Die Reichsflotte vor Bremerhaven mit den Schiffen: Deutschland, Hamburg, Bremen, Lübeck, Barbarossa, Ernst August, Hansa.
Die Reichsflotte vor Bremerhaven mit den Schiffen: Deutschland, Hamburg, Bremen, Lübeck, Barbarossa, Ernst August, Hansa.

Der 14. Juni 1848 gilt als Geburtstag der ersten Deutschen Marine. Die Frankfurter Pauls-Kirchenversammlung beschloss die Gründung einer deutschen Flotte. Zu diesem Zeitpunkt kaperten dänische Kriegsschiffe in der Nordsee Handelsschiffe der norddeutschen Küstenstaaten.

  1. Einleitung
  2. Deutschland – ein Land ohne Kriegsmarine
  3. Die Frankfurter Paulskirche und die Pläne für eine Flotte
  4. Die Reichsflotte 1848/49
  5. Das Ende (1849 bis 1853)

Zwischen dem Deutschen Bund und seiner Nachfolgerin, dem Frankfurter Pauls-Kirchparlament, schwelte seit Monaten ein Konflikt zwischen dem Königreich Dänemark und den Herzogtümern Schleswig-Holstein. Schleswig sollte nach dem Willen von Kopenhagen Dänemark angegliedert werden. Holstein wäre im Deutschen Bund geblieben. Gegen diese Trennung – nach einem Vertrag von 1460 sollten die Fürstentümer auf ewig ungeteilt bleiben – formierte sich eine Freiheitsbewegung, die zuerst den Deutschen Bund um Hilfe anrief.

Aus der Not heraus entstand eine Reichsmarine, die bis 1853 die schwarz-rot-goldene Flagge trug. Ihr Kommandant war ein Sachse, der in Amerika und Griechenland Karriere als Seeoffizier gemacht hatte. Die Offiziere kamen aus England, den USA und Belgien. Über Nacht war in Deutschland eine Flottenbegeisterung ausgebrochen, die vorher undenkbar schien. Die Flotte war, wie der Historiker Veit Valentin es ausdrückte, ein „reichspatriotisches Unternehmen.“

Deutschland – ein Land ohne Kriegsmarine

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielte Deutschland im internationalen Seehandel eine untergeordnete Rolle. Das 1806 erloschene Heilige Römische Reich deutscher Nation verfügte nicht über eine Kriegsmarine. Die deutschen Staaten, die an Nord- und Ostsee grenzten, waren bis auf Preußen nicht in der Lage, eigene Seestreitkräfte aufzubauen. In Berlin fehlte jedoch das politische Interesse.

Auch der 1815 gegründete Deutsche Bund konnte sich nur auf ein gemeinsames Heer einigen. In Preußen wurden die ersten Stimmen laut, die nach einer Marine verlangten, die wenigstens offensiv die Küste schützen sollte. Neben Feldmarschall August Neidhardt von Gneisenau, einem der führenden Heeresreformer, machte sich ein Mitglied des Königshauses, Prinz Adalbert (1811 bis 1873), zum Fürsprecher einer preußischen Marine und regte 1835/36 den ersten Flottenbauplan an.

Der preußische Prinz hatte zuerst eine Offizierausbildung im preußischen Heer absolviert. Auf englischen Kriegsschiffen konnte er anschließend die militärische Bedeutung einer Seemacht kennenlernen. Die Royal Navy hatte im 19. Jahrhundert lange eine Vorbildfunktion. Prinz Adalbert plädierte für eine Marine mittlere Größe, die in der Nord- und Ostsee den deutschen Handel gegen Feinde schützen könnte. Ein Wettrüsten mit den großen Flottenmächten lag ihm fern.

