Vladimir-Putin-und-Herman-Van-Rompuy

 

Derzeit beunruhigt uns die Krise um die Ukraine und wir stellen uns zurecht die bange Frage: Wird es Krieg geben?

Im bisherigen Verlauf dieser Krise war eine starke Polarisierung der verschiedenen Seiten festzustellen. Schon von Otto v. Bismarck stammt das Zitat:

„Es wird niemals soviel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“

Er war jemand, der es wissen musste.
Was in und um die Ukraine stattfindet, ist ein Krieg der Worte, denen aber auch Taten folgen, denen schon viele Menschen zum Opfer gefallen sind. In diesem Krieg werden die größtmöglichen Geschütze aufgefahren: Die ukrainische Seite nennt die Separatisten „Terroristen“ – die russische Seite wiederum nennt die ukrainische Regierung und ihre Ordnungskräfte „Faschisten“. Keiner von beiden hat recht.

Außer in einem Actionfilm gibt es kein Schwarz-Weiß. Und das wahre Leben ist nun-mal kein Actionfilm. Aber genau so tun unsere Medien und unsere Politiker derzeit – als ob es nur Schwarz-Weiß oder „Gut“ und Böse“ gäbe. Die Kommentare in verschiedenen Tageszeitungen, die ich im Folgenden einmal herausgesucht habe, belegen recht gut, welche Medienschlacht sich um diese Krise auch hier in Deutschland abspielt:

Die FAZ sieht „Kiew unter Zugzwang“ mahnt aber auch zur Vorsicht, dass keine Zivilisten zu Schaden kommen.
Weiterhin ist die FAZ der Ansicht: „Die Ukraine gehört in die Nato

Die Süddeutsche Zeitung kritisiert „Putins zerstörerisches Werk“ und meint, dass sich Russland mit der Annexion der Krim schwer geschadet hat, wirtschaftlich darunter leiden wird und international isoliert ist, scheint Putin egal zu sein. Für ihn zähle der Augenblick.

Auch die Stuttgarter Zeitung sieht die Verantwortung der derzeitigen Ereignisse bei Putin. Und da Putin gerade Fakten schaffe, die nur durch Anwendung von massiver Gewalt rückgängig zu machen wären, hat die Regierung in Kiew dem wenig entgegenzusetzen. Das wiederum bedeute: „Die Ukraine droht zu zerfallen“  Dennoch ist die Zurückhaltung der Regierung in Kiew mit der Anwendung von Gewalt kein Fehler und auch nicht nur Unsicherheit, sondern im Gegenteil: „Sie handelten auch aus politischer Klugheit.
Auch wenn das das Ende der Ukraine in der derzeitigen Form bedeute, müsse dies kein Schaden sein. Nun „zu entflechten“, was nicht zusammen gehöre, sei daher nach Ansicht der Stuttgarter Zeitung „ein gangbarer Weg“.

„Die Zeit“ meint ebenfalls: „Russlands Aggression ist belegbar„, selbst wenn Russland dies immer wieder abstreitet. Dass es sich erst auf der Krim und jetzt in der Ostukraine „bei einem Großteil der >>grünen Männchen<< um russische Soldaten handelte, die an den Uniformen die regulären Abzeichen entfernt hatten“ und auch die Bewaffnung typisch für die russische Armee ist, sei zu offensichtlich und Moskau hätte somit gelogen.
In diesem Zusammenhang wirft die „Zeit“ die Frage auf, welchen Preis wir bereit sind für Sanktionen gegen Russland zu zahlen. Denn würde man einfach kurzfristig auf russisches Gas verzichten – was durchaus möglich sei – würde jedem Deutschen – sei er Unternehmer oder Privatmann – jedoch „sofort eine höhere Rechnung seines Energieversorgers in Haus flattern.“ Dies sei also „Putins Preisfrage„.

Der Spiegel ist der Ansicht in der Ukraine-Krise sei „Putin, der Verlierer„, der Westen erkenne das nur nicht. Begründung:
Da Russland längst Teil der Weltwirtschaft sei, brauche es zur Modernisierung des Landes ausländische Investitionen und Know-how. Weil Putin das Land nun aber isoliert, schneidet er sein Land davon ab, zum eigenen Schaden. „In der Folge wird Russland dahindämmern zwischen dem Westen und China. Selber schuld.“ – meinte der Spiegel in einem Kommentar am Freitag, dem 14.03.2014.

