By CDU [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons
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Am 17. Juni 1945 traf sich ein etwa 30-köpfiger Kreis von Männern und Frauen in Berlin, der letztlich zum Gründungsasschuss der CDU wurde. Der Ausschuss setzte sich fast ausschließlich aus Politikern der Weimarer Republik zusammen – 17 Mitglieder kamen aus der ehemaligen Zentrumspartei, 6 aus der ehemaligen liberalen DDP und 12 aus dem protestantisch-konservativen Lager. Am 22. Juni 1945 wurde das Parteiprogramm der Partei beschlossen, wobei der Name der Partei zunächst strittig blieb – es waren verschiedene Namensvorschläge im Gespräch, wie „Aufbau Partei“, „Christliche Volkspartei“, „Soziale Volkspartei“, „Deutsche Erneuerung“ oder auch „Neues Deutschland“. Letztlich einigte man sich auf den Namen „Demokratische Union Deutschlands“, dem aufgrund weiterer Vorschläge der Zusatz „Christlich“ vorangestellt wurde. Erster Vorsitzender der Partei wurde am 26. Juni Andreas Hermes. Die Lizenzierung der CDU durch die SMAD erfolgte am 10. Juli 1945 erst, nachdem Hermes die „Mitarbeit“ im „Block“ zugesagt hatte.

Der Gründungsaufruf der CDU war zwar gesamtdeutsch ausgelegt, jedoch bildeten sich in den Landkreisen der westdeutschen Besatzungszonen eigene Gruppierungen, die sich oft erst später auf den Namen CDU einigten und faktisch nie einer gemeinsamen Parteiführung unterstanden. Andererseits betrachteten sich einige CDU-Abgeordnete der ersten provisorischen Volkskammer noch nach der Gründung der DDR als Bestandteil einer gesamtdeutschen Organisation.

Der erste CDU-Vorsitzende Andreas Hermes sah für seine Partei einen Anspruch als überkonfessionelle Volkspartei. So scheute er sich nicht, bereits auf der ersten Sitzung des gemeinsamen Block-Ausschusses am 14. Juli 1945 Kritik an der Blockpolitik zu üben. Offen sprach er von seinem Auftrag, gegen die Bezeichnung „Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ Einspruch zu erheben, da er und seine Freunde darin eine zu feste Bindung sehen würden, welche im Widerspruch zur Errichtung einer parlamentarischen Demokratie stünde. Der Begriff „Block“ wurde daraufhin auf dem Papier durch die Bezeichnung „Einheitsfront“ erstetzt. Auch sprach sich Hermes für einen Strukturwandel, aber gegen generelle entschädigungslose Enteignungen aus – statt dessen für Einzelfallprüfungen. In einem Interview der „Täglichen Rundschau“ äußerte sich Hermes zur Block-Politik:

„Es würde ein Missverstehen der Demokratie bedeuten, wenn eine solche Zusammenarbeit die uneingeschänkte Vertretung der abweichenden Meinungen der einzelnen Parteien einschränken oder gar unmöglich machen würde. In einem solchen Falle wäre die Einheitsfront nur eine Tarnung, um einer bestimmten Richtung die Vorherrschaft zu sichern. Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Christlich-Demokratischen Union können durch die Arbeit im Rahmen der Einheitsfront nicht beeinträchtigt werden. Sie sind Prüfstein und Begrenzung der Einheitsfront.“

Dennoch schränkten die Regeln des Blocks bzw. der „Einheitsfront“ die Entfaltungsmöglichkeiten der Blockparteien erheblich ein. Sie waren beispielsweise nicht in der Position, etwas gegen die Bodenreform selbst und gegen die Art und Weise der Durchführung der Bodenreform zu tun, obwohl der stellvertretende CDU-Vorsitzende Walther Schreiber – der frühere preußische Handelsminister – im Sommer 1945 eine von der SMAD und KPD abweichende Regelung vorschlug. SMAD-Kommandeur drohte hingegen, er könne Parteien, die ihm nicht gefielen, auch liqudieren – dies wolle er jedoch nicht.