Immerhin versuchte die Preußische Seehandlung den Überseehandel wieder zu beleben. Der wirtschaftliche Ertrag blieb gering, aber es kam zu einer Verbesserung des Schiffbaus. Mehr Hochseematrosen wurden ausgebildet. Auf gemieteten Schiffen veranlassten preußische Kaufleute mehrere Weltumseglungen. Der Seehandel der deutschen Küstenstaaten blieb nicht mehr nur auf Nord- und Ostsee beschränkt. Doch auch hier lauerten Gefahren. Ein nordafrikanisches Piratenschiff drang 1816 bis in die Nordsee vor und musste durch eine englische Fregatte vertrieben werden. Die Hansestädte oder das Großherzogtum Oldenburg verfügten nicht mehr über bewaffnete Schiffe, die den eigenen Handel schützen konnten.

In der Öffentlichkeit wuchs die Sympathie für eine deutsche Flotte. Die Marine schien für die deutsche Nationalbewegung eine symbolische Funktion zu haben; sie war das Projekt, das zur deutschen Einheit beitragen könnte. Hinzu kamen wirtschaftliche Erwägungen. Der Ökonom Friedrich List warb 1843 in seinen Schriften für eine deutsche Handelsflotte, aber es war klar, dass diese Kauffahrer auch geschützt werden müssten. List hegte keine Zweifel, dass es an den Nordsee- und Ostseeküsten genügend Handwerker und Matrosen gab, die Deutschland in die Lage versetzen könnten, Schiffe für die Weltmeere zu bauen.

Die Realität sah anders aus. Als der preußische König zu Beginn der vierziger Jahre die Kiellegung einer Korvette in Auftrag gab, mussten Angehörige der dänischen Marine verpflichtet werden, um die Anordnung der Segel fachgerecht vorzunehmen. Die 1844 in Dienst gestellte „Amazone“ gilt als „Großmutter“ der deutschen Flotte. Das Segelschiff sollte den seemännischen Nachwuchs schulen und die preußische Flagge auf den Weltmeeren zeigen. Doch in den wenigen Jahren bis 1848 konnte man damit keinen Grundstock für eine Kriegsmarine legen.

Österreich verfügte in seinen Stützpunkten an der Adria über Kriegsschiffe, die aber nicht sofort in den Krieg in der Nordsee eingreifen konnten. Die Herzogtümer Schleswig-Holstein und die Stadt Hamburg organisierten im Frühjahr 1848 eigene provisorische Seestreitkräfte. Schlagartig wurde den Deutschen vor Augen geführt, dass ihre „nasse Flanke“ ungeschützt war. Deutschland benötigte eine Marine. Doch wie sollten in kurzer Zeit Kriegsschiffe gebaut und einsatzbereit gemacht werden?

Die Frankfurter Paulskirche und die Pläne für eine Flotte

Die Germania abgebildet mit der Reichsflotte
Die Germania abgebildet mit der Reichsflotte

Am 18. Mai 1848 wurde im Parlament ein Fünfzigerausschuss eingerichtet, der den Bau einer Reichsmarine vorbereiten sollte. Den Vorsitz hatte der Bremer Handelssenator Arnold Duckwitz inne. Im Juli 1848 kam es zum Abschluss eines siebenmonatigen Waffenstillstandes mit Dänemark, der den Deutschen Zeit einräumte, ihre Rüstungen zur See voranzutreiben. Eine Technische Marinekommission entstand, an deren Spitze für kurze Zeit Prinz Adalbert von Preußen stand. Nachdem der preußische Prinz von dieser Funktion zurückgetreten war, um sich wieder dem Aufbau der preußischen Marine zu widmen, erinnerte man sich an Carl Rudolph Brommy, einem 1804 in Sachsen geborenen Marineoffizier, der lange Zeit in amerikanischen und griechischen Diensten gestanden hatte. Handelsminister Duckwitz, dem auch die Marine unterstand, machte dem Offizier das Angebot, in den Dienst des Pauls-Kirchenparlaments zu treten. Brommy willigte ein.

Die Reichsflotte 1848/49

Am 26. August 1848 beugte sich Preußen dem Druck der europäischen Großmächte und schloss einen Waffenstillstand mit Dänemark, ohne die Frankfurter Nationalversammlung zu konsultieren. Die Ohnmacht des Parlamentes wurde erneut vor Augen geführt. Doch es war klar, dass der Krieg nur eine Pause machen würde.

