„und nie kann ich vergessen“ ist ein sehr authentischer Zeitzeugenbericht eines Jahrhundertzeugen. Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur , Zürich, unter Verwendung eines Fotos von (c) Kay Blaschke / Penguin Random House Verlagsgruppe – (c) 2022 Wilhelm Heyne Verlag, München

Am 02.02.1943 kapitulierten die Reste der 6. Armee in Stalingrad – damit endete eine Schlacht, die Millionen Menschen (Russen, Rumänen und Deutschen) das Leben gekostet hatte. Die Erinnerung daran ist für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung – lehrt sie uns doch, wohin Diktatur, Rassismus und Totalitarismus führen können. Dass 80 Jahre nach diesem historischen Datum der russische Diktator Putin in einer Rede in Stalingrad seine Lügen über die Ukraine verbreitet und sich von deutschen Panzern angegriffen fühlt, sollte jedem vor Augen führen, wie wichtig Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sind und dass man sich dafür einsetzen muss.

Die nahe und ernste Erinnerung an den II. Weltkrieg und den Holocaust schwindet aber mit den Jahren zunehmend. Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die von den damaligen Erlebnissen aus eigener Erfahrung berichten können – einer davon war Hans-Erdmann Schönbeck (1922 – 2022), der mit dem Journalisten Tim Pröse über sein Leben gesprochen hat. Aus diesen Gesprächen entstand das Buch: „… und nie kann ich vergessen“

Der Jugend beraubt

Hans-Erdmann Schönbeck zählte zu einer Generation, der die Jugend genommen wurde. Mit kaum 20 Jahren wurde er als junger Offizier der Panzertruppe in Stalingrad in den Kampf geworfen. Die grauenhaften Erlebnisse brannten sich in das Gedächtnis des Mannes ein, der später ein wichtiger Industriemanager werden sollte. Dass er überlebte, verdankte er einem Zufall: Schwerverwundet und erblindet hatte er eine Pistole mit einer Patrone bei sich, um sich vor der Gefangenschaft durch die Russen das Leben zu nehmen. Doch ein Stabsfeldwebel rettete ihn (und nicht sich selbst) und verbrachte ihn in eines der letzten Flugzeuge, das den Kessel von Stalingrad noch verlassen konnte.

Leseempfehlung: In unserem Artikel „Ein Fanal des Untergangs: Die Schlacht von Stalingrad“ zeichnen wir die wichtigsten Ereignisse dieses Wendepunkts des II. Weltkriegs nach.

Die Biographie von Hans-Erdmann Schönbeck ist beeindruckend. Er war Zeuge eines Jahrhunderts: In seiner weiteren militärischen Verwendung wurde er in der Nähe der Wolfsschanze – eines der Führerhauptquartiere – eingesetzt und kam in Kontakt mit dem Widerstand um Stauffenberg, den er auch persönlich erleben durfte und der ihn nachdrücklich beeindruckte. Er schlief – ohne davon zu wissen – neben der Bombe, die Hitler galt. In den letzten Kriegsmonaten war er in Berchtesgaden eingesetzt und kam dort in Gefangenschaft.

In der jungen Bundesrepublik wurde er Teil des Wirtschaftswunders und stieg zu einem wichtigen Manager der Automobilindustrie auf. Als Vorstandsmitglied von BMW lenkte er die Geschicke dieses deutschen Konzern maßgeblich mit und wurde später Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie. Aufgrund seiner Stellung in der Wirtschaftselite musste er zu Zeiten des RAF-Terrors um sein Leben fürchten.

Die Bezeichnung „Zeitzeuge“ trifft somit auf Hans-Erdmann Schönbeck in besonderem Maße zu. Wesentliche Ereignisse der jüngeren deutschen Zeitgeschichte erlebte er förmlich hautnah mit.

Ein authentisches Buch

In 19 Gesprächen traf Tim Pröse Hans-Erdmann Schönbeck in dessen Seniorenresidenz, in der er seinen Lebensabend verbrachte. Aus diesen Gesprächen ist ein interessantes Buch mit einer eigenen Erzählweise entstanden: Die Erzählungen Schönbecks wechseln sich mit Eindrücken, Gedanken und Anmerkungen von Pröse ab. Er ordnet so die Erlebnisse Schönbecks ein, regt zum Nachdenken an und arbeitet wichtige Ereignisse heraus.

An dieser Stelle der kleinen Rezension soll auch auf einen hochaktuellen Aspekt hingewiesen werden: Wenn ein beinahe Hundertjähriger sich sehr kritisch und nachdenklich über die AfD im deutschen Bundestag, den zunehmenden Extremismus und die Präsidentschaft Trumps äußert, kommt dem ein besonderes Gewicht zu. Das sollte uns alle zum Nachdenken anregen.

Was hätte Hans-Erdmann Schönbeck wohl zum russischen Angriff auf die Ukraine gesagt? Dass dort, wo auch er einmal kämpfen musste, wieder Bomben fallen und Menschen im Kugelhagel sterben?

Das Buch „… und nie kann ich vergessen“ ist äußerst empfehlenswert. Je weniger die Zeitzeugen werden, desto wichtiger sind solch authentische Bücher. Die Anmerkungen Pröses geben den Erzählungen von Schönbeck ein besonderes Gewicht und regen zum Nachdenken an. Gerade in Zeiten wie diesen, die erschreckende Parallelen zu Ereignissen aufweist, die sich nicht wiederholen sollen und dürfen.

Das 288 Seiten starke Buch ist im Heyne-Verlag erschienen und kann im Buchhandel unter der ISBN 978-3-453-21830-7 für 18,00 € (in Österreich 18,50 €, in der Schweiz 24,90 CHF) erworben werden. Sie können das Buch auch bei Amazon unter diesem Link kaufen – Geschichte-Wissen erhält in diesem Fall eine anteilige Provision.

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