Dennoch arbeitete Schreiber eine Resolution aus, die sich – wenn auch nicht gegen die Bodenreform selbst – gegen die Art und Weise der Durchführung der Bodenreform und insbesondere gegen den von der KPD eingereichten Entschießungsantrag richtete. Sie lautete:

„Tausende von politisch völlig unbelasteten Familien, selbst schärfste Gegner des Nazisystems und anerkannte Opfer des Faschismus sind unter Anwendung faschistischer Methoden von Heim und Herd vertrieben, ohne jedes Recht aus ihrer Heimat ausgewiesen, ihrer Freiheit und nicht nur ihres gesamten Landbesitzes, sondern auch ihrer gesamten persönlichen Habe beraubt worden.“

 

Trotz versuchter Einflussnahme des SMAD auf Hermes kam im Block in dieser Frage kein einstimmiger Beschluss zustande – die Unterschriften der CDU fehlten. Im Dezember 1945 wurden der CDU-Vorsitzende Andreas Hermes und Schreiber vom SMAD aufgrund ihrer Kritik an der Bodenreform abgesetzt und gleichzeitig der Druck auf die CDU-Basis in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) erhöht. Als Nachfolger wurden am 4. Januar 1946 mit Jakob Kaiser als Vorsitzender und Ernst Lemmer als 1. Stellvertreter zwei Gewerkschaftsfunktionäre von der SMAD eingesetzt. In diesem Zusammenhang begann die KPD, bei der CDU öffentlich in einen „reaktionären“ und einen „forschrittlichen“ Flügel zu differenzieren. Die neue CDU-Spitze begann, sich von der westdeutschen CDU abzugrenzen und eine Ost-CDU bzw. eine „CDU Mitteldeutschlands“ zu etablieren, die einen „Christlichen Sozialismus“ zum Parteiprogramm machen wollte. Zudem sehe man sowohl die Partei, wie auch Gesamtdeutschland als eine Brücke zwischen Ost und West.

So begann ab 1946 auch die Ost-CDU die Bodenreform zu unterstützen. Auf ihrem ersten Parteitag vom 15. – 17. Juni 1946 bezeichneten CDU-Delegierte die Bodenreform als einen „historischen Akt zur Sicherung der Demokratie“.

 

Versuche zur Schaffung einer gesamtdeutschen CDU

Noch kurz vor der Absetzung von Hermes als Parteivorsitzender, versuchte dieser die CDU zonenübergreifend zu einigen. Aus diesem Grund fand auf Anregung von Hermes in Bad Godesberg vom 14. bis 16. Dezember 1945 das erste gesamtdeutsche Treffen verschiedener christlich-demokratischer Gründergruppen statt. Auch über 100 westdeutsche CDU-Politiker nahmen daran teil. Mit Ausnahme der bayerischen Delegierten einigte man sich auf den von den Berliner Gründern empfohlenen Parteinamen „Christlich-Demokratiche Union Deutschlands (CDU)“ und richtete einen „Zonenverbindungsausschuss“ ein, der später unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU“ einige Jahre später in Frankfurt/Main als zonenübergreifender, aber wirkungsloser Parteivorstand arbeitete.

 

Einfluss der CDU in der SBZ

Parallel zur Absetzung von Hermes durch die SMAD fand am 18. Dezember 1945 die erste Vorbereitung zur Entwicklung einer „sozialistischen“ Programmatik beim Berliner Parteivorstand statt, bei der die Bezeichnung „christlicher Sozialismus“ favorisiert wurde. Aufgrund dieser politischen Orientierung stimmte die CDU unter ihrem neuen Parteivorsitzenden Kaiser der

Enteignung und Sozialisierung der Industrie Sachsens im Juni 1946 zu. Lediglich die Liste der zu enteignenden Betriebe wurde von der CDU und LDP noch gekürzt. Doch auch aufgrund der Zustimmung der CDU stimmten über 77 % der wahlberechtigten Bürger der Enteignung in einem Volksentscheid im Herbst 1946 zu.

