Der schwarze Tod - Gemälde von Arnold Böcklin (1898)Als die Krankheit 1347 zum ersten Mal auftauchte, nannte man sie nur das „Große Sterben“. Erst später bezeichneten sie die Chronisten als die Pest oder den „Schwarzen Tod“, da sich die Körper der Infizierten mit schwarzen Geschwüren überzogen. Zeitgenössische Berichte gibt es genug, schrieb doch unter anderem Boccaccio in seiner Einleitung zu der berühmten erotischen Geschichtensammlung Decameron über den Ausbruch der Krankheit in Florenz: „Die Pest ließ die Herzen der Menschen gefrieren. Jeder wich dem anderen aus. Blutsverwandte wandten sich ab, der Bruder verließ den Bruder, auch Männer ihre Frauen, und, was kaum zu glauben ist, Väter und Mütter überließen ihre kranken Kinder dem grausamen Schicksal, unversorgt, einsam, als ob sie Fremde gewesen wären.“

Erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte der Mediziner Alexandre Yersin den Erreger, den Bazillus Yersinia pestis. Dieser lebte in der schwarzen, mittelalterlichen Ratte (Rattus rattus) und der größeren, braunen Wanderratte (Rattus norvegicus). Zur Übertragung benötigte er einen Zwischenwirt, den Rattenfloh. Der Bazillus befindet sich üblicherweise in einer kleinen, ungefährlichen Konzentration im Körper der Ratte. Beißt der Floh die Ratte, nimmt dieser den Bazillus auf, scheidet ihn aber kurz darauf wieder aus. Es kann aber passieren, dass der Bazillus das Verdauungssystem des Flohs blockiert. Dann vermehrt er sich explosionsartig im Vormagen des Tieres. Beißt der Floh die Ratte dann noch einmal, überträgt er eine hochkonzentrierte Lösung von Pestbakterien in das Tier, die häufig tödlich wirkt. Der Floh muss sich daraufhin eine andere Ratte suchen. Blockierte Flöhe sind außerordentlich hungrig auf Blut und nach kurzer Zeit ist die gesamte örtliche Rattenpopulation ausgelöscht. Der Floh wechselt dann den Wirt und springt auf den Menschen über. Durch seinen Biss überträgt er die Beulenpest. Die Kranken bekommen hohes Fieber und sehr schmerzhafte Beulen am Hals, in den Achselhöhlen und den Leisten. Die Beulen entwickeln sich zu schwarzen, eitrigen Geschwüren, der Tod tritt nach wenigen Tagen ein. Im Winter stellt der Floh seine Vermehrung ein, in der kalten Jahreszeit erlischt die Beulenpest, um im Frühjahr wieder neu auszubrechen. Die Beulenpest kann sich im Körper der Kranken in die Lungenpest verwandeln. Dann ist sie wesentlich gefährlicher, da sie sich jetzt wie eine normale Grippe durch Tröpfcheninfektion verbreitet. Ein Flohbiss ist dann nicht mehr erforderlich. Beide Pestvarianten treten meistens gleichzeitig auf. Auch nach Abklingen einer Pandemie verbleibt in einigen Rattenpopulationen der Bazillus in einer schwachen Konzentration. Er kann nach einer längeren Zeit erneut das Verdauungssystem des Rattenflohs blockieren. Deshalb kam es in unregelmäßigen Abständen immer wieder zu Pestausbrüchen.

Die Krankheit kam offensichtlich erstmals im Oktober 1347 nach Europa auf zwei genuesischen Handelsschiffen, die in Messina auf Sizilien landeten und ihre Fahrt in Kaffa auf der Krim begonnen hatten. Entlang der mittelalterlichen Handelswege breitete sie sich sehr schnell in ganz Europa aus und klang erst 1350 langsam ab, endete aber endgültig 1352 in Russland.

„Ein Drittel der Welt starb“, berichtet ein Geistlicher, doch dies hat er aus der Apokalypse des Johannes in der Bibel abgeschrieben, der beliebtesten Lektüre im Mittelalter. Es kann aber durchaus stimmen, dass ungefähr zwanzig Millionen Menschen ums Leben kamen, ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung. Warum sind nicht alle Menschen gestorben? Bei Pandemien ist es oftmals das Gesetz der großen Zahl, welches die Rettung bringt. Ist die Population hinreichend groß, ist die Chance, dass einige Menschen dagegen immun sind, größer als bei kleinen Populationen. 40 Millionen blieben verschont, vielleicht hat ihr Immunsystem den Ausbruch der Krankheit verhindert. Vielleicht haben sie dann die Immunität vererbt, denn die Pest brach noch häufig aus, forderte aber immer weniger Todesopfer, bis sie im 18. Jahrhundert ganz verschwand. Kleine Populationen in Dörfern wurden aber häufig komplett ausgelöscht und die Gebiete später nicht mehr besiedelt (sogenannte Wüstungen).

In den Städten wütete die Krankheit besonders stark, In Florenz starb vier Fünftel der Bevölkerung, in Venedig zwei Drittel, in Paris mehr als die Hälfte. Das Land hingegen wurde weitaus weniger betroffen. Es sei eine Krankheit der Armen gewesen, berichten einige Chronisten, denn die Reichen flüchteten in ihre Landsitze und verbarrikadierten sich dort.

Nach der Krankheit gab es Gewinner und Verlierer. In den Städten eigneten sich die Überlebenden das Eigentum der Verstorbenen an. Ein Mönch schreibt, dass die Armen jetzt in schönen Häusern leben und von Silbertellern essen. Es tauchen viele neue Namen auf, Parvenüs, die nach oben drängen und über deren Rücksichtslosigkeit überall geklagt wird. Die Schicht der Neureichen, die jetzt das Sagen in den Städten haben.

Verlierer waren die Bauern. Der städtische Absatzmarkt war mangels Konsumenten zusammengebrochen. Ihre Überschüsse an Lebensmitteln mussten sie billig verkaufen, die Städter profitierten von den preiswerten Nahrungsmitteln und forderten nur das Beste. Die Bauern konnten nun auch ihre Abgaben an den Adel nicht mehr zahlen. Der bedrängte sie daraufhin. Es kam lokal zu ersten einzelnen Bauernaufständen, die sich in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten immer weiter ausdehnen werden. Gaben die Bauern nichts mehr her, entwickelte sich der Adel zum Raubrittertum. Während der Pest entstanden religiöse Gemeinschaften in Feindschaft zur offiziellen Kirche wie z.B. die Flagellanten. Die Kirche hatte die Krankheit nicht verhindern können und war daher unglaubwürdig geworden. Geistliche hatten sich rücksichtslos an dem Eigentum der Verstorbenen bereichert und den Kranken die letzte Ölung verweigert. Die Opposition gegen diese verlogene Organisation wuchs an.

So hat die Pest die weitere Entwicklung Europas in Richtung Moderne gefördert. Die Städte waren trotz oder wegen der hohen Verluste reicher und mächtiger als vorher. Der Adel wurde geschwächt, da seine Einnahmen aufgrund der Agrarkrise stark zurückgingen. Alte Wertvorstellungen gerieten ins Wanken, die ganze alte Ordnung war aus den Fugen geraten.

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