Angehörige der Roten Armee in Moskau
Angehörige der Roten Armee in Moskau

Eines der blutigsten Kapitel der Russischen Geschichte ist ohne Frage der Russische Bürgerkrieg, der bis 1921 dauerte, Millionen von Menschen das Leben kostete und mit dem Sieg der Bolschewiki unter Lenin und Stalin endete.

Wie es der kleinen Gruppierung der Bolschewiki gelingen konnte, die zaristische Ordnung zu beseitigen und eine kommunistische Herrschaft zu errichten, soll in diesem Artikel überblickshaft dargestellt werden. Die Ausführungen basieren im Wesentlichen auf dem (aus meiner Sicht) neuen Standardwerk des Historikers Antony Beevor “Russland – Revolution und Bürgerkrieg 1917 – 1921”. Weitere Leseempfehlungen sind am Artikelende aufgeführt.

In einem kurzen Abschnitt soll zunächst auf die Situation Russlands vor der Revolution und den Ausbruch der Russischen Revolution eingegangen werden. Anschließend werden die verschiedenen Akteure und Gruppierungen vorgestellt und – sehr komprimiert – der Verlauf des Bürgerkriegs dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Situation Russlands vor der Russischen Revolution und dem Bürgerkrieg
  2. Die Februar- und Oktoberrevolution 1917
  3. Die wesentlichen Akteure und Gruppierungen des Russischen Bürgerkrieg
  4. Der Verlauf des Russischen Bürgerkriegs
  5. Warum verloren die Weißen den Bürgerkrieg?
  6. Weitere Informationen und Leseempfehlungen

Die Situation Russlands vor der Russischen Revolution und dem Bürgerkrieg

Der I. Weltkrieg war für die gesamte Welt eine Katastrophe, die Millionen von Menschen das Leben kostete und die bis dahin geltende Ordnung erschütterte. Die Aussage mag dabei nicht übertrieben sein, dass die russischen Soldaten in diesem Krieg besonders zu leiden hatten. Der einfache Soldat galt in der russischen Armee nichts – die Offiziere gingen (man kann es nicht anders sagen) grausam mit den ihnen Untergebenen um. 15,3 Millionen Mann – darunter viele einfache Bauern – wurden einberufen und mussten in den Schützengräben wie Tiere leben. Es gab nicht einmal genug Stiefel für die Soldaten. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Leben zählte nicht viel.

Die russische Armee war den deutschen Truppen weit unterlegen. Nach der Niederlage bei Tannenberg mussten sich die Russen zurückziehen – sie hatten doppelt so hohe Verluste wie ihre Feinde.

Der ehemalige Zar Nikolaus II. nach seiner Abdankung
Der ehemalige Zar Nikolaus II. nach seiner Abdankung

Die militärische Situation des Kaiserreichs war schlecht, die gesellschaftlichen Verhältnisse Russlands im Inneren waren geradezu verheerend und wurden durch den Krieg noch schlechter. Der Zar von Gottes Gnaden herrschte autoritär und abgewandt von seinen Untertanen. Nach der ersten Revolution 1905 infolge des verlorenen Russisch-Japanischen Kriegs nahm die Unzufriedenheit mit dem Monarchen und dem Regierungssystem in allen gesellschaftlichen Schichten zu. Einen großen Anteil daran hatten die schlechten Lebensverhältnisse des Großteils der Bevölkerung. Die Landbevölkerung lebte in “Elend, Unwissenheit und Verwilderung”, so der Schriftsteller Maxim Gorki – sie wurden schlecht behandelt und hatten kaum eine gute Zukunft vor sich. Zwar gab es einige reiche und sehr mächtige Großgrundbesitzer, die Mehrzahl der Ländereien war allerdings klein und arm. Mit der Industrialisierung waren die Städte angeschwollen, die Arbeiter lebten aber auch dort in prekären Verhältnissen und waren austauschbar. Eine Lobby hatten sie nicht. Vertrauen in die Regierung konnte nicht entstehen – Korruption und Machtmissbrauch waren alltäglich.

Die Februar- und Oktoberrevolution 1917

Menschenmassen vor der Duma
Menschenmassen vor der Duma

Es würde den Umfang dieses Artikels sprengen, die Ereignisse der Februar- und Oktoberrevolution im Jahr 1917 darzustellen, die gemeinhin als Russische Revolution bezeichnet werden (eine kompakte Übersicht ist hier abrufbar). Deshalb beschränken wir uns auf eine übersichtliche Darstellung des Wesentlichen.

Zu Beginn des Jahres 1917 war die Stimmung in Russland am Überkochen. Die militärische Lage war schlecht, die Moral der Soldaten nicht mehr vorhanden und die Menschen im Land und in den Städten litten an Hunger und Armut. Der Zar wurde gemeinhin als schwache Person wahrgenommen. Eine Revolution lag in der Luft und kulminierte sich in Petrograd, dem späteren Leningrad und heutigen Sankt Petersburg.