Im Herbst 1946 kam es in der SBZ zu Wahlen nach Verhältniswahlrecht und mit konkrrierenden Parteienlisten – so im September Kommunal- und Gemeindewahlen und im Oktober Kreis- und Landtagswahlen. Dabei kam es jedoch einerseits zu massiven Behinderungen der bügerlichen Parteien durch die SMAD, andererseits gab es aber auch keine Wahlempfehlung der Evangischen Kirche. Dennoch kamen die bürgerlichen Parteien CDU und LDP in zwei von fünf Landtagen zusammen zu einer Mehrheit der Sitze. Nach der Ansicht von Historikern wäre ein solcher Erfolg unter Hermes und Schreiber unwahrscheinlich gewesen. Unter Kaiser und Lemmer wurde die

Ost-CDU in der Bevölkerung nun als stärkste Kraft „gegen“ die SED angesehen, was sich in der Mitgliederzahl von 218.000 Ende 1947 widerspiegelte – dem höchsten Stand ihrer Geschichte. Als Reaktion auf den Wahlerfolg forderte Walter Ulbricht (SED) eine stärkere Einbeziehung von SED-gesteuerten Massenoganisationen in die Blockpolitik, um den Einfluss der bürgerlichen Parteien zurückzudrängen.

 

Spaltung der Partei

Das Jahr 1947 war für die CDU durch innerparteiliche Spannungen und durch Spannungen zum SMAD geprägt. So trat zunehmend der innerparteiliche Streit der Parteiführung unter Jakob Kaiser und des CDU-Vorsitzenden der britischen Besatzungszone, Konrad Adenauer zutage, der dadurch gekennzeichnet war, dass Kaiser eine gesamtdeutsche Lösung unter außenpolitisch neutraler

Grundlage anstrebte, Adenauer jedoch für die Westintegration der westlichen Besatzungszonen eintrat, was die faktische Spaltung Deutschlands bedeutete.

In dieser Situation kam es zudem am 12. Juli 1947 zum vorläufigen Bruch zwischen Kaiser und der SMAD, als der CDU-Vorsitzende auf einer Sitzung des erweiterten Parteivorstandes die Zusammenarbeit im Block infrage stellte. Die SMAD verbot den Abdruck der Kaiser-Rede und versuchte, CDU-Funktionäre gegen ihn zu mobilisieren. Die CDU-Führung reagierte darauf mit dem Boykott von Veranstaltungen des Blocks anlässlich des 30. Jahrestages der Oktoberrevolution in Russland.

Auf dem 2. Parteitag der CDU im September 1947 unterstützte Kaiser zudem das Selbstverständnis der CDU als „Wellenbrecher des dogmatischen Marxismus“, was dazu führte, dass die SMAD die Wiederwahl von Kaiser und Lemmer zu verhindern versuchte. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der CDU.

Trotz der nun verstärkt einsetzenden Repressionen der SMAD stellte sich die CDU-Führung zunächst weiterhin gegen die SED, die am 26. November 1947 zur Einberufung eines deutschen Volkskongresses aufrief, was die CDU-Führung ablehnte. Am 19. Dezember 1947 erzwang die SMAD schließlich den Rücktritt von Kaiser und Lemmer und übertrug die kommissarische Parteiführung noch am selben Tag den sechs ostdeutschen CDU-Landesvorsitzenden. Im Januar 1948 erhielt Kaiser zudem Redeverbot für die SBZ – Lemmer hingegen wurde etwa zur gleichen Zeit ohne Einspruch des SMAD zum Vizepräsidenten des Kulturbundes gewählt.

Die Repressionen der SMAD führte dazu, dass auch die Mehrheit des CDU-Hauptvorstandes die SBZ verließ und in den Westsektoren Berlins das sogenannte „Büro Jakob Kaiser“ gründeten. Diese Gruppe wurde am 21. September 1948 von der CDU/CSU als die demokratisch legitimierte Vertretung in der SBZ anerkannt und am 24./25. September wurde die Exil-CDU in Berlin gegründet.

In der West-CDU setzte sich nunmehr Konrad Adenauer als Vorsitzender durch, der die Partei zu einer westdeutschen Regierungspartei formte.

In der SBZ hingegen trat mit Otto Nuschke ein treuer Blockpolitiker hervor, zu dessen Ost-CDU die West-CDU im Herbst 1948 den Kontakt abbrach.