Die Pauls-Kirchenversammlung rüstete zu einem neuen Waffengang. Doch von einer einheitlichen deutschen Marinepolitik konnte auch in diesen Monaten keine Rede sein. Im Herbst 1848 existierten die Hamburger Flottille, die Seestreitkräfte der Herzogtümer von Schleswig-Holstein, die preußische Flotte und die Reichsmarine.

Die von der Paulskirche im März 1849 verabschiedete Reichsverfassung sah in Paragraf 19 vor, dass die Marine Sache des Reiches sei und kein Einzelstaat eine eigene Flotte unterhalten dürfe. Hamburg übergab seine Schiffe daraufhin am 1. April 1849 der Seezeugmeisterei; die Regierung von Schleswig-Holstein schloss sich diesem Schritt an, beließ aber ihre Marine unter eigenem Kommando. Preußen ignorierte diese Verfassungsklausel; es hatte die Reichsverfassung auch nicht anerkannt.

Brommy, der die Verantwortung für die Reichsmarine hatte, versuchte 1848/49 eine einsatzfähige Flotte aus dem Boden zu stampfen. An Unterstützung aus der Bevölkerung fehlte es nicht. Die Seezeugmeisterei wurde mit einer Flut von Vorschlägen überschüttet, wie man die Dänen schlagen könne. Was jedoch fehlte, waren Schiffe und ausgebildetes Personal. Die Fahrzeuge, die im patriotischen Überschwang der Marine geschenkt worden waren, erwiesen sich teilweise als unbrauchbar. Es blieb nur der Ausweg, in England und den USA Schiffe zu kaufen, was angesichts des ungeklärten völkerrechtlichen Zustands der Frankfurter Paulskirche nicht einfach war.

Mehrere Schiffe – drei neue Radkorvetten und zwei Radfregatten – wurden in England erworben und mit englischem Personal nach Hamburg überführt. Auch im Offizierkorps waren mehrere Engländer zu finden, daneben Belgier, Amerikaner und deutsche Kapitäne, die aus der deutschen Handelsmarine stammten. Die Aufgabe Brommys, der in Bremerhaven residierte, bestand darin, bis zum Ablauf des Waffenstillstandes mit diesem Personal und den Schiffen einen schlagkräftigen Verband zu bilden, der den Dänen zwar keine offene Seeschlacht liefern konnte, aber der Handelsmarine wenigstens einen gewissen Schutz zu bieten vermochte. Immerhin gab es genug deutsche Matrosen, sodass die englischen Besatzungen in die Heimat entlassen werden konnten – ihr Einsatz hätte sowieso große Probleme aufgeworfen.

Schon das zusammengewürfelte Offizierkorps zu schulen, nahm viel Zeit des Seezeugmeisters (so die offizielle Amtsbezeichnung Brommys) in Anspruch. Die vorhandenen Mittel waren so knapp bemessen, dass Schießübungen mit scharfer Munition nicht durchgeführt werden konnten. Neutrale Beobachter waren sich einig, dass Brommy in dieser kurzen Zeit Beachtliches leistete und die Grundlagen für eine deutsche Marine legte. Einige der vom Seezeugmeister ausgearbeiteten Vorschriften wie die Verfügung über den „Dienst an Bord“ (D. a. B.) wurden nach 1956 noch in der Bundesmarine verwendet. Ein preußischer Offizier beschrieb den Einfluss Brommys in dieser Zeit: „Der Oberbefehlshaber Brommy ist ein rühriger Mann und ein offener, fester Charakter, der bei jedermann in großer Achtung steht, auf den sich das Vertrauen der ganzen Mannschaft richtet, ihm ist mehr als gewöhnliches Befehlshabertalent nicht abzusprechen.“

Ende März 1849 lief der Waffenstillstand ab, und die Dänen nahmen ihre Blockade der Nordseeküste wieder auf. Die Deutsche Revolution war mittlerweile gescheitert: Es war klar, dass ein geeintes Deutschland auf liberal-demokratischer Grundlage nicht an die Stelle des Deutschen Bundes treten würde. In Berlin und Österreich hatte sich die Gegenrevolution durchgesetzt. Der preußische König hatte die ihm angebotene Kaiserkrone abgelehnt, und in vielen deutschen Staaten etablierten sich wieder konservative Regierungen. Die Flotte – ein Kind der Revolution – fieberte dem ersten Einsatz entgegen, als sich in Frankfurt die Nationalversammlung bereits auflöste.

