Volker Ullrich legt mit “Adolf Hitler – die Jahre des Untergangs” den zweiten Band seiner großen und herausragenden Hitler-Biographie vor. Nachdem der erste Band “Die Jahre des Aufstiegs: 1889 – 1939” den Weg Hitlers von einem einfachen Gefreiten im I. Weltkrieg zum Diktator des Deutschen Reiches nachzeichnete, widmet sich Ullrich im zweiten Band dem II. Weltkrieg und Hitlers Bedeutung und Rolle als Kriegsführer bis zu seinem Selbstmord im Bunker, als die Niederlage besiegelt war.

 

Adolf Hitler beim Staatsakt für Admiral von Trotha. Hinter dem Führer Grossadmiral Dr. h.c. Raeder, Generalfeldmarschall Keitel, Generalfeldmarschall Milch und Generaloberst Fromm. 15.10.40 Presse-Hoffmann 9216-40 Lizenz Bundesarchiv, Bild 183-1983-0210-507 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en
Adolf Hitler beim Staatsakt für Admiral von Trotha. Hinter ihm Grossadmiral Raeder, Generalfeldmarschall Keitel, Generalfeldmarschall Milch und Generaloberst Fromm. 15.10.40 Presse-Hoffmann 9216-40 – Lizenz Bundesarchiv, Bild 183-1983-0210-507 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)]

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Zeitgenössische Quellen bilden das Grundgerüst der Biographie

Volker Ullrich hat für seine Biographie zahllose Berichte ausgewertet. Die geheimen Lageberichte der SS (Meldungen aus dem Reich) ebenso wie zeitgenössische Quellen, darunter die Tagebücher des Hilter-Bewunderers und Propagandaministers Joseph Goebbels und die kritischen und weitsichtigen Kommentare des Schriftstellers und NS-Gegners Thomas Mann, bilden das Grundgerüst des Buches.

Spannend und erkenntnisreich ist, dass Ullrich auch “den einfachen Mann” zu Wort kommen lässt: So war Friedrich Kellner Justizinspektor und hielt in seinen Aufzeichnungen, die Ullrich in dem Buch verarbeitet, seine Gedanken zu den politischen und militärischen Entwicklungen in den Kriegsjahren fest. Anhand dieser Aufzeichnungen wird offenbar, dass auch der einfache Bürger Kenntnis von den Gräueln und Verbrechen des 3. Reiches haben konnte. Zeitzeugen, die dies noch lange nach Kriegsende abstritten, verschlossen sich der Wahrheit.

Dank dieser Quellen hat Volker Ullrich eine spannende und lehrreiche Biographie geschaffen. Das Werk, das die Frankfurter Allgemeine Zeitung als “ein meisterliches Buch” bezeichnet, geht sehr detailliert und einordnend auf die letzten sechs Lebensjahre des fanatischen Diktators ein.

 

Hilters wachsende Einflussnahme auf das Militär

Ein Schwerpunkt des Buches ist Hitlers militärisches Agieren. Mit Beginn des Krieges legte er seinen Soldatenrock an und schlüpfte – Schauspieler der er zeitlebens war – in die Rolle eines Feldherrn.

Dabei machte er im Verlauf der Kriegsjahre eine für das militärische Geschehen entscheidende Entwicklung durch: Anfangs zurückhaltend nahm Hitler immer größeren Einfluss auf die militärische Führung. Hitler hatte den Polen-Feldzug weitgehend der Generalität überlassen, im Krieg gegen Frankreich agierte er jedoch bereits offensiver. Er bestimmte – gegen den Willen der überwiegenden Wehrmachtsführung und den Plan von Erich von Manstein aufgreifend – dass die Hauptoffensive durch die Ardennen erfolgen sollte.

Nachdem Frankreich durch diesen so genannten Sichelschnittplan überraschend schnell niedergerungen werden konnte, war Hitler auf dem Zenit seines militärischen Erfolgs angelangt. Diese anfänglichen militärischen Erfolge führten zu einem Nimbus Hilters der Unfehlbarkeit und Unbesiegbarkeit. Hochdekorierte Generäle ergingen sich in Begeisterungsstürmen und gaben sich gegenüber Hitler unterwürfig. Kritische Stimmen wurden kaum mehr erhoben – und jene, die tatsächlich auf einer anderen Meinung bestanden, wurden schnell aus der Verantwortung entlassen.