Am 23. Februar 1917 begann die Februarrevolution in Petrograd. Demonstrationszüge gegen die Lebensmittelknappheit und die Verhältnisse im Staat zogen tausende Menschen auf die Straße. Am 24. Februar begann ein Arbeiterstreik, dem sich 150.000 Menschen anschlossen. Anders als noch 1905 gingen die Kosaken nicht grausam dagegen vor – die Herrschenden konnten auch auf die Loyalität der Armee nicht mehr zählen. Die Proteste weiteten sich aus, wurden gewalttätig und Plünderungen geschahen. Verschiedene Gebäude der öffentlichen Verwaltung wurden in Brand gesteckt. Die Hoffnung, mit Hilfe von Armeeverbänden die Lage zu beruhigen, erwies sich als vergebens. Die Soldaten verbrüderten sich mit den Revolutionären. Der Zar selbst wollte nicht einsehen, dass in Petrograd eine Revolution ausgebrochen war.

Straßenkämpfe in Petrograd - ein erschreckendes Bild
Straßenkämpfe in Petrograd – ein erschreckendes Bild

In Petrograd gründete sich auch der Sowjet (= Rat) der Arbeiter- und Soldatendeputierten wieder, der bereits 1905 bestand. Auch ein Exekutivkomitee dieses Sowjets wurde gebildet. Auf der anderen Seite hatte sich – ohne Segen des Zaren – ein “Provisorisches Komitee der Duma-Abgeordneten zur Wiederherstellung der Ordnung” (Duma = Parlament) gebildet. Dieses Komitee wurde von Militärs als “Provisorische Regierung” bezeichnet.

Die hier schlicht geschilderten Geschehnisse kosteten vielen Menschen das Leben: Etwa 1.500 Todesopfer und 6.000 Verwundete waren Bilanz dieser Revolution. 

Der Zar war dieser Lage nicht mehr gewachsen. Auf Druck und Rat von Generälen, Adligen und Regierungsbeamten dankte er – entgegen den Vorstellungen seiner Berater zugunsten seines Bruders – ab. Ein Schritt, der im Volk nicht gut aufgefasst wurde, da dadurch die Kontinuität der Herrschaft der Romanows zementiert wurde.Kurze Zeit später dankte auch der Bruder des Zaren ab, um eine verfassungsgebende Versammlung zu erreichen. 

Russland stürzte nach dem Zusammenbruch der Romanow-Dynastie vollends ins Chaos. Die Revolution weitete sich auch auf die Armee im Felde aus. Es kam zu Meutereien und Desertionen – die militärische Lage war fatal. Die Provisorische Regierung, die die Verwaltung eigentlich bis zur Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung leiten sollte, war vom Exekutivkomitee des Sowjets abhängig. 

Zwischen dem Tod der alten und der Geburt der neuen Welt wird viel Wasser ins Meer fließen, eine lange Nacht von Chaos und Verwüstungen über uns hinweggehen.

Alexander Herzen, russischer Philosoph

Am 03. April 1917 erreichte der Führer der Bolschewiki Lenin von seinem Schweizer Exil aus Petrograd. Eine Ironie der Geschichte mag sein, dass ihm die Deutschen nach Russland verhalfen, um dieses zu schwächen. Ebenjene Deutsche, die unter Hitler in einem menschenfeindlichen Krieg den Bolschewismus ausrotten wollten. Lenin wollte die Macht an sich reißen, wobei man sich vor Augen führen muss, dass die Bolschewiki zum damaligen Zeitpunkt eine Minderheit waren. Allerdings waren sie straff organisiert und hatten ein klares, dieses Ziel.

Lenin und Stalin
Lenin und Stalin – die Führer der Bolschewiken

In den folgenden Monaten konnte die Provisorische Regierung unter Lwow und später Kerenski die Situation in Russland nicht befrieden, zumal Offensiven an der Front nicht zum erhofften Erfolg geführt hatten. Währenddessen nahm die Unterstützung der Bolschewiken, deren weitere maßgebliche Akteure Leo Trotzki und Josef Stalin waren, erheblich zu. Trotzki bereitete geschickt einen Staatsstreich vor, der am 25. Oktober 1917 begann, als Rotgardisten der Bolschewiki begannen, wichtige Gebäude zu besetzen. Weltweit bekannt ist die mythenhafte Erstürmung des Winterpalastes. Dieser Oktoberputsch hatte Erfolg und führte zur Übernahme der Macht durch den Rat der Volkskommissare, dem unter anderem Lenin, Trotzki und Stalin angehörten. 

Eine Revolte der Junker und viele weitere Aufstände gegen die bolschewistische Machtübernahme blieben allesamt erfolglos. Bei einer Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung im November 1917 konnten die Bolschewiki nur 25 % der Stimmen erreichen, wohingegen die in sich gespaltenen Sozialrevolutionäre 38 % erreichten. Die Kadettenpartei hatte ein beachtliches Ergebnis erreicht, die Menschewiki konnten dahingehend kaum Unterstützung erreichen. Doch Lenin war nicht gewillt, das Ergebnis zu akzeptieren und sabotierte die Verfassungsgebende Versammlung.

