Cover des Buchs Unwillige Volksgenossen von Peter Longerich
Longerich arbeitet das Innenleben der deutschen Gesellschaft während des Nationalsozialismus heraus. © Bild 2025 by Siedler Verlag, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Ein interessantes Buch ist von Peter Longerich im Siedler-Verlag erschienen: “Unwillige Volksgenossen” ist eine umfassende Auswertung von behördlichen Dokumenten und Einschätzungen aus dem sozialistischen Exil, die ein Stimmungsbild der Deutschen zeigt, das einerseits bekannt ist, andererseits aber auch in manchen Teilen überrascht, ohne dabei verharmlosend zu wirken.

Peter Longerich ist ein bekannter deutscher Zeithistoriker, der als Professor in London und München lehrte. Seine Biographien über Adolf Hitler, Heinrich Himmler und Joseph Goebbels sind international angesehen.

Das Buch “Unwillige Volksgenossen” dürfte – das kann man unumwunden behaupten – eine große Fleißarbeit gewesen sein. Longerich verarbeitet eine große Zahl verschiedener Quellen: So nimmt er beispielsweise Berichte der Regierungspräsidenten, Stimmungsberichte des Sicherheitsdienstes (SD) und Einschätzungen des Exilvorstandes der sozialdemokratischen Partei (Sopade) auf. Letztlich macht diese Breite und Fülle das Buch zu einer wertvollen Ressource, wobei Longerich auf eine kritische Würdigung der verschiedenen Quellen achtet.

Keine Überraschung ist, dass sich die heute verschiedentlich anzufindende holzschnittartige homogene Darstellung der deutschen Bevölkerung nicht in den Berichten wiederfindet. Gerade in der Anfangszeit wurde beispielsweise in den internen Berichten des NS-Regimes die Unzufriedenheit in bestimmten Bevölkerungsteilen sehr genau registriert. Dass die Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten nicht zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen führte und bestimmte Gruppen besonders belastet wurden, führte zu Kritik, die aber letztlich hinter vorgehaltener Hand geäußert wurde. Dass im Zuge der Errichtung der Diktatur Nationalsozialisten in staatliche Ämter (vor allem auf kommunaler Ebene) gelangten, ohne hierfür Kompetenzen zu haben, führte gerade in eher konservativ geprägten Gegenden zu Unruhe. Auch das selbstherrliche und willkürliche Verhalten von NS-Bonzen wurde von der Bevölkerung kritisiert und in den Berichten aufgenommen.

Interessant ist dabei, wie vorsichtig die Verfasser der Behördenberichte agieren. Die Unzufriedenheit und kritische Stimmung wird beinahe verschlüsselt mitgeteilt – wohl um keine eigene Angriffsfläche zu bieten und nicht als Defätist zu gelten.

Nach der Lektüre des Buches lässt sich festhalten, dass mitnichten alle Deutschen glühende Nationalsozialisten waren. Wie die NSDAP dann aber doch sämtliche demokratischen gesellschaftlichen Kräfte im Deutschen Reich ausschalten und eine stabile Diktatur errichten konnte, ist eine Frage, die gerade in heutigen Zeiten Aufmerksamkeit bedarf.

Für wen ist dieses Buch also geeignet? Die Lektüre dürfte sich für Leserinnen und Leser eignen, die sich vertieft mit dem Innenleben der deutschen Gesellschaft während des Nationalsozialismus beschäftigen wollen. Es ist allerdings kein schnell gelesenes Buch; das Werk lebt gerade von dem Detailgrad und dem Umfang – anders könnte ein Stimmungsbild auch überhaupt nicht erstellt werden.

Kurz zusammengefasst

  • Inhalt: Breite Auswertung von Quellen wie SD-Berichte, Regierungspräsidenten-Dokumente und Sopade-Einschätzungen.
  • Kernbefund: Die deutsche Bevölkerung war keineswegs homogen oder durchgehend NS-begeistert; es gab Unzufriedenheit, Kritik an Wirtschaftspolitik, inkompetenten NS-Funktionären und willkürlichem Verhalten.
  • Relevanz: Das Buch zeigt, dass die NSDAP trotz verbreiteter Skepsis eine stabile Diktatur errichten konnte – eine Frage mit hoher Aktualität.
  • Zielgruppe: Leserinnen und Leser mit Interesse an der gesellschaftlichen Innenperspektive des NS-Regimes; kein leichtes, sondern ein detailreiches und arbeitsintensives Werk.

Kurz gesagt: Ein tiefgründiges Quellenwerk, das die Vielschichtigkeit der deutschen Gesellschaft im NS-Staat sichtbar macht und gängige Vereinfachungen korrigiert.

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