 

„Wir haben sowieso so viel auf dem Kerbholz, dass wir siegen müssen, weil sonst unser ganzes Volk, wir an der Spitze mit allem, was uns lieb ist, ausradiert würde.“

Hitlers Rechtfertigung für den Krieg gegen die Sowjetunion ist der pure Ausfluss an Zynismus und Menschenverachtung

 

In diese Situation fasste Hitler sein nächstes Angriffsziel ins Auge: Die Sowjetunion. Dabei konnte er sich der Zustimmung und der Willfährigkeit seiner Generalität sicher sein – diese Haltung resultierte aus einer rassistisch begründeten Geringschätzung der slawischen Völker ebenso wie aus den Erfolgen gegen Frankreich und Polen. Es bestand eine Gemengelage, die zu einem in der Menschheitsgeschichte bis dahin nicht denkbaren und unfassbaren Vernichtungsfeldzug führte. Als am 22. Juni 1941 mehr als drei Millionen deutsche Soldaten Russland angriffen, brachten sie systematisches Verderben mit sich.

Nachdem trotz anfänglicher rascher Erfolge Russland nicht bezwungen werden konnte und sich die militärische Lage gegen Deutschland wandte, veränderte sich der Diktator grundlegend: Der omnipräsente und die Massen begeisternde Führer, zog sich fast vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. Öffentliche Auftritte absolvierte er nur wenige. Mit der immer deutlicher offenbar werdenden unausweichlichen Niederlage umgab er sich nur noch mit wenigen Getreuen und verachtete zunehmend die Wehrmachtsführung. Seine Paranoia steigerte sich immer weiter. Militärische Entscheidungen riss er an sich und wollte von jeder noch so unbedeutenden Truppenbewegung informiert werden.

 

Ein lehrreiches und wichtiges Buch

Adolf Hitler, einer der größten Verbrecher an der Menschheit, ist wohl eine der am besten erforschten Persönlichkeiten der Geschichte. Braucht es noch eine Hitler-Biographie? In diesem Fall heißt die Antwort mit Bestimmtheit „Ja“. Volker Ullrich, der für die „Zeit“ schrieb und Mitherausgeber des Magazins „Zeit-Geschichte“ ist, hat mit dem zweiten Teil seiner Hitler-Biographie ein packendes Buch geschrieben, das versucht, Mythen um Hitler zu entlarven und seine Bedeutung einzuordnen.

Hitler umgab sich mit willfährigen Helfern, die seine Befehle beflissentlich ausführten und seinen Willen teils vorausahnten. Er gab aber stets die entscheidenden Impulse und handelte mit großer Menschenverachtung und einem unerhörten Maß an Zynismus. Ullrich entlarvt Rechtfertigungen und Beschönigungen, die nach dem Krieg oftmals entschuldigend angeführt wurden, und benennt klar die gesellschaftliche und politische Realität im 3. Reich.

In dieser Klarheit ist das Buch auch ein mahnendes Beispiel, wie staatlich legitimiert und verordnet Verbrechen an der Menschlichkeit begangen wurden und sich die Handelnden dem wohl bewusst waren.

Durch die Einarbeitung von Zitaten und zeitgenössischen Quellen und Berichten ist dem Autor ein sehr fundiertes, lehrreiches und wichtiges Werk gelungen.

 

Weitere Informationen

Das Buch Volker Ullrich: Adolf Hitler. Die Jahre des Untergangs 1939-1945. Biographie, Band 2 ist im S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main erschienen. Es hat 896 Seiten und ist im Fachhandel für 32 Euro erhältlich. Sie können das Werk bei Amazon kaufen (durch einen Kauf über diesen Link erhält Geschichte-Wissen eine anteilige Provision). Die ISBN des Buches ist 978-3-10-397280-1.

 

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