürtel von abhängigen Staaten um sich zu gruppieren, die ein Vorfeld gegen die westlichen Mächte bilden sollten.

Theoretisch hätte es die Möglichkeit gegeben, die kapitalistischen, in einigen Ländern sogar noch halbfeudalen Verhältnisse nicht zu ändern, sondern sich damit zu begnügen, lediglich auf ihren neutralen Status zu drängen. Solche Lösungen fand man für Finnland und später auch für Österreich. Für die meisten Staaten war dies aber keine realistische Option. In Polen waren nicht nur die Oberschichten, sondern auch die große Mehrheit der Bevölkerung ausgesprochen sowjetfeindlich eingestellt, weshalb Stalin schon 1944 eine kommunistische Marionettenregierung in Lublin ins Leben rief. Ungarn, Rumänien, die Slowakei und Bulgarien waren Deutschlands Verbündete gewesen. Auch hier gab es keine Sympathien für die Sowjetunion. Und ein neutrales Deutschland war gleichfalls unrealistisch, da die Westmächte dies nicht wollten. So schied diese Option aus.

Zunächst begnügte sich Stalin allerdings in diesen Staaten mit Regierungen, die noch nicht vollständig von den Kommunisten beherrscht wurden. Doch als die Regierungen, in denen auch noch bürgerliche Kräfte saßen, daran interessiert waren, die Gelder des Marshallplanes anzunehmen, befürchtete Stalin, das sich die kapitalistischen Oberschichten mit Hilfe des amerikanischen Geldes aus dem sowjetischen Machtbereich lösen würden. Stalin hätte dann seine gesamte Kriegsbeute an die USA verloren, ohne dass die sich dafür sonderlich anzustrengen brauchten. Deshalb entschloss er sich dazu, die Verhältnisse in den besetzten Gebieten radikal an die sowjetischen Gegebenheiten anzupassen.

Ihm muss klar gewesen sein, dass diese Umgestaltung gegen den Willen der Bevölkerung erfolgen musste und nur durch Zwang und Terror durchzuführen war. Die von ihm installierten Regierungen hatten in der Masse keine Basis und verwandelten sich schnell in Polizeistaaten. Lebensfähig blieben sie nur durch die Drohung einer sowjetischen Militärintervention. Moskau würde in Zukunft sehr große Anstrengungen unternehmen müssen, um diese Satellitenregime am Leben zu erhalten. Doch dieser Preis schien es ihm wert zu sein. Wie künstlich diese Systeme waren, zeigte sich 1989. Kaum war die Gefahr einer sowjetischen Intervention gebannt, brachen alle Regime nahezu gleichzeitig in wenigen Monaten zusammen.

Moskau interpretierte das Vorpreschen amerikanischen Geldes als Offensive des Finanzkapitals und sah hierin eine Bestätigung ihrer Imperialismus Theorie. Für die Westmächte hingegen war die Umgestaltung der Verhältnisse in Osteuropa ein Zeichen von Annektion und ein Beweis für den sowjetischen Expansionismus.

Eine genauere Betrachtung ergibt allerdings, dass Stalin seinen Besitzstand bewahren, nicht aber ihn vermehren wollte. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass er nun immer weitere Länder schlucken und angleichen wollte. Erst recht gibt es keine Bestätigung, dass er einen Großangriff auf Westeuropa geplant hätte, wie ihm dies unterstellt wurde. Die Historiker sind sich heute weitgehend darüber einig, dass dies zu keinem Zeitpunkt geplant war.

Allerdings versuchte Stalin, das Optimum für sich herauszuholen und ging dabei manches Wagnis ein. Das zeigen die drei Krisen, die nach 1945 ausbrachen.

