Auch wer sich in der römischen  Geschichte nicht gut auskennt, weiß etwas von römischen Kulten, nämlich vom Kaiser- oder Herrscherkult. Wenn ein Christ es ablehnte, dem Kaiser zu opfern, wurde er auf die eine oder andere Art zum Märtyrer, so wird es im Religionsunterricht gelehrt, jedenfalls im christlichen.

Der Kaiserkult

Der Kaiserkult ist naturgemäß eine späte Form der Religionsausübung im Römischen Reich. Der Kaiser Augustus (Der Erhabene, 27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) hat nicht nur eine neue Regierungsform begründet, sondern im Rahmen seiner Religionsreform auch einen neuen Kult geschaffen. Als Pontifex Maximus, ernannt 12 v. Chr., hatte er die Macht dazu.
An den Altären für„Roma und Augustus“ wurden Opfer in Form von Weihrauch und Wein(thure ac vino) gebracht. Bei großen Festen erfolgte das gemeinschaftlich, aber auch der Einzelne konnte hier seine Gaben darbringen und hierfür die Erfüllung seiner Wünsche erbitten. Der neue Kult hatte Tempel, Feste und Priester in allenProvinzen. Auf der italischen Halbinsel war es allerdings verboten, dem Kaiser göttliche Ehren zu erweisen; Ausnahme war divus julius, der vergöttlichte Gaius Julius Cäsar. Er war der erste vergöttlichte Herrscher, ihm sollte Augustus folgen und dann viele, viele andere.
Einen ersten Altar zu Ehren von Roma und Augustus hat Drusus im Jahr 12 v. Chr. in der Provinz Gallien, in Lyon (lugdunum) errichtet. Sein Aussehen ist bekannt: Die corona civica (Bürgerkrone) zwischen zwei Lorbeerzweigen und zwei stilisierten männlichen Figuren, rechts und links davon zwei Säulen mit einander anschauenden kranzhaltenden Victorien.
Wahrscheinlich war die Teilnahme an den Zeremonien verpflichtend für alle Bürger Roms und alle Untertanen des Reiches. So auch für die Soldaten, für sie war es Teil ihres Dienstes. Die Funktionsträger hatten natürlich Pflichten über die Teilnahme hinaus.
„Im Folgenden geht es weniger um das religiöse Leben des Soldaten als Individuum, sondern die Handlungen, die er als Angehöriger eines Kollektivs vollbrachte. Dabei sind sowohl kollektive Handlungen von Einheiten (legio, centuria, vexillatio) als auch bestimmter Gruppen gemeint, die durch die Gleichheit ihrer Tätigkeit zusammengeschlossen werden (centuriones, baioli, tubicines).
1. Kollektive Teilnahme an regelmäßigen Veranstaltungen zu Ehren des regierenden Kaisers und seiner Familie.
2. Teilnahme an Zeremonien der Einheit wie Erneuerung des sacramentum und die nuncupatio votorum. (sacramentum = Treueid auf den Kaiser)
3. Teilnahme am religiösen Gemeinschaftsleben der Einheit (rosaliae signorum, natalis signorum)
4. Teilnahme an allgemeinen Festen des römischen Kalenders.“ (Peter Herz, siehe Quellenangabe)

Die römische Staatsreligion

Es scheint, dass im weiten römischen Reich jeder nach seiner Fasson selig werden konnte, Götter jeglicher Ordnung gab es genug. Aber wehe, wenn er die erforderlichen „Formalitäten“ nicht einhielt. Wer nicht zur richtigen Zeit, am rechten Ort die richtigen Gottheiten um das Richtige bat, musste mit Zorn und Strafe rechnen. Und aus der Erfüllung seiner Wünsche wurde nichts. Dass es aber doch häufig zur Wunscherfüllung kam, beweisen die zahlreichen erhaltenen Weihesteine, auf denen der Dank immer mit dem Kürzel „VSLM „ ausgedrückt  wurde: votum solvit libens merito (das Gelübde gerne und nach Verdienst ‚der Gottheit‘ eingelöst). Ganz sicher ging man, wenn man die Ansprechpartner bündelte oder sich ganz einfach an alle Götter und Göttinnen wandte.
Die Anrufung von Jupiter, Mars und Victoria war für einen Soldaten sicher der richtige Weg. Auch Janus darf zu den Göttern gezählt werden, die für die Soldaten wichtig waren. Vor einem Feldzug wurden die Tore seines Tempels geöffnet, damit er sich auf das Schlachtfeld begeben konnte.
Ganz offiziell waren die Opferhandlungen für Jupiter (juppiter) Optimus Maximus und – als Kaiserkult bezeichnet – Roma und Augustus. Dazu waren alle Reichsbewohner verpflichtet. Im privaten Bereich herrschten die Penaten (penates) und Laren (lares). Für sie gab es im Haus ein so genanntes lararium, einen Altar, auf dem der pater familias jeden Tag opferte. Damit auch das umgebende Land nicht ohne Schutz war, gab es die Genien, etwa den genius loci.
Tatsächlich gedachte man aber nicht des Jupiter allein, ihm beigesellt, sowohl in der Vorstellung als auch in den Kapitolinischen Tempeln sind Juno und Minerva, Frau und Tochter sozusagen. Jupiter wurde mit den Attributen Zepter, Blitzbündel und Adler, Juno mit Zepter, Opferschale und Pfau, Minerva mit Helm und Schild dargestellt.
„Römischer Staat und römische Religion waren zu allen Jahrhunderten aufs innigste verbunden. Sie waren es derart, daß eine Trennung oft schwer ist. Das römische Gemeinwesen ruhte auf religiöser Grundlage, und es bleibt im Tiefsten unverstanden, wenn man von der religiösen Haltung der Römer absieht. Alles: Verfassung und politisches Handeln, die Geschichte des Einzelnen und des Ganzen ist durchdrungen von religio.“ (aus Cassius Dio, Franz Altheim)

