Auf dem Gebiet des heutigen Balkan und an der Westküste des Schwarzen Meeres existierte eine der frühesten Hochkulturen der Menschheitsgeschichte. Den Archäologen ist es in den letzten 20-30 Jahren gelungen, Beweise für die Existenz dieser zu finden. Den Einfluss der Kultur kann man im Altgriechischen sogar noch nachweisen. Die Wurzeln dieser Hochkultur reichen 7000 Jahre und mehr zurück. Das meiste von dem, was wir heute über sie wissen, muss mühsam hergeleitet, erforscht und analysiert werden. Dabei kann man allerdings nicht von einem Staatsgebiet sprechen, denn viele Siedlungen waren voneinander unabhängig. So bildeten sich viele verschiedene kulturelle und religiöse Eigenheiten heraus. Selbst die Siedlungsstruktur unterschied sich von denen der Nachbarn. Dennoch können wir von einer Hochkultur sprechen. Kunst, Religion, Ackerbau, technologischer Fortschritt, Sprache, Handwerk und Bauwesen waren sehr viel früher entwickelt, als in Mesopotamien, der eigentlich ältesten Hochkultur. Sogar eine eigene Schriftsprache war bereits vorhanden. Bekannt in der Forschung ist die Hochkultur unter dem Namen Donauzivilisation und Alteuropa.

Inhaltsverzeichnis

Autor: Oliver Jäger (Google+)

  1. Gesellschaft
  2. Religion
  3. Handwerk und Handel
  4. Niedergang
  5. Quellen

 

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Gesellschaft

Anders als in Mesopotamien und Ägypten bildete Alteuropa kein Staatengefüge aus. An der Spitze eines Staates standen und stehen bestimme Eliten. Priester, Pharaonen, Kaiser, Könige oder in der heutigen Zeit: Politiker. Dies schien die Donauzivilisation nicht gekannt zu haben. Das heißt, dass die einzelnen Kulturen keiner zentralen staatlich-politischen Kontrolle unterlagen. Erkennen kann man dies auch an den fehlenden Prestige- und Prachtbauten, wie z.B. Paläste oder Herrenhäuser. Die Gesellschaft an und für sich war nicht hierarchisch geordnet, vielmehr gehen die Archäologen davon aus, dass es innerhalb einer Gemeinschaft gemeinsam genutzte Ressourcen gab.
Frauen nahmen innerhalb der Gesellschaft eine höhere Rolle ein, ohne das sich dabei das sogenannte Matriarchat ausbildete. Sie stellten das Familien- bzw. Sippenoberhaupt. Viel wichtiger waren die Beziehungsnetzwerke innerhalb einer großen Gemeinschaft, also zwischen den Geschlechtern, den Familien und Sippen, Handwerkern und Händlern sowie Dörfern und Städten. Es wird angenommen, dass meist Großfamilien (Großeltern, Eltern, Kinder) ein Haus bewohnten, welches zudem noch Platz für Vieh bot. Da man bei den Ausgrabungen keine flächendeckenden Brandspuren fand, gehen die Archäologen davon aus, dass der Kontakt zwischen den Siedlungen friedlich verlief.

 

Religion

Im Mittelpunkt standen vorwiegend weibliche Gottheiten, so als weibliche Naturgeister, Mutter Erde oder auch als Erntegöttinnen. Ebenso existierte in manchen der Kulturen eine „Große Göttin“. Auch ein Mischstil existierte in den Darstellungen, also eine Verschmelzungen von Menschen mit Tieren. Den Platz der Großen Göttin nahmen vermehrt spezifische Einzelgöttinnen ein. Diese hatten ihr jeweiliges Aufgabengebiet, wie Fruchtbarkeit, Ernte, Gesundheit oder Schutzpatronin. Das die Religion bei den Alteuropäern ausgeprägt war, zeigen Kulte und deren Praktiken, Prozessionen sowie dazugehörige Rituale. Musik, Tanz und Masken dienten der Ausübung. Ein lokales Heiligtum wurde von der ortsansässigen Sippe unterhalten. Sobald der letzte Vertreter einer Sippe verstorben war, brannte man das Haus nieder. Dies diente der rituellen Bestätigung des Lebensendes.