Irankrise: Der Iran war im Verlaufe des Krieges zwischen Großbritannien und der UDSSR aufgeteilt worden, wobei die Sowjets im Norden das iranische Aserbeidschan und die Provinz Gilan besetzt hielten. Vereinbarungsgemäß sollten sich beide Mächte nach dem Krieg aus dem Land zurückziehen, doch Stalin umging dieses Abkommen, in dem er in beiden Gebieten scheinbar unabhängige Volksrepubliken gründen ließ, die sich unter seinen Schutz stellten. Erst als Truman mit Atombomben drohte, zog er sich aus den Regionen zurück. Aber auch hier hatte er lediglich getestet, was er von seiner Kriegsbeute vielleicht noch würde in Friedenszeiten herüber retten können. Außerdem machten die Alliierten zunächst auch keine Anstalten, das Land zu räumen. Zudem hatten die Westmächte während des Krieges den Schah als willfähriges Instrument ihrer Politik in Teheran eingesetzt, so dass nach 1945 das gesamte Land unter westliche Hegemonie geriet.

Griechenland: Griechenland gehörte vereinbarungsgemäß zur westlichen Einfluss Sphäre. Allerdings herrschten in dem Land noch extrem rückständige Strukturen mit halbfeudalen Eliten an der Spitze des Landes und extremen Einkommensunterschieden. Das amerikanische Modell von Demokratie und Marktwirtschaft ließ sich hier nicht so ohne weiteres übertragen, da dieses auf hochentwickelte Staaten zurechtgeschnitten war, nicht auf halbkoloniale Ökonomien. Der Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und der Regierung, ein Konflikt, der die Ursache der Truman Doktrin war, entsprang vor allem aus den sozialen Gegensätzen und hatte nichts mit einer sowjetischen Aggression zu tun. Stalin unterstützte die Kommunisten auch kaum und ließ sie schließlich verlieren. Seine Politik war stets von den Sicherheitsinteressen der UDSSR geleitet, auch wenn dies auf Kosten ausländischer Genossen ging.

Berlin-Blockade: Das geteilte Berlin erschien Stalin wie eine feindliche Speerspitze in seinem Machtbereich. Er dachte, dass es relativ risikolos sein müsste, die Westmächte aus dieser Stadt zu vertreiben. Als die aber entschlossen waren, West-Berlin zu verteidigen, gab er diese Politik wieder auf.

Auch wenn es Stalin primär um Besitzstandwahrung ging, erschien seine Politik als feindselig und aggressiv, erweckte daher Besorgnis und Furcht im Westen.

Hatten die Amerikaner vorgehabt, die Sowjetunion zu überfallen, wie dies ihnen von Moskau unterstellt wurde? Auch dafür spricht nichts. Sie waren ebenfalls damit zufrieden, ihren Bereich zu sichern und auszubauen. Wie sich später bei den Aufständen in Polen und Ungarn zeigte, respektierten sie den Machtbereich ihres Gegners und griffen nicht ein. Ihre Politik der „Eindämmung“ zielte darauf ab, ihre Einfluss Sphäre zu sichern, aber nicht, um die Sowjetunion in einem großen Angriff zu zerstören.

Wer hat nun die Schuld am Kalten Krieg? Beide Großmachte versuchten nach 1945 den ihnen zugefallenen Bereich nicht so ohne weiteres wieder herzugeben. Die Amerikaner hatten hier die die moralisch besseren Karten in der Hand, denn ihre Vorstellungen von Marktwirtschaft und Demokratie deckten sich mit den Erwartungen der Menschen in den besetzten Gebieten. Die Sowjets hingegen konnten in ihrem Machtbereich ihre Interessen nur mit Terror und Repression durchsetzen.

Beide Supermachte planten, zumindest direkt nach 1945, keinen gegenseitigen Angriff, unterstellten diese Absicht aber ihrem Gegner.

War der Kalte Krieg also ein Missverständnis, entsprang er lediglich Fehldeutungen der beteiligten Parteien? So einfach ist die Erklärung sicher nicht. Ein Missverständnis hätte man ausräumen können. Doch der Kalte Krieg ging weiter und entwickelte seine eigene Dynamik. Grund für die anhaltende Auseinandersetzung war der Konflikt zwischen Kapitalismus und Sozialismus, ein Konflikt, der nicht auf einem Missverständnis beruhte, sondern deshalb existierte, weil beide Systeme unvereinbar miteinander waren

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