Cover des Buchs "Diesseits der Mauer"
„Diesseits der Mauer“ von Katja Hoyer ist phantastisch geschrieben und bietet viele neue Aspekte über die Geschichte der DDR. (c) 2023 Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

Wenige Sachbücher haben eine derartige Aufmerksamkeit bei Veröffentlichtung erhalten wie Katja Hoyers Bestseller „Diesseits der Mauer“. Die Autorin möchte eine neue Geschichte der DDR schreiben. Im SPIEGEL nahm auf ein Interview mit der jungen Autorin, die gerade einmal 38 Jahre alt ist, Franziska Kuschel in einem Verriss (anders kann man es nicht nennen) Stellung: Das Buch sei ein Ärgernis, weil es einseitig und grotesk verkürzt sei – zudem seien faktische Fehler enthalten.

In einem SPIEGEL-Leitartikel kritisiert Felix Bohr eine „Wohlfühlgeschichtsschreibung“, wobei er hier neben Christopher Clark („Die Schlafwandler“) auch Hoyer und ihr Buch „Diesseits der Mauer“ nennt. Das kritische Verhälntis zur eigenen Geschichte dürfe nicht geopfert werden, so Bohr in seinem bemerkenswerten Artikel, der viele richtige Gedanken enthält.

Diese Debatte weckt Erwartungen und ich war auf das Buch gespannt, wie auf wenige zuvor. Die Schärfe der Debatte und Vorwürfe kann ich nach der Lektüre aber nicht nachvollziehen. Kurz zusammengefasst: „Diesseits der Mauer“ ist phantastisch geschrieben, kurzweilig wie ein Roman, der mit einer anderen Schwerpunktsetzung aufwartet – die „neue“ Geschichte der DDR soll das Alltagsleben der 17 Millionen Bürger in den Blick nehmen.

Das Buch über die DDR beginnt dabei mit der Biographie des Mannes, der sie über Jahre prägen sollte – Walter Ulbricht. Es ist der richtige Ansatz, die Erlebnisse des Kommunisten – vor allem in der Sowjetunion zu Zeiten von Stalins Säuberungen – an den Anfang zu stellen, um verstehen zu können, wie die sozialistische Führungselite geprägt war. Dabei arbeitet Hoyer die zunehmende Entfremdung zwischen Bürgern und dem SED-Apparat anschaulich heraus: Bestes Beispiel ist die sogenannte Waldsiedlung, wo die SED-Führung unter sich abgeschottet mit Stasi-Bewachung lebte.

Es kann auch kaum die Rede davon sein, dass die Diktatur – die die DDR fraglos war – verharmlost wird: Das Buch widmet sich umfassend dem Aufbau der Stasi und zeigt, wie diese unter Mielke zunehmend jeden Lebensbereich erfasste und wie dadurch die DDR zu einem der größten Polizeistaaten der Welt wurde. Wenn die brutalen und menschenunwürdigen Foltermethoden der Stasi beschrieben werden, erfolgt das sehr eindrücklich und schonungslos. Nicht anders bei den Mauerschützen, wobei eben auch die (oftmals) jungen Grenzschützer in den Blick genommen werden.

Die lesenswertesten Abschnitte des Buchs sind jedoch die über die Lebensläufe der normalen Bevölkerung: Es ist eine Binsenweisheit, dass Menschen auch in Diktaturen Freude und Glück empfinden. Allein die Schrecken der Diktatur zu betonen, wird aber dem Leben vieler Millionen Menschen vor der Wende nicht gerecht. Wenn man die nach wie vor bestehenden Ost-West-Unterschiede (schon allein im Wahlverhalten) betrachtet, sollte man merken, dass auch die ostdeutsche „Seele“ in den Blick genommen werden muss. Es macht etwas mit Menschen, wenn sich innerhalb weniger Jahre das Leben um 180° dreht und in nicht wenigen Fällen die bisherige Lebensleistung kaum mehr einen Wert hat.

Eine Empfehlung von Geschichte-Wissen

Ich kann das Buch von Katja Hoyer über die DDR-Geschichte sehr empfehlen. Lebendig und spannend geschrieben, werden neue Aspekte aufgenommen. „Diesseits der Mauer“ ist im Hoffmann und Campe Verlag erschienen. Es kann für 28,00 € im Buchhandel erworben werden. Wenn Sie das Buch über diesen Link bei Amazon erwerben, erhält Geschichte-Wissen eine anteilige Provision.

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