Diese Arbeit hat sich die Aufgabe gestellt, am Beispiel der Heilsarmee in Hamburg eine soziale Institution vorzustellen. Die Heilsarmee stellt insofern eine Besonderheit dar, als sie nicht nur eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist und der Sozialarbeit dient, sondern auch eine Religionsgesellschaft darstellt.
Im Hinblick auf andere Religionsgemeinschaften und karitative Organisationen ist die Heilsarmee eine relativ „junge“ Institution. So blickt die katholische Kirche auf eine 1300jährige Geschichte zurück, die evangelische Kirche entstand in der Zeit der Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und die Anglikanische Kirche ebenfalls um diese Zeit, als Heinrich VIII. sich 1534 von der römischen Kirche lossagte. Die karitativen Bewegungen, z.B. das Internationale Rote Kreuz wurde 1863 gegründet, der 1812 als Stiftung aus dem preußischen Johanniterorden hervorgegangene Malteser-Hilfsdienst.
Einige der im Rahmen der nachfolgenden Arbeit verwendeten Begriffe sollen an dieser Stelle vorab erläutert werden. Die Namensgebung „Die Heilsarmee“ ergab sich aus Struktur, Aufgaben und Einsatz dieser Organisation und wird später noch ausführlich behandelt. Dazu kommt noch der Begriff „Korps“, der Gemeinde bedeutet und mit „Salutist“ ist der ehrenamtliche Soldat, der sogenannte Heilssoldat, gemeint.
Die Heilsarmee ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, welche auf der Grundlage von Verfassung und Ländergesetzen errichtet wurde. Zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts zählen z.B. auch Gebietskörperschaften, kommunale Zweckverbände, Träger von Sozialversicherungen und die Hochschulen, jeweils mit dem Recht der Selbstverwaltung. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind von der Körperschaftssteuer befreit, wenn sie gemäß ihrer Satzung ausschließlich gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Entstehungsgeschichte der Heilsarmee
1.1. Die Gründung der Heilsarmee
1.2. Aufgaben, Einsatz und Ziele der Heilsarmee
1.3. Warum der Begriff „Armee“?
1.4 Die Struktur der Heilsarmee
2. Die Heilsarmee in Deutschland
2.1. Die Geschichte der Heilsarmee in Deutschland
2.2. Der Rechtsstatus der Heilsarmee in Deutschland
2.3. Die soziale Arbeit der Heilsarmee
3. Die Heilsarmee in Hamburg
3.1. Die Entwicklungsgeschichte der Heilsarmee in Hamburg
3.2. Die Ausgangslage in Hamburg – Soziale Probleme
3.3. Die Sozialeinrichtungen der Heilsarmee in Hamburg
4. Schlussbemerkung
5. Quellen
1. Die Entstehungsgeschichte der Heilsarmee
1.1. Die Gründung der Heilsarmee
Der Gründer der Heilsarmee, William Booth, wurde am 10. April 1829 in Nottingham (Mittelengland) geboren und bekannte sich bereits in seiner Jugend dazu, Gott zu dienen und die Bibel zum Maßstab seines Lebens zu wählen. Frühzeitig wurde er nicht nur mit materieller Armut konfrontiert, sondern vor allem in den Slums im Osten Londons mit der sozialen und geistlichen Not der dort lebenden Menschen. Zunächst begann er neben seiner beruflichen Tätigkeit als Pfandleiher, auf den Straßen zu evangelisieren, wählte diese Tätigkeit aber bald zu seinem Hauptberuf und ließ sich 1858 zum Methodistenprediger ausbilden.
Da es Booth aber nicht gelang, die von ihm betreuten und bekehrten Menschen in die bestehenden christlichen Gemeinschaften zu integrieren, gründete er zusammen mit seiner Frau Catherine 1865 die „Ost-Londoner Christliche Erweckungsgesellschaft“, die 1879 in „Christliche Mission“ umbenannt wurde. Gottesdienste fanden im Anfang auf öffentlichen Plätzen, in Kneipen oder in Theatersälen statt.