 

Die Ost-CDU als Blockpartei

Die West-CDU erkannte die Ost-CDU seit dem Herbst 1948 nicht mehr als ihre Schwesterpartei an – deren Mitglieder wurden von den West-Mitgliedern gar abwertend „Nuschkoten“ genannt – in Anlehnung an die abwertende Bezeichnung „Muschkoten“ für die einfachen sowjetischen Soldaten. Daraus wird deutlich, wie es ihrer Meinung nach um die Unabhängigkeit der Ost-Partei bestellt war – nicht grundlos.

Tatsächlich setzte spätestens nach dem Parteitag im September 1948 eine verschärfte Verfolgung von CDU-Mitgliedern in der Ost-CDU ein, wodurch die Partei in der SBZ/DDR bis 1950 ein Viertel ihrer Mitglieder verlor – durch Verhaftungen oder Flucht in den Westen.

 

Otto Nuschke war in der Weimarer Republik Gründungsmitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und wurde 1919 zunächst Mitglied der Nationalversammlung, wo er an der Erarbeitung der Weimarer Verfassung beteiligt war, und wurde später Abgeordneter des preußischen Landtages. 1933 zog er sich auf seinen Besitz in der Nähe Berlins zurück. 1944 sollte Nuschke nach dem möglichen Gelingen des Attentats auf Hitler am 20. Juli eine Funktion als Verantwortlicher des Rundfunks im Deutschen Reich erhalten, musste nach dem Scheitern aber untertauchen.

Nach dem Krieg war Nuschke einer der 34 Unterzeichner des Gründungsaufrufs der CDU und der einzige von ihnen, der nicht aufgrund der Repressalien des SMAD in den Westen ging. Er wurde 1945 zudem Verlagsleiter der „Neuen Zeit“. Für seine Partei saß Nuschke in den Landtagen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Nach der Absetzung von Kaiser durch die SMAD übernahm Otto Nuschke im September 1948 den Parteivorsitz der Ost-CDU.

 

Während der westdeutsche Bundestag demokratisch gewählt war, wurden die ersten Mitglieder der DDR-Volkskammer aus der inzwischen etablierten Volkskongressbewegung delegiert. Zum Streit innerhalb der Ost-CDU kam es 1949 zum einen über die wiederholte Verschiebung von Wahlen und zum anderen um die Aufstellung von Wahl-Einheitslisten, die nach den Wahlen von 1946 in der DDR obligatorisch wurden. Der sächsische CDU-Vorsitzende Hugo Hickmann schlug auf einer Sitzung am 5. Oktober 1949 noch vor, die provisorische Volkskammer aus den halb-demokratisch gewählten Landtagen zu bilden und sofort auch die Termine für die nächsten Landtagswahlen festzulegen.

Diese Diskussionen fanden trotz angelaufenen Maßnahmen zur Gleichschaltung der Blockparteien statt. Selbst die handverlesenen Blockparteifunktionäre waren vom Misstrauen der SED betroffen. Der SED-Vorsitzende und Ministerpräsident der ersten provisorischen Regierung, Otto Grotewohl, erklärte am 9. Oktober 1949 vor dem SED-Parteivorstand, er sei während der Gespräche über die Kabinettsbildung mit den „Bürgern“ (gemeint waren die Vorsitzenden der bürgerlichen Parteien) von tiefstem Ekel erfasst worden – insbesondere wegen ihrer Vorstellungen von Postenübernahmen durch die bürgerlichen Parteien.

Otto Nuschke selbst wurde stellvertretender Ministerpräsident in der provisorischen DDR-Regierung. Aber auch von der Parteibasis wurde gegen die Parteiführung, die mit dem Emblem der „Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ auftrat, Misstrauensanträge gestellt.