Die wesentlichen Akteure und Gruppierungen des Russischen Bürgerkrieg

Die Bolschewiki unter Lenin begannen im gesamten Land einen “Roten Terror”, als sie brutal und erbarmungslos gegen Adel, Bürgertum und andere „Konterrevolutionäre“ vorgingen. Insbesondere die bolschewistische Geheimpolizei “Tscheka” spielte dabei eine schreckliche Rolle. Gegen das Regime der Bolschewiki und den Klassenkampf formierten sich verschiedene Gruppen, die während der Revolution noch zurückhaltend gewesen waren. Dies führte letztlich zum Russischen Bürgerkrieg.

Die Weiße Armee

Der letzte Stabschef des Zaren General Alexejew sammelte Offiziere und Soldaten – zunächst aber nur mit mäßigem Erfolg. Ende Januar 1918 zählte sie nur etwa 3.000 Mann, die ebenso brutal wie die Bolschewiki gegen ihre Feinde vorgingen – mehrheitlich bestand sie aus ehemaligen Offizieren der zaristischen Armee. Im Juni hatten sich dieser Freiwilligenarmee, die als Keimzelle der Weißen Armee zu betrachten ist, etwa 9.000 Mann angeschlossen.

Es gab aber noch eine Vielzahl weiterer Gruppierungen, die sich der Weißen Armee anschlossen, ohne dass jedoch einheitliche Ziele und eine straffe Führung bestanden hätten. 

Wesentliche Akteure der Weißen waren General Krasnow, General Denikin als Oberbefehlshaber im Süden Russlands, Admiral Koltschak und General Wrangel. 

Die Vereinigten Staaten und Großbritannien unterstützen die Weißen. Auch japanische Soldaten waren im Kampf gegen die Bolschewiki beteiligt. Dahingegen stützten die Deutschen bis zu ihrer Niederlage im I. Weltkrieg die Bolschewiki, weil sie die erneute Öffnung einer Front in Russland fürchteten.

Die Rote Armee

In der Roten Garde waren die Kämpfer der Bolschewiki zusammengefasst. 1917 ging aus ihr die Rote Armee hervor, wobei Leo Trotzki für den Aufbau verantwortlich war und keine Hemmungen hatte, auf Militärspezialisten der verhassten zaristischen Armee zurückzugreifen. 

Da der freiwillige Zulauf unter den Erwartungen der bolschewistischen Führer zurückblieb, wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.

Der Verlauf des Russischen Bürgerkriegs

Den Verlauf des Krieges im flächenmäßig größten Staat der Welt nachzuzeichnen ist schwierig und kaum zu überblicken. Das “Kriegsglück” war wechselhaft. Entscheidende Bedeutung kam in dem Krieg der Eisenbahn zu, da nur mit ihrer Hilfe schnelle Truppenverlegungen möglich waren. 

Für die Bevölkerung war der Krieg eine Katastrophe - das Bild zeigt Straßenkinder in Petrograd
Für die Bevölkerung war der Krieg eine Katastrophe – das Bild zeigt Straßenkinder in Petrograd

Für die Bevölkerung war der Krieg eine Katastrophe. Der Hass der Kämpfer führte zu unvorstellbaren Grausamkeiten, das Land wurde geplündert und die Bodenreform der Bolschewiken führte zu einer Hungersnot. Das Land war nicht mehr in der Lage, seine Bevölkerung zu ernähren. 

Auch die Weißen gingen äußerst brutal gegen tatsächliche und angebliche Revolutionäre vor. Antisemitische Pogrome waren traurige und alltägliche Realität. Ende des Jahres 1919 kam es zu einem Wendepunkt in diesem Bürgerkrieg, der letztlich zur Niederlage der Weißen und der Festigung der kommunistischen Diktatur führte.

Eine Zahl verdeutlicht die Grausamkeit dieses Bürgerkriegs: Er kostete 12 Millionen Menschen das Leben.

Warum verloren die Weißen den Bürgerkrieg?

An erster Stelle ist hier die Unnachgiebigkeit der Weißen zu nennen, sich auf nötige Reformen in Russland einzulassen. Die Revolution hatte einen Grund, nämlich die fatalen Lebensverhältnisse der Menschen. Eine Bodenreform und mehr Gleichheit waren ohne Frage erforderlich. Auch war das russische Zarenreich nicht homogen. Es gab viele Gruppierungen, die nach Autonomie strebten. Das lehnten die Weißen aber rundherum und entschieden ab. Die von den Weißen eroberten und gehaltenen Gebiete wurden schlecht verwaltet – vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich die Bevölkerung nicht der Weißen Bewegung anschloss. 

Die Gruppierungen der Weißen waren folglich nicht kompatibel. Rechte Sozialrevolutionäre und Monarchisten konnten sich angesichts ihrer unterschiedlichen Ziele nicht gegen die Einheit der Kommunisten durchsetzen. 

Weitere Informationen und Leseempfehlungen

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