Das Werk William Booth‘ fand schnell internationale Anerkennung und breitete sich über die ganze Erde aus. Bei seinem Tod im Jahre 1912 arbeitete die Heilsarmee bereits in 58 Ländern der Erde. Und seit 2015 ist die Heilsarmee in 127 Ländern präsent, darunter zum Beispiel auch in den ehemaligen Ostblockländern Polen und Litauen.
1.2. Aufgaben, Einsatz und Ziele der Heilsarmee
Noch bevor es zu der endgültigen Namensgebung kam, war die Heilsarmee bereits eine umfassende Bewegung und Teil der universalen christlichen Kirche. Ihren Dienst motivierten die Mitglieder durch ihre Liebe zu Gott und sahen es daher als ihren Auftrag, das Evangelium zu predigen, aber vor allem, menschliche Not ohne Ansehen der Person zu lindern. Das erklärte Ziel galt der Fürsorge für Menschen, indem sie Armut und Elend beseitigen halfen und gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung predigten.
Ganz praktisch sah dieses erklärte Ziel dann so aus, dass die Heilsarmee sich zunächst bemühte, die Situation der Bevölkerung in den Londoner Elendsquartieren zu verbessern. Dazu gehörte auch, Ausschweifungen, Trunksucht und Laster anzuprangern und als das Übel der Zeit darzustellen. Das gefiel vielen Kneipenwirten nicht und die Heilssoldaten wurden heftig angegriffen, oft verletzt und drei sogar getötet. Erst als gegen 1880 die Heilsarmee in der Öffentlichkeit mehr bekannt und anerkannt wurde, hörten die Verfolgungen allmählich auf.
Ein besonderes Anliegen der Heilsarmee war die Gleichberechtigung der Frau. In den Statuten wurde deshalb schon 1860 festgeschrieben, dass die Gleichberechtigung von Frauen in allen Ämtern und Führungspositionen zu verwirklichen sei.
1.3. Warum der Begriff „Armee“ ?
Bereits im Jahre 1878 wurde der Name „Heilsarmee“ zum ersten Mal gebraucht und im August desselben Jahres wurde daraus die offizielle Namensgebung mit William Booth als erstem General.
Die Erfahrung lehrte die Heilsarmisten, dass das Böse in der Welt nicht auf gutes Zureden reagiert, sondern mit christlicher Überzeugungskraft bekämpft werden muss. Dazu geeignet schien die straffe Organisation einer Armee, die Disziplin, Mobilität und Wachsamkeit gegen jede Versuchung von Menschen voraussetzt.
Wie in allen anderen Armeen tragen auch die Salutisten und Offiziere der Heilsarmee als ein sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit in der Öffentlichkeit eine Uniform. Damit wird zum einen der Ansprechpartner für jedermann signalisiert und zum anderen bietet die Uniform als Dienstkleidung in Rotlichtvierteln der Großstädte und an sozialen Brennpunkten einen guten Schutz.
Die Angehörigen der Heilsarmee bestehen aus hauptamtlich beschäftigten Offizieren und ehrenamtlich tätigen Salutisten. Die Offiziere erhalten zunächst eine Ausbildung auf der Europäischen Offiziersschule der Heilsarmee in Basel und werden anschließend als ordinierte Geistliche einem Korps bzw. einer Sozialeinrichtung als Leiter vorstehen. Die Salutisten sind Männer und Frauen, die nach einer Unterweisung in der biblischen Lehre ihre Berufung darin sehen, Gott als Soldaten in der Heilsarmee zu dienen. Dazu gehören die Bereitschaft und das Versprechen, jeden Einfluss zu meiden, der Geist und Körper schädigen könnte. Darüber hinaus gibt es die besondere Verpflichtung, Alkohol, Tabak oder andere Drogen zu meiden. Die Heilssoldaten üben normalerweise einen bürgerlichen Beruf aus und tragen in Ausübung ihres ehrenamtlichen Dienstes die Heilsarmeeuniform. Besondere Positionen sind für die Heilssoldaten vorgesehen, z.B. Schatzmeister, Kapellmeister oder Heimbundleiterin eines Männer- oder Frauenkreises.