 

Letztlich waren die Querelen um die Wahlen zur Volkskammer oder Zusammensetzung der DDR-Regierung nur marginal. Die neu gebildeten Ministerien wurden ohnehin von sowjetischen Kommissaren kontrolliert, und auch die SED und die von ihr beherrschten „Massenorganisationen“ spielten ihre Machtposition voll aus, was jegliche Opposition unmöglich machte. So erschien aufgrund des anhaltenden Widerstandes der CDU gegen die Einheitslisten der damalige FDJ-Vorsitzende Erich Honecker (SED) beim neuen CDU-Generalsekretär und drohte ihm mit der Auflösung der Ost-CDU bei einer weiteren Verweigerungshaltung.

 

Gleichschaltung der Ost-CDU

Die Gleichschaltung gerade der beiden älteren Blockparteien CDU und LDP war für diese ein besonders schmerzhafter Prozess. Sie war ständig begleitet von Parteiausschlüssen, willkürlichen Verhaftungen bzw. Verschleppungen und Verurteilungen besonders kritischer Mitglieder, verschiedene verschwanden spurlos oder starben während der Haft – einigen gelang auch die Flucht in den Westen.

Heutige Historiker gehen davon aus, dass diese Gleichschaltung auch der Ost-CDU im Spätsommer 1950 im wesentlichen abgeschlossen war. Ein Nichtzulassen dieser Gleichschaltung hätte – wie im vorherigen Kapitel beschrieben – ein Verbot der Partei zur Folge gehabt, hätte sie sich dem in ihrer Gesamtheit widersetzt.

Beispielhaft ist hier der sächsische CDU-Vorsitzende, Hugo Hickmann zu nennen, der im Zuge der Ende November 1949 von der SED gestarteten „Säuberung der Blockparteien“ von Kritikern am 30. Januar 1950 erst als Landesvorsitzender gestürzt und im Sommer desselben Jahres gar aus der Partei ausgeschlossen wurde. Zuvor hatten SED-Gruppen am 23. Januar die CDU-Landesgeschäftsstelle gestürmt, mit Parolen, wie: „Hängt sie auf, die Sau!“.

Auch weitere Beispiele für den inhumanen Umgang mit Regimekritikern ist dokumentiert. So wurde der frühere Staatssekretär im preußischen Finanzministerium, Frank Schleusener – Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion Brandenburg – in Potsdam am 30.3.1950 verhaftet und am 3.4.1950 in der Haft „tot aufgefunden“; Musikdirektor Ludwig Baues, CDU-Ortsgruppenvorsitzender in Potsdam, am 29.3.1950 verhaftet und in der Haft in Cottbus verstorben; Pfarrer Reinhard Guettner, Fürstenberg (Oder), im Aug. 1950 verhaftet und in der Haft verstorben; Walter Kolberg, Bäckermeister in Wolgast, CDU-Kreisvorstandsmitglied Greifswald, am 20.9.1950 verhaftet und in Workuta verstorben; Werner Ihmels, Leipzig, JU, verhaftet und in der Haft verstorben; R. Walter Möhring, früher Inhaber der bekannten Glockengießerei Apolda, in Workuta verstorben.

Insgesamt wurden in den Jahren 1948-50 mindestens 597 CDU-Mitglieder wegen Auseinandersetzungen innerhalb der (Ost-)CDU inhaftiert und vielfach verschleppt – viele von ihnen verloren während der Haft oder Verschleppung das Leben. Auf die Neubesetzung von Parteifunktionen und Staatsämtern nahm die SED massiv Einfluss. Zudem wurden zahlreiche Funktionäre vom MfS vor die Alternative gestellt, in Zukunft entweder als Spitzel zu arbeiten oder abgesetzt und verhaftet zu werden. Denunziationen, persönliche Angriffe, aber auch physische Gewalt war seit dieser Zeit in der ganzen DDR an der Tagesordnung.

Das aggressive Vorgehen der SED trieb viele Mitglieder der Blockparteien – so auch der CDU – in die Flucht. Im Februar 1950 flohen innerhalb von zwei Wochen 128 führende Mitglieder der Ost-CDU nach West-Berlin, darunter neben drei Ministern auch zahlreiche Kommunalvertreter. In einigen Parlamenten ging die 1946 errungene CDU/LDP-Mehrheit verloren, weil die „Nachrücker“ nicht mehr ausreichten. Tausende von Mitgliedern traten landesweit aus der CDU aus. Hatte die Ost-CDU im Dezember 1947 noch 218.000 Mitglieder (Höchststand), waren es in den 1960er Jahren nur noch 70.000.