Am 30. April 1849 war die auf dem Papier zwölf Fahrzeuge umfassende Marine nach den Worten des Historikers Veit Valentin nicht einsetzbar, weil die Flotte nicht vom Bund finanziert werden konnte. Das Anfangskapital der sechs Millionen Gulden war aufgebraucht. Nur ein Teil der Mitgliedsstaaten wie Hannover, Holstein, Lauenburg, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Hamburg, Bremen und Lübeck sowie einige kleinere Staaten in Mitteldeutschland beteiligten sich an der Finanzierung. Preußen und Österreich investierten in den Bau einer eigener Seestreitkräfte.

Zu einer Seeschlacht kam es 1849 nicht mehr. Brommy unternahm im Frühsommer 1849 mit einigen Schiffen mehrere Vorstöße in die Nordsee und zwang bei einem Einsatz am 4. Juli 1849 ein dänisches Kriegsschiff zur Flucht unter die Kanonen von Helgoland, das damals noch zu England gehörte. Man kann darüber diskutieren, ob diese Unternehmung militärisch erfolgreich war. Aber die Reichsflotte zeigte Flagge. Dies hatte man vor allem einem Mann zu verdanken: Carl Rudolph Brommy. Am 3. April 1849 wurde er zum Kapitän zur See befördert; am 23. November zeichnete man ihn mit der Ernennung zum Konteradmiral aus.

Das Ende (1849 bis 1853)

SMS Amazone I
SMS Amazone I

Im März/April 1849 war das Schicksal der Revolution entschieden. Der Deutsche Bund trat wieder in seine alten Funktionen ein; das Frankfurter Pauls-Kirchenparlament löste sich auf. Brommy setzte sich dafür ein, die Seestreitkräfte zu erhalten. Paradoxerweise – so Veit Valentin in seinem Standardwerk über die deutsche Revolution 1848/49 – nahm die Reichsflotte nach dem Ende der Nationalversammlung einen „ernsthaften Aufschwung“. Ab 1851 Bundesflotte genannt, sollte sie das Letzte sein, was von der Revolution übrig blieb.

Man könnte die Geschichte dieser Flotte als Anekdote für Anhänger der Militärgeschichte abtun. Doch der schnelle Aufbau der Marine gehört zu den wenigen vorzeigbaren Leistungen der Frankfurter Paulskirche. Damit will ich nicht die Klischees vom diskutierenden Professorenparlament bedienen. Die Parlamentarier standen vor großen Problemen und ihr wichtigstes Werk, die Reichsverfassung von 1849, kann sich sehen lassen.

Die Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes konnten sich nicht auf eine Finanzierung der Marine einigen; für sie stellten die Schiffe nur eine finanzielle Belastung dar. Einige Staaten verweigerten die Zahlungen. 1853 endete die Geschichte der ersten deutschen Bundesflotte. Die Schiffe wurden öffentlich versteigert. Preußen übernahm einige Einheiten für den Ausbau seiner Marine.

Die schnelle Organisation der Reichsmarine war eine beeindruckende organisatorische Leistung Brommys; über ihre Kampfkraft kann man nur Mutmaßungen anstellen. Aus heutiger Sicht überrascht, dass die dänische Kriegsmarine es nach Ablauf des Waffenstillstandes nicht auf eine Seeschlacht ankommen ließ.

Die Versteigerung der restlichen Schiffe und die Auflösung der Flotte zum 31. März 1853 konnten nicht verhindern, dass der Flottengedanke in Deutschland wach blieb. Das macht die historische Bedeutung der Reichsflotte aus.

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