1.4. Die Struktur der Heilsarmee
Ebenfalls wie in den meisten anderen Armeen gilt auch für die Heilsarmee, dass eine straffe und einheitlich gestaltete Organisation eine effektive Arbeit garantiert.
Dieser Maßgabe entspricht die noch heute gültige Struktur der Heilsarmee, die streng hierarchisch gegliedert ist. Dem Internationalen Hauptquartier mit Sitz in London folgen die jeweiligen Nationalen Hauptquartiere, Divisionsquartiere, Korps und Sozialstationen.
Das Internationale Hauptquartier sieht neben einem General (oder einer Generalin) einen Beratenden Ausschuss vor. Unterhalb des Generals gibt es einen Stabschef, dem ein Management-Ausschuss zur Seite steht. Die weitere Rangfolge sieht Internationale Sekretäre für Administration, für Finanzen, für Afrika, für Amerika und die Karibik, für Europa, für Süd-Asien, für den Süd-Pazifik und Ost-Asien und für Ressourcen vor.
Dem Nationalen Hauptquartier steht ein Territorialleiter vor. Unterhalb dieser Ebene existieren Chefsekretäre für genau bezeichnete Aufgaben, die Europäische Offiziersschule in Basel und die Präsidentin der Frauenorganisation.
Die Divisionshauptquartiere sind unterteilt nach Nord, Ost, Süd und West und daran schließen sich die Divisionen und Sozialoffiziere / Sozialinstitutionen an. Regional arbeiten in Korps die Korpsoffiziere mit Abteilungen, Vorposten und den sozialen Einrichtungen.
Weltweit unterhält die Heilsarmee 1.373 Kindergärten und Schulen mit 289.554 Schülern, 5 Lehrerseminare mit 2.741 Studenten, 193 Kinderheime und 446 Kindertagesstätten, 112 Heime und Zentren für Alkoholiker mit 2.899 Therapieplätzen, 275 Seniorenheime mit 16.940 Plätzen, 235 Krankenhäuser und Fachkliniken.
2. Die Heilsarmee in Deutschland
2.1. Die Geschichte der Heilsarmee in Deutschland
Die Heilsarmee in Deutschland ist der nationale Zweig der 1865 in London gegründeten Heilsarmee. Sie ist eine der größten christlichen Missionsgesellschaften und hat sich als eine überkonfessionelle Freikirche einem speziellen evangelistischen und diakonischen Auftrag verschrieben. Im Jahre 1886 begann mit Fritz Schaaf die Arbeit der Heilsarmee in Stuttgart. Heute ist sie in 42 Städten der alten und neuen Bundesländer vertreten. Sie ist keine „geschlossene Gesellschaft“, sondern offen für alle Menschen, ohne Ansehen der sozialen Stellung, der Rasse, der Hautfarbe oder des Geschlechts.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, auch Unterdrückung, Hohn und Spott breitete sich die Armee bald aus und bereits 1894 arbeiteten 84 Heilsarmeeoffiziere in 24 Korps und im Nationalen Hauptquartier.
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Die soziale Tätigkeit in Deutschland begann offiziell mit der Eröffnung des ersten Mädchenheims in Berlin am 19. November 1897. Die Sozialarbeit breitete sich anschließend im ganzen Land aus und in den folgenden Jahrzehnten wurden die Heilssoldaten eine bekannte Erscheinung im Straßenbild der Großstädte.
In der Zeit des Nationalsozialismus war die Tätigkeit der Heilsarmee von 1940 bis 1945 in vielen Orten, zumeist ohne Angabe von Gründen, in der Öffentlichkeit untersagt. Zwar sollte die gesamte soziale Arbeit von Behörden übernommen werden, doch aufgrund des Arbeitskräftemangels konnten alle bei der Heilsarmee Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz bleiben. Aber auch schon in den Jahren seit 1933 wurde die Heilsarmee von den Behörden mit Auflagen bedacht. So musste beispielsweise bei öffentlichen Versammlungen und Aufmärschen neben der Heilsarmeefahne die Hakenkreuzfahne mitgeführt werden und das Singen von Heilsarmeeliedern in der Öffentlichkeit wurde untersagt.