Ab dem 28. Januar 1950 verlangte die Parteiführung der Ost-CDU von allen Funktionären und auch einfachen Mitgliedern ein Bekenntnis zur DDR und forderte von ihnen zudem die aktive Mitwirkung in der „Nationalen Front“ sowie die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und eine Absage an die Politik Konrad Adenauers. Nach einem Gespräch mit Staatspräsident Wilhelm Pieck (SED) am 15. März 1950 im Schloss Niederschönhausen gab Otto Nuschke seine Verweigerungshaltung auf und stimmte der Aufstellung von Einheitslisten für die Herbstwahlen 1950 zu. Nach Ansicht des Historikers Christian Schwießelmann unterstützte die CDU-Führung durch die Einforderung von Achtsamkeit gegenüber Störungen und Bedrohungen des Staatswesens indirekt sogar auch die Arbeit des Ministeriums der Staatssicherheit.

 

Gerald Götting war 1948 anhaltinischer Jugenddelegierter, SMAD-loyal und vom weltweiten Sieg des Sozialismus überzeugt. Er bekam als Jugendvertreter auf dem Parteitag einen Sitz im Hauptvorstand. 1950 wurde Götting Generalsekretär der Ost-CDU, unter dem die Partei straffer und zentralistischer geführt wurde. Die operative Macht hatten nun die Sekretäre, während die Parteivorstände zu Akklamationsorganen degradiert wurden. Zudem wurde die Umklammerung der Blockparteien und Massenorganisationen durch die SED immer enger. Ein SED-Politbürobeschluss bestimmte am 15. Januar 1952, dass anstelle des Blocks eine neu geschaffene SED-Zentralkommiteeabteilung für leitende Organe der Parteien und Massenorganisationen die ideologische und praktische Führung der Blockparteien anleitete. Die CDU-Führung gab diesen Druck an die Mitglieder der Parteibasis weiter, indem diese den von der SED beherrschten Massenorganisationen beitraten.

Schon in Oktober 1951 sorgte Götting mit seinen Meißener „Thesen vom christlichen Realismus“ für eine sozialistischere Programmatik. So hieß es darin:

„Die Gestaltung einer neuen Gesellschaftsordnung, die auf dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit ruht, ist ein Beginnen, in dem mitzuwirken wir uns als Christen im Gewissen verpflichtet fühlen. Die Christlich-Demokratische Union hat sich aus christlicher Verantwortung zur sozialistischen Neuordnung der Gesellschaft bekannt.“ Diese Thesen verabschiedete die Ost-CDU auf ihrem Parteitag im Oktober 1952 als Ersatzprogramm, wurden zwei Jahre später aber wieder fallengelassen. Ebenfalls auf dem Parteitag wurde beschlossen, die christlichen Mitbürger über das „Wesen der sozialistischen Ordnung unermüdlich aufzuklären, die friedliebenden Christen zu sammeln und sie an die Mitarbeit in der Verwirklichung der Ziele des sozialistischen Aufbaus heranzuführen. So ist sie [die Ost-CDU] die führende, anleitende und helfende Kraft der christlichen Bevölkerung.“

 

Bereits hier wurde offensichtlich, dass die Ost-CDU neben der Positionierung als „kleinbürgerliche Partei“ auch die Aufgabe übernahm, insbesondere die religiösen Bevölkerungsteile im Sinne des SED-Staates zu indoktrinieren. Entgegen dieser Positionierung war die tatsächliche Zusammensetzung der Ost-CDU keineswegs überwiegend „kleinbürgerlich“, bestand sie doch 1951 zu etwa 30% aus Arbeitern und zu etwa 25% aus Angestellten. Der „kleinbügerliche“ Anteil war mit etwa 15% eher gering.

