Die große Kolonisation

Zwei Phänomene bestimmen das archaische Zeitalter; die Entstehung und allmähliche Entwicklung der Polis als der charakteristischen griechischen Gesellschaftsform, und die enorme Verbreitung des Griechentums im Laufe zweier Jahrhunderte vom Südostrand des Schwarzen Meeres bis fast zum Atlantik.« (Finley Früh S.101)
Apoikia nannten die Griechen ihre Außensiedlungen, bei denen man von Kolonien im späteren römischen Sinne nicht sprechen kann. Denn eine Apoikia war als eigenständige Gemeinde gedacht, mit der Mutterstadt (Metropolis) zwar im Kult verbunden, was sich darin äußerte, dass man die Herdflamme vom Staatsherd der Mutterstadt mitnahm. Oft wurden auch Güter getauscht, doch eine rechtliche Bindung oder gar Abhängigkeit bestand nicht.
Begonnen hatte die Epoche, die man die Große Kolonisation nennt und von ungefähr 750 v.Chr. bis etwa 530 v.Chr. dauerte, mit Siedlern aus Euböa. Die Städte Chalkis und Eretria, Hauptorte dieses Gebiets, segelten gemeinsam nach Westen nach dem heutigen Ischia im Golf von Neapel, das sie Pithekussai nannten, die Siedlung legten sie auf einer unbewohnten Landzunge an. Die ersten Funde datieren schon um 775, so dass man davon ausgeht, dass Pithekussai zunächst als Umschlagsplatz für den Handel von Eisenerz gegründet worden war. Bald jedoch wurde es den Siedlern auf Pithekussai zu eng, so setzten sie auf das Festland über, wo sie Kyme (Cumae) anlegten, dies muss kurz vor 750 erfolgt sein und so gilt Kyme als die früheste echte Kolonie der Griechen. Neben den ionischen Chalkis und Eretria hat sich auch das dorische Korinth früh als Siedlungsgründerin betätigt: Um 734 gründete es Syrakus im Westen, dann besetzte es Korfu (Kerkyra), auch nach Osten ging man und legte die Poseidonstadt Poteidaia an. Schon bald begann eine „Enkelbewegung“ von solchen Tochterstädten in Süditalien, die ihrerseits expandierten und oftmals zusammen mit griechischen Städten weitere Siedlungen anlegten.
Doch nicht nur das westliche Mittelmeer wurde von Griechen bevölkert, auch die nördlichen und nordöstlichen Küstenstreifen der Ägäis erweckten die Begehrlichkeiten der Poleis. Chalkis, weiterhin unermüdlich im Kolonisationsfieber, besiedelte die große Halbinsel Thrakiens mit ihren drei charakteristischen Landzungen, die sich dann Chalkidike nannte. Weiter östlich zum Schwarzen Meer hin wandete sich vor allem Megara, zusammen mit dem ebenfalls sehr rührigen Milet auf der kleinasiatischen Küste, selbst eine Siedlung aus den Tagen der ionischen Wanderung, sicherte es die Südküste des Schwarzen Meers, das Pontosgebiet. Über 80 Kolonien soll auf das Konto von Milet gehen, heißt es, wobei sich Auswanderer aus den verschiedensten Ägäisinseln, vor allem Rhodos und Chios, an diese Expedition anschlossen und die Pflanzstädte bevölkerten – Milet selbst hätte die Masse an Menschen gar nicht aufbringen können.
Die Kolonisationswut machte weder in Sizilien noch am Schwarzen Meer Halt, man erschloss auch weiter entfernt liegende Gegenden im heutigen Südfrankreich, wobei vor allem Massilia (Marseille), Nikaia (Nizza) und Antipolis (Antiobe) Erwähnung verdienen. Bis nach Emporion (Ampurias) an der Costa Brava drangen die Hellenen vor, sogar jenseits der Straße von Gibraltar, welche die Antike die „Säulen des Herakles“ nannte, erbaute man eine Stadt (Tartessos). 

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