Obwohl während der gesamten Zeit der Diktatur die Anweisung des Nationalen Hauptquartiers der Heilsarmee in Deutschland galt, dass die Heilsarmee als christliche Organisation sich von aller Politik fern hält und die Missionsarbeit auf möglichst breiter Grundlage das Ziel ist, wurden die Repressalien durch die Berliner Regierung härter. Die Finanzen der Heilsarmee wurden fortan von der Regierung kontrolliert und finanzielle Zuweisungen aus dem Ausland untersagt. Der Forderung nach Übereignung der heilsarmeeeigenen Grundstücke kam die Heilsarmee allerdings nicht nach, und das wurde zunächst auch respektiert. Man wollte keine Märtyrer schaffen. Deswegen wurde die Heilsarmee offiziell auch nicht verboten. Die Machthaber gingen davon aus, dass die Heilsarmee sich von selbst auflösen würde, da sie wegen Enteignung und Wegfall der Finanzmittel der Existenzgrundlage beraubt war.
Noch während des Krieges hatte man sich im Internationalen Hauptquartier der Heilsarmee in London Gedanken darüber gemacht, welche Hilfsmaßnahmen für die Zeit nach Kriegsende für die Bevölkerung auf dem europäischen Festland nötig sein würden. Unmittelbar danach, im Sommer 1945, kamen Teammitglieder einer englischen Hilfsgruppe der Heilsarmee nach Deutschland, halfen beim Wiederaufbau, verteilten Kleider und Lebensmittel und betreuten Flüchtlinge und Umsiedler.
Doch schon bald nach Ende des Krieges wurde die Heilsarmee im Bereich der sowjetischen Besatzungszone verboten und die Heilsarmeeoffiziere mit Deportation in Arbeitslager bedroht. An dieser Haltung änderte sich auch nichts durch eine Intervention der westlichen Alliierten. Die sowjetischen Vertreter wollten auf ihrem Territorium keine Organisation, die Kontakte zum Ausland unterhielt.
Trotz der veränderten politischen Lage übernahm die DDR diese Richtlinien und schloss, nachdem die Heilsarmee ihre Arbeit in der Öffentlichkeit wieder aufgenommen hatte, nach und nach alle Korps. Von dieser Maßnahme ausgenommen blieb nur das Korps in Leipzig und da der Status der Heilsarmee ungeklärt blieb, verlangten DDR-Behörden den Anschluss an eine der anderen Kirchen und setzte bis zur Vollziehung eine Frist von vier Wochen. Daraufhin schloss sich die Heilsarmee der Methodistenkirche an. Nach dem Mauerbau 1961 durften dann keine Versammlungen mehr durchgeführt werden. Die Heilsarmee war nun de facto verboten, worauf das Nationale Hauptquartier seinen Sitz von Berlin nach Köln verlegte.
Nachdem im März 1990 die Heilsarmee in der ehemaligen DDR wieder zugelassen wurde, konnte Generalin Eva Burrows am 16. Juni des gleichen Jahres in Leipzig das erste Korps eröffnen. Viele ehemalige Gebäude und Grundstücke waren verstaatlicht und werden nun nach und nach zurückgegeben, so dass die geistliche und soziale Arbeit wieder aufgenommen werden kann. Dazu zählt eine Alten- und Pflegeheim in Güterfelde bei Potsdam, das im Mai 1992 wieder eröffnet wurde. Korps und Cafés in Leipzig, Chemnitz und im Osten Berlins sind Orte der Begegnung; sie bilden eine neue Herausforderung für die Heilsarmee in Deutschland, auch in finanzieller und personeller Hinsicht.