Dagegen wurde der Partei die Zuständigkeit in kirchlichen Fragen zunehmend abgenommen. Zwar wurde Otto Nuschke als einem von drei stellvertretenden Ministerpräsidenten bereits im Jahre 1950 die neu geschaffene staatliche Hauptabteilung Verbindung zu den Kirchen unterstellt, jedoch ordnete das SED-Politbüro am 3. Juni 1952 an, dass alle relevanten Kirchenfragen in Zukunft dem SED-Politbüro zur Entscheidung vorzulegen waren. Nach einer willkürlichen Verhaftung des CDU-Außenministers Georg Dertinger am 15. Januar 1953 war die Ost-CDU in der Folge immer weniger bereit, sich für kirchliche Belange einzusetzen – sie beteiligte sich sogar am Kampf gegen kirchliche Einrichtungen und die „Junge Gemeinde“ unter dem Vorwandt der „Sicherung des Friedens“ und des „Missbrauchs christlicher Menschen und Institutionen für feindliche Zwecke“. Nach der Beendigung der Verfolgung der „Jungen Gemeinde“ im Laufe des Jahres 1953, führte die SED im Jahr darauf die Jugendweihe ein.

Auch im Zusammenhang mit dem DDR-weiten Aufstand am 17. Juni 1953 zeigte sich die Ost-CDU loyal zur SED und der Hauptvorstand erklärte am 18. Juni 1953, dass durch die rasche „Unterstützung der Sowjetunion die Angriffe der faschistischen Provokateure“ zusammengebrochen seien. Die CDU-Führung beeilte sich und schickte zudem noch am selben Tag ein Telegramm an den DDR-Ministerpräsidenten, in dem die Treue der CDU zur DDR zugesichert wurde. Trotz dieser Erklärung und der darauf folgenden parteiinternen Untersuchung der Parteibasis bezüglich der Ereignisse des 17. Juni beschloss das MfS Mitte August 1953 per Dienstanweisung, die CDU und die LDPD wegen der „in einigen Bezirken entwickelter Untergrundbewegungen“ verstärkt zu beabrbeiten. Nuschke und Götting fürchteten aufgrund der Ereignisse um Ihre Position, wurden von der SED aber nicht fallengelassen.

 

Trotz der Gleichschaltung der Ost-CDU gab noch es einen Punkt, an dem Nuschke bis an sein Lebensende entgegen der SED-Doktrin festhielt. So gab die SED im Februar 1957 sämtliche Losungen für die Einheit Deutschlands auf – nicht aber Nuschke.

Bis zum Jahre 1952/53 hatte die Wiedervereinigungspolitik im Zuge der Stalinnoten eine besondere Bedeutung für die Ost-CDU, denn in diesem Fall wäre dieser Partei in der gesamtdeutschen Politik eine besondere Rolle zugefallen. So intensivierte bzw. reaktivierte die Partei ihre Kontakte zur West-CDU Adenauers und zur Exil-CDU in West-Berlin, um auf diese im Sinne der Einheit bei gleichzeitiger Neutralisierung Deutschlands hinzuwirken. Insbesondere die Westanbindung der Bundesrepublik sollte dabei verhindert werden. Diese Aktivitäten wurden von Generalsekretär Dertinger geleitet. Das Scheitern der Deutschland-Politik Stalins führte zur Verhaftung des DDR-Außenministers Dertinger (CDU), zu Schauprozessen weiterer CDU-Mitglieder und zur endgültigen Unterordnung der Ost-CDU unter die SED-Herrschaft. Sie wurde, genau wie übrigen Blockparteien, zu einer prokommunistischen, zentralistischen Kaderpartei. Die Einmischung der SED in innerparteiliche Angelegenheiten der CDU ging soweit, dass die Zahl der Arbeiter in der Blockpartei zahlenmäßig begrenzt wurde, um sich selbst die Positionierung als „Partei der Arbeiterklasse“ zu sichern. So behielt sich die SED die letzte Entscheidung über alle Aufnahmeanträge in der Ost-CDU vor.

Otto Nuschke starb am 27. Dezember 1957 und war bis zum Beginn der Friedlichen Revolution 1989/90 der letzte Parteichef der Ost-CDU, der die deutsche Einheit als politisches Ziel verfolgte.

 

Autor: Gilbert Jacoby

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