US-Präsident Barack Obama wählt am 25.10.20212 in Chicago, Illinois
Die Vereinigten Staaten kennen bei der Präsidentenwahl nur das Mehrheitswahlrecht. Das Bild zeigt den ehemaligen US-Präsident Barack Obama am 25.10.20212 in Chicago, Illinois bei der Wahl – Bild: Gemeinfrei

Allein die Vorstellung, durch Wahlen eine demokratische Mitwirkung erreichen zu können, ist abstrakt. Es bedarf vieler Voraussetzungen für eine reelle Chance der Teilhabe am demokratischen Geschehen. Eine Voraussetzung ist gegeben, wenn durch ein umfassendes Wahlrecht die Beteiligung der gesamten Wahlbevölkerung möglich ist und eine weitere Voraussetzung würde, mit Einschränkung, durch eine gesetzlich vorgeschriebene Wahlpflicht erfüllt sein.

Die als zweite Voraussetzung genannte gesetzlich vorgesehene Wahlpflicht kollidiert mit dem demokratischen Grundprinzip auf Wahlfreiheit, da die Ausübung des Wahlrechts ohne Zwang, Nötigung oder Kontrolle zu gewährleisten ist. Es gibt allerdings gegenteilige Meinungen, die den Standpunkt vertreten, dass eine gesetzliche Wahlpflicht die Wahlfreiheit nicht außer Kraft setzt, lediglich den Gang zur Wahlurne als Verpflichtung betrachtet.

Als erste Voraussetzung wurde ein umfassendes Wahlrecht genannt, welches die Beteiligung der gesamten Wahlbevölkerung ermöglichen kann. Eine grundsätzliche Analyse des Wahlrechts lässt erkennen, dass die Aussicht auf Beteiligung am politischen Geschehen in Teilen nur eingeschränkt möglich ist. Anhand der verschiedenen Wahlsysteme aus Mehrheitswahl und Verhältniswahl soll diese These erläutert werden.

Die Mehrheitswahl hat einen personenbezogenen Charakter, da für die individuelle Wahlentscheidung die jeweilige parteipolitische Präferenz den Ausschlag gibt. Das bedeutet, die Mehrheitswahl kann zu einer Verfälschung des Wählerwillens führen, da Stimmenverteilung und Mandatsverteilung eines ganzen Wahlgebietes nicht immer dem Grundsatz der Erfolgswertgleichheit entspricht.

Deutlich wird diese Einschätzung am Beispiel des Einmann-Wahlkreises. In diesem Fall ist für eine Wahlentscheidung entweder die relative Mehrheit oder die absolute Mehrheit erforderlich. Bei diesem System der Mehrheitswahl gehen die Stimmen verloren, die nicht für den Wahlgewinner abgegeben wurden. Damit wird ein Teil der Bevölkerung von der demokratischen Mitwirkung, sieht man vom reinen Wahlakt ab, ausgeschlossen.

Anders verläuft das Prozedere bei Mehrmann-Wahlkreisen, in denen die Bewerber in der Reihenfolge der für sie abgegebenen Stimmen gewählt sind. Auf diese Weise wird erreicht, dass die Stimmen, die nicht für den Sieger abgegeben werden, nicht verlorengehen.

Die Verhältniswahl hingegen ist eine Listenwahl mit einem Kandidatenverzeichnis. Die Aufstellung der Kandidaten erfolgt durch die politischen Parteien. In diesem System kann der Wähler zunächst zwischen verschiedenen programmatischen Alternativen entscheiden, ohne direkt eine personelle Auswahl treffen zu können.

Da die Listenwahl aber die Festlegung auf unterschiedliche Listenformen erlaubt, ist es möglich, in der „lose gebundenen Liste“ die Reihenfolge der Kandidaten zu ändern, indem der Wähler einem Kandidaten mehrere Stimmen gibt (kumulieren). Bei der „freien Liste“ kann der Wähler nicht nur die Reihenfolge auf einer Liste ändern, sondern er kann auch Kandidaten aus verschiedenen Listen auswählen (panaschieren). In diesem Fall besteht also die Möglichkeit, der personellen Präferenz für die Wahlentscheidung eine größere Bedeutung zukommen zu lassen als der parteipolitischen. Sowohl im System der lose gebundenen Liste als auch in dem der Freien Liste ist „augenscheinlich“ die Chance für ein Höchstmaß an demokratischer Mitwirkung verwirklicht, da Parteipolitik und Kandidaten individuell ausgewählt werden können.

Die Listenwahl kennt außerdem noch die „gebundene“ oder die „starre“ Liste, und hier ist der Wähler an die festgelegte Reihenfolge der Kandidaten gebunden. Auf die Bestimmung der Personen, die das von ihm bevorzugte politische Programm vertreten sollen, hat er keinen Einfluss. In diesem System ist „augenscheinlich“ die Möglichkeit der demokratischen Teilhabe nicht optimal gelöst.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mehrheitswahl bei Einmann-Wahlkreisen große Teile der Wahlbevölkerung nicht an der demokratischen Mitwirkung beteiligt, da Wählerstimmen untergehen. Anders ist die Situation bei Mehrmann-Wahlkreisen, in welchen die Wählerstimmen nach der Reihenfolge der Stimmenanzahl vergeben werden und mithin nicht verlorengehen.

Das System der Verhältniswahl bietet gegenüber der Mehrheitswahl bessere Chancen für eine demokratische Beteiligung, da die Wähler grundsätzlich individuell die Partei auswählen, deren Programmatik ihren Vorstellungen entspricht.

Beiden Systemen gemeinsam ist das Problem der Kandidatenaufstellung, von welcher die Wahlbevölkerung fast vollständig ausgeschlossen ist. Die Kandidatenlisten werden dem Wähler vorgelegt, nachdem sie vorher in internen Parteigremien festgelegt und auf Parteitagen beschlossen wurden. Hätte nicht jeder Wähler zumindest theoretisch die Möglichkeit, in der Partei seiner Wahl mitzuarbeiten, könnte dieses Vorgehen als undemokratisch bezeichnet werden und schlimmstenfalls Wahlen ad absurdum führen.

Wahlen und Wahlrecht

Es war ein weiter Weg, der von den Wahlen in der Zeit des Altertums bis hin zu den heutigen modernen Wahlen führte. Dieser Verlauf wird in dieser Serie von Marianne Eule zur Geschichte der Wahlen und des Wahlrechts nachgezeichnet. Einen Überblick der Serie erhalten Sie hier.

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