2.2. Der Rechtsstatus der Heilsarmee in Deutschland
Im Gegensatz zur DDR erhielt die Heilsarmee in der Bundesrepublik den Status einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Unter Hinweis auf Art. 137 der Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung – WRV) vom 11. August 1919 bestätigte der Bundesinnenminister im September 1950 die rechtliche Stellung der Heilsarmee als „Religionsgesellschaft“ bzw. „Religionsgemeinschaft“.
Dieser Artikel 137 WRV besagt zum einen, dass im Deutschen Reich keine Staatskirche besteht und zum anderen, dass die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften gewährleistet wird; und außerdem, dass Religionsgesellschaften die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts erwerben.
Erstmalig am 20. November 1950 wurden der Heilsarmee in Berlin die Rechte einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ verliehen, am 5. Juli 1954 tat dies auch die Hessische Landesregierung. Seit dem 10. Oktober 1967 besitzt die Heilsarmee in Deutschland eine eigene Verfassung und ist gleichzeitig in Nordrhein-Westfalen durch Gesetz des Landtags als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ anerkannt.
Damit ist dieser Rechtscharakter als „öffentlich-rechtliche Körperschaft“ ist nicht nur durch Landes-, sondern auch durch Bundesrecht gewährleistet, wie MAUNZ / DÜRIG / HERZOG / SCHOLZ zum Art. 140 GG kommentieren. Die Gewährleistung der öffentlichen Körperschaftsrechte durch die Gesetzgebung der Länder beinhaltet einen zusätzlichen landesrechtlichen Rechtsschutz.
Die Heilsarmee in Deutschland ist also sowohl anerkannte „Religionsgesellschaft“ als auch „öffentlich-rechtliche Körperschaft“ und damit im Sinne des Art. 140 GG i.d.F. des Art. 137 Abs. 5 WRV eine „Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts“ bzw. in Anlehnung an Art. 7 (3) Satz 2 des Grundgesetzes eine „Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts“. Der Art. 140 GG übernimmt die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919.
2.3. Die soziale Arbeit der Heilsarmee
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In ihren Anlaufstellen hilft die Heilsarmee Menschen mit individuellen Problemen. Dazu gehört die Fürsorge bei sozialen Schwierigkeiten oder geistlichen Nöten, unabhängig davon, ob es mit einem einmaligen Gespräch sein Bewenden hat oder längerer Betreuung bedarf. Vernachlässigte Kinder oder vereinsamte Senioren werden ebenso in die Obhut genommen wie Trunkenbolde und Nichtsesshafte. Und so vielfältig wie die Schwierigkeiten der Menschen ist auch der unentgeltliche und unbürokratische Dienst der Heilsarmee. Die Heilsarmee arbeitet zudem mit anderen Organisationen und Behörden zusammen: z.B. in der Suchtkrankenhilfe, der Gefangenenfürsorge, der Aussiedlerbetreuung und in den Aufgaben des Suchdienstes.
Elf Jahre, nachdem die Heilsarmeearbeit 1886 in Deutschland begonnen hatte, wurde am 19. November 1897 das erste Mädchenheim in Berlin eröffnet. Damit begann die soziale Tätigkeit der Heilsarmee in Deutschland.
Heute umfassen die soziale Einrichtungen schwerpunktmäßig Bereiche der Jugendhilfe und Altenhilfe sowie die Betreuung von Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, wie z.B. Obdachlose, Alkoholkranke usw.
Die Heilsarmee in Deutschland ist als freier Wohlfahrtsträger Mitglied des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie unterhält Wohnheime für Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder sowie Alten- und Pflegeheime, Seniorenwohnhäuser, sozialtherapeutische Einrichtungen, therapeutische Wohngruppen, verschiedene Arbeitsprojekte für Langzeitarbeitslose, Sozialzentren, ein Heim für Über- und Aussiedler, Sozialberatungsstellen mit Kleiderkammern und Gebrauchtmöbellagern sowie eine AIDS-Beratungsstelle.
