Die Iberische Halbinsel erlebte drastische Herrschaftswechsel und beherbergte große Reiche, deren Kultur vielseitig war und bis in die heutige Zeit noch nachwirkt. Egal ob Staatswesen, Kunst oder Religion, die Halbinsel erlebte eine kulturelle Blüte ohnegleichen, während der muslimischen Herrschaft. Dieser Artikel richtet sich nach der Gliederung des Buches „Das Maurische Spanien“ von Georg Bossong.
Ein maurischer Krieger
Westgotisches Reich und maurische Eroberung
Die gesamte iberische Halbinsel war einst in mehrere römische Provinzen aufgeteilt. Im Jahr 476 erfolgte eine Eroberung durch die Westgoten. Zwischenzeitlich kam es auf dem Gebiet des heutigen Südspaniens zu Feldzügen der Oströmer gegen die Westgoten. Während West- und Ostgoten ein weitverzweigtes Bündnissystem unterhielten kam es auch in Italien zu heftigen Gefechten mit dem Oströmischen Reich.
Nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahr 632 setzte im Nahen Osten eine Missionierungs- und Eroberungswelle ohne Gleichen ein. Innerhalb weniger Jahrzehnte überrannten die Heere, der gerade erst missionierten, muslimischen Völker die Arabische Halbinsel, dass Reich der Sassaniden, Teile des Byzantinischen Reiches und Nordafrika. Im Jahr 710 standen bereits die ersten Heere an der Meerenge von Gibraltar. Ein großer Verband muslimischer Truppen setzte 711 nach Spanien über. Westgotische und muslimische Heere trafen aufeinander, wobei erstere unterlagen. Konflikte innerhalb der alten Herrscherelite begünstigten die Eroberungszüge. Innerhalb von nur drei Jahren gelang es den muslimischen Heeren fast die gesamte Iberische Halbinsel einzunehmen. Erst bei der Schlacht von Covadonga konnte man erfolgreich Widerstand leisten, so dass sich in der Folgezeit die Grenzen der christlichen und des muslimischen Reiches langsam festigen konnten. Diese Schlacht stellte dabei keineswegs einen glorreichen Wendepunkt dar. Man war schlicht und einfach nicht daran interessiert weitere Gebiete einzunehmen, da diese als klimatisch nicht besonders wertvoll angesehen wurden. Ebenso der Mythos von der islamischen Eroberung Europas, welche nur von Karl Martell aufgehalten und infolgedessen die Islamisierung verhindert wurde, gehört in das Reich der Legenden. Die moderne Forschung geht davon aus, dass es sich bei den muslimischen Truppen in Frankreich um Kundschafter handelte bzw. die Truppen lediglich auf Beutezug waren.
Umayyadisches Emirat (756-929)
Als erste Herrscher kann man die Gouverneure betrachten, welche als Vertreter der Kalifen von Damaskus regierten. Zur Mitte des 8. Jahrhunderts kam es in Damaskus zu einem Massaker in der königlichen Familie. Der einzig überlebende Prinz
Abd al-Rahmân konnte sich bis zur iberischen Halbinsel durchschlagen und da angelangt, die Macht übernehmen. Nur selten geschah dies durch Kampf, sondern vielmehr durch Diplomatie und Handel. Die muslimischen Heere, welche anfangs auf die Halbinsel kamen, waren keinesfalls heterogen, sondern alte Rivalitäten und Stammesfehden wurden mitgenommen. So musste sich al-Rahmân gegen verschiedene Konkurrenten durchsetzen.
Christen und Juden genossen in dieser Zeit Religionsfreiheit und weitestgehende Autonomie. Christliche Bischöfe setzten sich für ein friedliches Zusammenleben ein und arbeiten für den Frieden eng mit den muslimischen Herrschern zusammen. Innere Konflikte verschiedener muslimischer Parteien führten immer wieder zu Revolten und Gefechten.
Kalifat von Cordoba (929-1031)
Karte des Kalifats von Cordoba By Té y kriptonita based on Image:España1000.jpg (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
Die Zeit des Kalifats begann, wie das Emirat endete, voller innerer Spannungen und Konflikte. Man beschloss das Kalifat auszurufen – Kalifen waren die Nachfolger des Propheten – als Gegenbewegung zu den nordafrikanischen Konkurrenten. Man schaffte es gegen die südlichen Nachbarn Widerstand zu leisten. Anschließend wandte das Kalifat seinen Blick nach Norden. Die christlichen Königreiche hatten keine Möglichkeit militärisches Oberwasser zu gewinnen, so dass eine Bedrohung vom Norden her auch eingedämmt werden konnte. Die Stadt Córdoba wurde zu einem Zentrum der Kultur ausgebaut. Philosophie, Kunst, Medizin, Musik – Kultur und Wissenschaft erreichten einen neuen Höhepunkt. Für den Untergang des Kalifats führten zwei große Fehler des Herrschers Al-Hakam.