Götter und Helden der Soldaten

Die Kämpfer erhofften sich einen besonderen Schutz von einer  Reihe von Kräften, die Militärgötter genannt wurden, dii militares, und die ihnen im alltäglichen Leben behilflich waren, insbesondere auf dem Übungsplatz und mehr noch auf dem Schlachtfeld.  Es werden vier Hauptgruppen gesehen: die großen Götter, vergöttlichte Abstraktionen, Genien und Insignien.
Allen voran war natürlich Mars der Gott der Soldaten, ihre Göttin war die Victoria. Im Marstempel in Köln soll das Schwert des göttlichen Caesar aufbewahrt worden sein. Auch Hercules genoss göttliche Ehren, schließlich waren die Soldaten hart arbeitende Menschen. Dass Bacchus auf den Trinkgefäßen in den Canabae, den Kneipen bei den Lagern, dargestellt wird, wundert nicht. Aesculapius, der göttliche Arzt wird sicherlich in den Lazarettbauten der Legionslager seinen Platz gehabt haben. Und in der Unterwelt waltet Pluto seines Amtes. Für die Soldaten germanischer  Abkunft war die Unterwelt natürlich weniger trist, ihn erwarteten die Ehren und Wonnen Walhalls. Eine vergöttlichte Abstraktion war zum Beispiel die Göttin Roma, die Verkörperung des römischen Staates.
Im zweiten Jahrhundert kam aus dem Osten eine Religion, die den Vorstellungen der Soldaten entsprach: die Verehrung des heldenhaften Kämpfers Mithras. An vielen Legionsstandorten errichtete man Heiligtümer des Mithras, die Mithräen. Weil der Kult aus dem Osten kam, wurde er nicht unter die staatlichen Zeremonien aufgenommen. Es wurden bis heute etwa tausend Mithräen im gesamten römischen Reich ausgegraben. Der erste Kölner Dom wurde auf den Resten eines solchen Kultraumes erbaut, d.h. genauer gesagt auf den Resten von Wohnhäusern, in deren Kellern wahrscheinlich ein Mithräum bestand.

Neben der römischen Staatsreligion entwickelte sich eine offizielle Heeres- und Soldatenreligion (religio castrensis). Sie galt für die Legionen genauso wie für die bunt gemischten Auxiliareinheiten. Jupiter Optimus Maximus (IOM), der Kaiserkult, die Genien der Legion und die kultische Verehrung genießenden Feldzeichen waren ihre Eckpfeiler. Die Zeremonien dienten dem Zusammenhalt der Truppen.

Das Fahnenheiligtum

Der Mittelpunkt eines Legionslagers war das Fahnenheiligtum (aedes). Es war ein Teil der principia, der Verwaltungsgebäude eines Lagers, häufig war es das einzige Steingebäude des Lagers. Was vielleicht auch daran lag, dass die Legionskasse dort aufbewahrt wurde.
Dort aufgestellt waren das Kaiserbildnis und die fast religiös verehrten Feldzeichen. Zunächst der Legionsadler und daneben die Feldzeichen (signa) der Untereinheiten. Tagsüber zog vor dem Heiligtum eine Ehrenwache auf. Die Feldzeichen stellten die Verkörperung der Einheit dar, ihre Verteidigung hatte höchste Priorität.

Im Hofbereich der principia befand sich der Altar der Einheit, hier wurden an festgelegten Feiertagen Trank- oder Tieropfer dargebracht. Zu den wichtigen Feiertagen der römischen Armee, die in einem offiziellen Festtagskalender (feriale duranum) verzeichnet waren, gehörte das im Mai gefeierte Fest rosalia signorum, das Fest der rosengeschmückten Feldzeichen.Im Hof der principia trat die Einheit an und sah zu, wie in einem feierlichen Akt die Standarten mit Rosengirlanden geschmückt wurden. Zu dem Festakt gehörte eine Ehrung an die Götter. Ein wenig irritierend, das Schmücken der Feldzeichen mit Rosen, wenn man die martialischen Bilder der römischen Soldaten vor sich hat, wie sie in den Hollywood-Filmen zu sehen sind.
Ein weiterer wichtiger Festakt wurde am Geburtstag der Feldzeichen (natalis signorum) gefeiert. Dieses Fest wurde an den jeweiligen Gründungstagen der Truppe, an denen sie die Feldzeichen erhalten hatte, gefeiert.
Jede Auszeichnung, die den Soldatenzuteilwurde, wurde den Feldzeichen angeheftet wie die Orden dem Brustpanzer der Soldaten.