Außerdem befinden sich in der Trägerschaft der Heilsarmee ein Krankenhaus für chronisch Kranke, ein Kindererholungsheim für Kinder aus minderbemittelten Familien, ein Ferien- und Schulungszentrum, eine Tagungs- und Freizeitstätte sowie ein Jugendaufbauwerk (Internatsschule zur Berufsbildung für Jugendliche).
Zusätzlich zu diesen Sozialeinrichtungen gehört auch die Gefangenenfürsorge zu den Aufgaben der Heilsarmee. Auch der Suchdienst zählt zum sozialen Dienst der Heilsarmee. Im Durchschnitt werden 120 neue Fälle pro Jahr an ihn herangetragen. Über 50 Suchaktionen können jährlich in Zusammenarbeit mit den internationalen Suchdiensten der Heilsarmee erfolgreich abgeschlossen werden.
3. Die Heilsarmee in Hamburg
3.1. Die Entwicklungsgeschichte der Heilsarmee in Hamburg
Die Heilsarmee in Hamburg besteht seit 1890 und hat zu ihrem einhundertjährigen Bestehen eine Festschrift herausgegeben, in welcher zahlreiche Persönlichkeiten ihre Grußworte veröffentlichen ließen. Der Erste Bürgermeister Henning Voscherau dankte darin der Heilsarmee mit den Worten „Hamburg hat in seiner langen Geschichte oftmals Vertriebenen und andernorts nicht Wohlgelittenen Aufnahme und Heimat geboten. So erging es vor 100 Jahren auch Georg Railton. Als der einstige Leiter der damals noch jungen Heilsarmee aus Preußen ausgewiesen wurde, nahm die Hansestadt ihn auf. (…)“ Manch einer hat nur verschwommene Vorstellung von der Arbeit der Heilsarmee. Mit einem Heer von Helfern hat sie bereits bei der großen Choleraepidemie von 1892 unzähligen Menschen geholfen, auch bei der Flutkatastrophe von 1962 viel Not gelindert.
Doch der Anfang war alles andere als verheißungsvoll. Georg Scott Railton, Leiter der Heilsarmeearbeit in Deutschland, war oft in Schwierigkeiten, da er als Ausländer im Deutschen Reich unerwünscht war. Und als er 1890 von der Beerdigung Catherine Booth‘ aus London kam, fand er wieder einmal die Grenzen Preußens für ihn gesperrt. Er blieb in Hamburg und bezog ein Domizil am Schweinemarkt (heute: Lange Mühren) und setzte dann von hier aus seine Betreuungstätigkeit in Deutschland fort.
Als 1892 im Gängeviertel die Cholera ausbrach, leisteten die bisher nur wenigen Heilsarmeemitglieder Hilfe und als auf dem Höhepunkt der Epidemie nicht nur die Kneipen, sondern auch die Kirchen ihre Türen für die Totengräber der Ohlsdorfer Massengräber schlossen, richtete die Heilsarmee besondere Versammlungen für die Ausgestoßenen ein.
Bis etwa 1910 waren die räumlichen Verhältnisse unbefriedigend und das Korps musste öfter umziehen. Erst 1922 konnten mit Devisen aus dem Ausland in St. Pauli und Altona eigene Häuser gekauft werden. Das Haus in der Talstraße 11-15 gehörte dazu. Hier wurde das Divisionshauptquartier eingerichtet, ein Korps und ein Hospiz.
Während des Dritten Reiches musste die Arbeit im Hospiz eingestellt werden. Im Krieg selbst wurde dann der Versammlungssaal zwangsweise geräumt und einer ausgebrannten Ofenfirma als Warenlager zugesprochen. Da das Haus während des Krieges aber keine größeren Schäden erlitt, konnten hier nach 1945 viele Familien eine Unterkunft erhalten. Eine Folge dieser Zeit war die manchmal eigenwillige Raumaufteilung auf den Etagen, die erst nach und nach im Zuge größerer Umbauten beseitigt wurde. Eine zweckgebundene Erbschaft ermöglichte dann noch in den Jahren 1989-90 einen größeren Umbau mit anschließender Modernisierung des Hauses.