- Er erklärte seinen noch minderjährigen Sohn zum Nachfolger, was zu äußerst schweren Konflikten innerhalb der Familie führte.
- Berberische Söldner – ein Stamm aus Nordafrika – , welche ins Land geholt wurden, um auf neue Bedrohungen aus dem Norden besser reagieren zu können, bekamen zu viel Macht am Herrscherhof.
Der nach den Streitigkeiten erfolgreich hervorgegangene al-Mansur übernahm die Herrschaft. Um den anderen Adligen entgegenzukommen holte er sich weitere berberische Söldner als Unterstützung. Zwar schaffte es al-Mansur sein Reich zu einigen, jedoch vollzog sich ein großer geistiger Rückschritt, was sich auch in Bücherverbrennungen äußerte. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts kam es wieder zu blutigen Auseinandersetzungen im Königshaus. Ethnische Unruhen gossen weiteres Öl ins Feuer. Die zentrale Macht brach in mehrere Teilkönigreiche, den Taifa, auseinander.
Die Taifa-Königreiche (1009-1095)
Während sich in und um Córdoba ein republikähnlicher Staat bildete, spaltete sich die Landkarte der Halbinsel in viele kleinere und größere Königreiche. Kriege untereinander nahmen zu. Vergleichen kann man die einzelnen Reiche mit den Stadtstaaten des alten Griechenlands oder Italiens in der Zeit der Renaissance. Es wurde miteinander um die kulturelle Vorherschaft gerungen. Die politisch-militärische Vorherrschaft konnte keines der kleinen Königreiche erringen. Der größte Teil von ihnen wurde von Berber-Dynastien beherrscht. Zeitweise bildete sich auf der iberischen Halbinsel ein nie dagewesenes, harmonisches Zusammenleben der Religionen. Kunst und Wissenschaft erlebte an den kleinen Adelshöfen nochmals eine kulturelle Blüte, die allerdings nicht sehr lange anhielt.
Die Berber-Dynastien: Almoraviden und Almohaden (1090-1248)
Die Almoraviden-Dynastie eroberte nach und nach einzelne Taifa-Königreiche. Während es im Nahen Osten zum Ersten Kreuzzug kam, veränderte sich auch das politische Bild auf der iberischen Halbinsel. Die nordspanische Kirche geriet stärker unter den Einfluss Roms, während die Muslime von Süden her ebenfalls radikalisiert wurden. Der spanische Sonderweg, also das friedliche Zusammenleben der Religionen, war gescheitert. Abgelöst wurden die Almoraviden von einer neuen Bewegung, der der Almohaden. Christliche und muslimische Reiche suchten immer wieder die Konfrontation. Statt einen erneuten Zentralstaat auszubilden, gelang es immer wieder Taifa-Königreichen einen Teil der Macht zu bekommen. Der größte Fehler der Berber-Stämme war es, dass sie nie eine Heimat in der Halbinsel sahen, sondern diese lediglich militärisch bereisten.
Granada (1246-1492)
1492 – Muhammad XII. kapituliert und übergibt die Stadt an Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von Aragón
Durch die Zerrissenheit im Herrschaftsgefüge, gewannen die christlichen Königreiche an Kraft. Ihren Eroberungszügen konnte sich zuletzt nur noch das Reich um Granada widersetzen. Innere Konflikte schwächten wieder einmal die Machtbasis zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Das es zu keiner umfassenden Eroberung durch die Christen kam, war nur dem Umstand geschuldet, dass auch deren Königreiche sich politischen Machtkämpfen ausgesetzt sahen. Ab 1482 begann die Belagerung Granadas durch die Christenheit schließlich. Dem letzten König der Stadt machte das Königspaar ein verlockendes Angebot, um die Kämpfe zu beenden. Nach der Annahme der Bedingungen und dem Einzug des Christentums wandelte sich das Bild des friedlichen Zusammenlebens zusehends. Zwar konnten die Muslime noch fast ein Jahrhundert lang ihren Glauben ausleben, doch kam es in dieser Zeit immer wieder zu Zwangsbekehrungen.
Schlussworte
Die kulturelle Vielfalt und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen sowie Weltanschauungen waren beispielhaft für Jahrhunderte. Kultur und Wissenschaft erlebten mehrere Blüten. Das es zu Konflikten unterschiedlicher Interessengruppen kam, liegt in der menschlichen Natur. Dennoch ist es traurig, dass solch ein großartiges gesellschaftliches Experiment gescheitert war. Fanatismus gab es auf christlicher und muslimischer Seite. Das maurische Spanien kann als Vor- und Leitbild noch für unsere Zeit dienen, denn trotz allen Kämpfen gab es auch viele positive, gesellschaftliche Errungenschaften.
Quelle
Bossong, Georg: Das maurische Spanien. Geschichte und Kultur. München, 2010.