Adler und Genien

Ein dem Heer vorausfliegender Adler galt als siegverkündendes Omen: Jupiter selbst verheißt den Sieg. Der Verlust des silbernen Legionsadlers (aquila) zeigt nicht nur eine schmähliche Niederlage an, sondern bewirkt oft auch die Auflösung der betroffenen Einheit oder zumindest schwere Strafen. So wurde der Statthalter M. Lollius bei seinem Kampf mit der V. Legion gegen die Sugambrer, Usipeter und Tenkterer nicht etwa die verlorene Schlacht angekreidet, schlimmer war der Verlust des Legionsadlers. Die Rückführung der Legionsadler, die die Parther bei der Schlacht von Carrhae im Jahre 53 v. Chr. erbeutet hatten, im Jahre 20 wurde als große Tat des Augustus gefeiert.

Zuständig für die Feldzeichen war der Primipilus der Legion, also der 1. Centurio der 1. Cohorte. Er fungierte auch als Priester bei der Ehrung der Feldzeichen bei den Festen. Die Feldzeichen und Genien erreichten irgendwann den Rang „kleiner“ Götter, was sich an den Widmungen ablesen lässt.
„Eine dritte Kategorie von Schutzwesen neben den anthropomorphen Göttern und den Abstraktionen waren die Genien, Wesen, die den Schutzengeln des Katholizismus recht nahe kommen. Die einen übten eine ‚topographische‘ Funktion aus und waren an Bauwerke gebunden, hauptsächlich an das Lager, das geheiligtes Gebiet war und das ebenso durch ein Opfer, den beim Klang der doppelten Flöte zelebrierten suovetaurilia, eingeweiht wurde wie die Wohnung des Feldherrn, die Prätur oder augural. …Auch Genien von Legionen, Kohorten, Zenturien und der principales sowie bei den Hilfstruppen der Alen, Kohorten … sind bezeugt.“ (Yann de Bohec, s. Quellen)

Die suovetaurilia ist das große Opfer von Schwein, Schaf und Rind.

Der Totenkult

Der Zusammenhalt der Soldaten zeigte sich auch bei der Beerdigung eines Verstorbenen. Jeder Soldat, der die Armee verließ, zahlte eine bestimmte Summe in eine Gemeinschaftskasse ein und erhielt dafür die Zusicherung, dass ihm ein würdiger Grabstein gesetzt würde.

Die jeweiligen Bestattungsriten waren unterschiedlich, je nachdem ob es sich um Legionäre, also römische Bürger oder um Angehörige der Hilfseinheiten handelte. Die Beerdigung ist der erste und wichtigste Schritt des Totenkultes.Ein Weiterleben nach dem Tode war für die Römer eine Grundüberzeugung und die „di manes“ lebten unter der Erde. Römer wurden mitsamt einer Bahre verbrannt, die Asche in einer Urne gesammelt, die mit einem Leichenzug zum außerhalb des Lagers befindlichen Gräberfeld geleitet wurde. Das Grab wurde mit Blumen bepflanzt und galt als Locus religiosa.
Zu den Feierlichkeiten der Beerdigung im zivilen Bereich gibt es reichlich Literatur, wie weit man das auf die Feierlichkeiten anlässlich der Beisetzung eines Soldaten übertragen kann, wurde anscheinend bisher nicht untersucht. Da aber die Legionäre römische Bürger waren und die Veteranen das Bürgerrecht erhalten hatten, wird es wohl ähnlich gewesen sein. Im Totenkult wurden als Spende für die Toten Wasser, Milch, Öl oder mulsum genutzt.
Nach Schlachten mit vielen Opfern wurden die Toten verbrannt.

Unser Kenntnisstand

Woher wissen wir eigentlich etwas über das religiöse Leben der Soldaten? Es gibt die schriftlichen Quellen wie etwa der viel zitierte Tacitus (um 56 bis 120 n Chr.) und andere Historiker, es gibt die Inschriften auf den Weihesteinen oder den Grabsteinen. Opferhandlungen sind auf Säulen dargestellt, auf der Trajanssäule in Rom etwa ist zu sehen, dass der Kaiser einen Feldzug mit einer Opferung von Tieren (suovetaurilia) begann, ebenso werden Soldaten bei einer Opferung gezeigt. Und auch die Archäologie trägt zu unserem Wissen bei. Sie findet die Fundamente der Tempel und der wichtigen Gebäude in den Kastellen. Kleine Götterstatuen zeugen von der privaten Frömmigkeit und Amphoren mit Resten von Trankopfern geben auch heute noch Auskunft über die geopferten Flüssigkeiten, etwa Öl oder Wein.

Meine Quellen

  • Peter Herz in Religion in den germanischen Provinzen, Hrsg. W. Spickermann, 2001
  • Die römische Armee von Augustus zu Konstantin d. Gr., Yann Le Bohec, 1993,
  • und das Internet

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