3.2. Die Ausgangslage in Hamburg – Soziale Probleme
In der Mitte des 19. Jahrhunderts galten etwa 10 v.H. der Bevölkerung als notleidend und 65 v.H. als arm. Zu diesen ungefähr 75 v.H. der sogenannten Unterschicht Hamburgs gehörten Gesellen, Schreiber, Handlungsgehilfen, Arbeiter, Tagelöhner, Kutscher, Seeleute, Schauerleute und Dienstboten.
Das ganze Elend in Hamburg wird sichtbar an dieser innerstädtischen Unterschicht, welche zumeist in viel zu engen, schmutzigen, stinkenden und ewig nassen Gängen angesiedelt ist. Es war keine Seltenheit, dass Familien mit sechs Personen in einer Einzimmerwohnung ohne Wasseranschluss und ohne Toiletteneinrichtungen hausen mussten. Aus diesen extrem überbelegten Wohnungen in hafennahen, dichtbevölkerten Gegenden sind in erster Linie die Minderbemittelten als Opfer zahlreicher Erkrankungen zu beklagen. Diese unhygienischen und menschenunwürdigen Wohnverhältnisse waren zwar nicht der alleinige Auslöser von Typhus bzw. Fleckfieber, Tuberkulose, allen Arten von „Brechdurch- und Durchfall“ und vor allem der Cholera, wohl aber ihr Multiplikator.
Anhand von zwei Stadtteilen, die in der Wohn- und Lebensqualität völlig unterschiedlich sind, soll die Korrelation zwischen Wohnumfeld und Erkrankung nachgewiesen werden. Während die durchschnittliche Sterblichkeitsziffer pro Jahr in der Zeit von 1887 bis 1891 bei fast 25 pro Tausend Einwohner in Billwerder und bei fast 12 pro Tausend Einwohner in Harvestehude lag (in Harvestehude weniger als die Hälfte von Billwerder), bot sich bei den Choleraepidemien ein anderes Verhältnis. Im Jahre 1873 starben an der Cholera in Billwerder 18,7 Menschen pro Tausend und in Harvestehude 0,9 Menschen pro Tausend (in Harvestehude 4,8 v.H. von denen in Billwerder) und 1892 in Billwerder 24,16 pro Tausend und in Harvestehude 4,48 pro Tausend (in Harvestehude 18,5 v.H. von denen in Billwerder).
Hinzu kam, dass die Hafen- und Hafengrenzgebiete von einer Bevölkerung bewohnt wird, die sich zum größten Teil aus Hafenarbeitern zusammensetzt. Dieser Personenkreis ist auf die Nähe zum Arbeitsplatz angewiesen und hat aufgrund der niedrigen Einkommensverhältnisse erhebliche Probleme, den täglichen Kampf mit den Nahrungssorgen zu bestehen.
3.3. Die Sozialeinrichtungen der Heilsarmee in Hamburg
Die Heilsarmee fand viele Aufgaben vor, und sie begann sofort, die drängenden Probleme anzugehen. Sie richtete noch im vorigen Jahrhundert in der Hammerlandstraße (Hamm: östlich Außenalster) ein Frauenheim ein und in den Jahren danach von 1904-13 entstanden in Borstel, in der Gustavstraße, Albertstraße (Hammerbrook) und am Nagelsweg (St. Georg) große Männerheime, die zusammen über fast 550 Plätze verfügten. Altona bekam das „Brockenhaus“ und in den zwanziger Jahren kamen Frauenheime in der Winckelstraße (Wincklerstraße in der Neustadt) und in der Neuen ABC-Straße (Neustadt) und das Hospiz in der Talstraße (St. Pauli) hinzu. In Harvestehude wurde im Jahre 1930 eine frühere Schule gekauft und als Altersheim eingerichtet. Nach 1945 richtete die Heilsarmee in Harburg das Jakob-Junker-Heim für Lehrlinge ein, in Eppendorf und am Kaltenkirchener Platz (Altona) Mädchenheime und im ehemaligen Harburger Gefängnis noch ein weiteres großes Männerheim.