 

Handwerk und Handel

Handwerklich waren sie so weit fortgeschritten, dass man ihre Zusammenarbeit vielleicht am besten als Zunft beschreiben kann. Jeweils eine Gruppe von Menschen war auf ein bestimmtes Handwerk spezialisiert. Unter diesen Gruppen fand ein reger Austausch an Waren statt, so dass sie sich gegenseitig versorgten und zuarbeiteten.
Nah- und Fernhandelsrouten existierten bereits. Ein reger Warenverkehr sorgte für Wachstum der Städte und deren Reichtum. Obsidian bildete die Grundlage für Werkzeuge wie Schaber und Klingen, aber auch für den Handelsverkehr. Begehrt waren außerdem Spondylus-Muscheln. Aus diesen Muscheln wurde vorwiegend Schmuck gefertigt. Weiterhin dienten sie gestoßen zu Kalk als Färbe- und Stabilitätsmittel für Tonwaren. Es existierten darüber hinaus Alltagsgegenstände und religiöse Artefakte, die aus Spondylus gefertigt wurden. Verschiedene Gegenstände aus dem Gebiet der Donauzivilisation wurden bei archäologischen Ausgrabungen über ganz Europa verteilt gefunden. Ein weiteres wichtiges Handelsgut bildete das Salz, welches vorwiegend aus unterirdischen Vorkommen, meist salzhaltigen Quellen, gewonnen wurde. Eingetauscht wurde es auch gegen Kupfer. Die Schmiede Alteuropas bewiesen großes Geschick in der Verarbeitung dieses Materials. Ein ähnliches Volumen an der Herstellung von Kupfergegenständen sollten Ägypten und Mesopotamien erst tausende Jahre später erreichen. Für den Handel existierten zudem Boote und Schiffe für küstennahen Verkehr. Familien bewohnten teilweise Häuser mit einer Grundfläche von bis zu
100 Quadratmetern. In den Städten waren zweistöckige Reihenhäuser keine Seltenheit.

 

Niedergang

Östlich dessen, was wir als Siedlungsgebiet Alteuropas betrachten lebten Steppennomaden, die regen Handel mit den unterschiedlichen Siedlungen trieben. In dem Grenzgebiet siedelten sich nach und nach Nomaden an, heirateten in die bestehende Familien ein und konnten so ein Teil der Warenproduktion übernehmen. Es wird angenommen, dass sich in diesem Grenzgebiet einzelne Eliten etablieren konnten. Dabei konnte allerdings nicht geklärt werden, ob die Eliten von außerhalb kamen oder ob sich innerhalb der bereits bestehenden Bevölkerung eine neue Tradition abzeichnete. Diese neuen Eliten übernahmen politische und militärische Aufgaben. Bei der Übernahme der Kontrolle über die Siedlungen verlief friedlich. Ein Umschwung des Klimas 4000 Jahre vor unserer Zeitrechnung hatte zur Folge, dass vermehrt Siedlungen aufgegeben worden sind und größere Gruppen von Steppennomaden gezwungen waren weiter in den Westen vorzudringen. Es wurde merklich kühler, so dass mit der Zeit die Viehhaltung vor dem Ackerbau dominierte. Eine Nahrungsverknappung trat ein. Dies begünstigte soziale Unruhen und Kriege.
Mythologie, technische Entwicklung, Sprache und Schrift fanden den Eingang in andere Kulturräume. Die Errungenschaften dieser Hochkultur strahlten auf die Entwicklungen des alten Griechenlands ab, so wie wir es kennen und auch der Nahe Osten profitierte von dem Wissen Alteuropas.

 

Quelle

Haarmann, Harald: Das Rätsel der Donauzivilisation. Die Entdeckung der ältesten Hochkultur Europas. München, 2011.

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