Nach dem Krieg entwickelten sich, angeregt durch die Heilsarmee Großbritanniens, zusätzliche zahlreiche Aktivitäten: Höhensonnenbehandlungsräume für rachitisch erkrankte Kinder, Suppenküchen, Wärmestuben und Kindertagesheime in Baracken.
Und was ist von dieser umfangreichen sozialen Tätigkeit übriggeblieben? Während die Heime in Harburg aufgegeben werden mussten, erfüllt nur noch das Altersheim am Harvestehuderweg den Zweck, zu dem es gekauft wurde. Ebenso verschwanden die Baracken, ohne dass sie durch eine andere Räumlichkeit ersetzt werden konnten. Lediglich in Groß-Borstel wurde neu gebaut und in Harburg durch eine Beratungsstelle für alleinstehende Wohnungslose die Präsenz gewahrt bleiben.
Gegenwärtig verfügt die Heilsarmee in Hamburg nur noch über ein Korps in der Talstraße in St. Pauli. Der Offiziersmangel, aber auch finanzielle Erwägungen, erlauben es zurzeit nicht, an die Gründung eines zweiten Korps zu denken.
Und wer gehört zu dem Korps in St. Pauli? Das sind immerhin 104 Soldaten, die entweder noch im Berufsleben stehen oder bereits Rente beziehen. Dieser Kreis setzt sich zusammen aus Beamten, Arbeiter, Krankenschwestern und vielen Freunden. Neben den Mitgliedern der Heilsarmee und des Freundeskreises gehören noch viele andere Menschen dazu, die den Heimatbund oder Jugendclub, die Coffeebar oder den Seniorenkreis besuchen. Die Krabbelkinder vom Mutter-Kind-Treff werden erwähnt und auch der Alkoholiker, für den Heilsarmee „seine“ Kirche war.
Die Aktivitäten in den Einrichtungen sehen tägliche und wöchentlich wiederkehrende Veranstaltungen zu festen Zeiten vor, die zum Teil im Gebäude Talstraße, aber auch auf öffentlichen Straßen und in Gaststätten stattfinden; dazu gehört auch noch die genau bestimmte Zeit für die Kleiderausgaben für Männer und Frauen.
4. Schlussbemerkung
Der Bericht über die Heilsarmee hat gezeigt, dass deren Mitglieder ihre Mission nicht nur in „eifernder“ Evangelisierung, Anprangern von Ausschweifungen und Trunksucht sehen, sondern vor allem in dem Dienst am Menschen. Und das geschieht ganz pragmatisch, indem man die Situation so nimmt, wie sie ist und hilft, wo und wie es nötig ist und damit von den Menschen angenommen werden kann.
Diese Sozialarbeit geschieht vor dem Hintergrund christlicher Überzeugungen, anders ist die Lebensphilosophie der Heilsarmisten nicht zu begreifen.
Henning Voscherau schrieb in seinem Grußwort zuletzt „Auf ihre helfenden Hände kann Hamburg nicht verzichten.“ Dieser Schlussbemerkung ist kaum etwas hinzuzufügen, sie soll auch für die vorliegende Arbeit gelten. Dennoch gibt die Verfasserin zu bedenken, dass Henning Voscherau mit seinem Satz auch eine mahnende Diagnose unserer Gesellschaft gemeint haben könnte.
5. Quellen
- Gnewekow, Dirk / Hermsen, Thomas (1993): Die Geschichte der Heilsarmee: Das Abenteuer der Seelenrettung. Eine sozialgeschichtliche Darstellung, Opladen.
- Heimowski, Uwe (2006): Die Heilsarmee, Schwarzenfeld.
- Heinrich, Frank / Heimowski, Uwe (2013): Von der Heilsarmee in den Bundestag, Schwarzenfeld.