„Die Welt“ meint zu der derzeitigen Situation in der Ukraine: „Wenn der Westen nicht reagiert, droht Anarchie„. Das Blatt fragt aber weiter: „Was können Amerikaner und Europäer dagegen tun? Einen Krieg führen? Sicherlich nicht. Trotzdem muss die Antwort hart ausfallen.“

Die B.Z. sieht einen anderen Aspekt putinscher Politik. Die Zeitung bezieht sich dabei auf den Publizisten Georg Gafron, der mehrere Jahre in Russland verbracht hat und kommt zu dem Schluss: „Putin denkt wie Stalin“ Die Zeitung erklärt weiter, Putin sei „aus seinen Denkstrukturen heraus konsequent. Er wurde im Bewusstsein der imperialen Größe der Sowjetunion erzogen und hat in den Diensten des Geheimdienstes KGB die Mechanismen von Macht, Stärke und Skrupellosigkeit gelernt.“
Putins Fähigkeit bestehe darin, „dass er Stärken und Schwächen seines Gegenübers exakt einschätzen kann.“ Er stehe damit „in der Tradition von Stalin, der angesichts von Christenverfolgungen in der West-Ukraine 1940 auf die Frage, ob man nicht Rücksicht auf den Vatikan nehmen müsse, fragte: >>Wie viele Divisionen hat der Papst?<< Die Antwort: >>600 Mann Schweizergarde.<< – und Stalin ging zur Tagesordnung über. Genau so denke Putin, für den der Zusammenbruch der Sowjetunion >>die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts<< meint die B.Z.

Selbst die „taz“ sah bereits in der Krim-Krise die Verantwortung Russlands und kommentierte mit: „Putin und die Kettenhunde“ und forderte, er solle diese „einschläfern“.

Die meisten Zeitungen sind sich also weitgehend einig darüber, wer der Hauptverantwortliche der Krise in der Ukraine ist.
Ganz anders einige sehr linke Zeitungen.

Die „Junge Welt“ – früher „Organ der FDJ“ in der DDR – meint in ihrer heutigen Ausgabe: „Kiew schickt Faschisten„.
In ihren Ausführungen stützt sich die Zeitung vor allem auf die russischen Medien, wie „ITAR-TASS“, oder dem Fernsehsender RT, der „von einem Angriff der Faschisten des »Rechten Sektors« auf das örtliche Büro der Kommunistischen Partei in der nord-ostukrainischen Stadt Sumy“ berichtet. Die von Kiew eingesetzten Einheiten träfen in der Region offenbar „auf zivilgesellschaftlichen Widerstand“.
Weiterhin führt die Zeitung aus, träfe die – so wörtlich – „Kiewer Propaganda“ inzwischen „selbst in der US-Presse auf Zweifel“. So hätte die New York Times in ihrer Dienstagausgabe den dortigen Machthabern vorgeworfen, „bis heute keine unwiderlegbaren Beweise über eine russische Verwicklung in die Vorgänge in der Ostukraine vorgelegt zu haben“.

Das ehemalige zentrale „Organ der SED“ der DDR „Neues Deutschland“ fragt in seinem Kommentar über die „Geisterrufer„:

„Wer war es dann?“ – und führt dazu aus:
„War es die EU, die einen illegitimen Machtwechsel in Kiew befeuerte? War es Russland, das erst die ganze Ukraine in seinem Machtbereich halten wollte, dann wenigstens die Krim? War es die NATO, die sich nach Osten ausdehnte und so Russland bedrohte? Waren es die Interessen von Oligarchen – und ihrer ebenfalls an Profiten interessierten Abnehmer im Westen?“
Alle Akteure – so die Zeitung – würden „im Namen von Mehrheiten“ handeln und würden „durch »Reaktion« immer neue Geister“ rufen: „Moskau befeuerte Unabhängigkeitsstreben in der Ukraine und historisch geprägte Sorge in Osteuropa; Osteuropa befeuerte Militärgebärden der NATO, die NATO so wiederum russische Sorgen. Die EU befeuerte Angst vor faschistischen Kräften. Und so fort.“
Weiter meint das Blatt: „Kriege, so heißt es, werden nicht immer begonnen, manchmal brechen sie aus.“ Dazu reiche die „fatale Bereitschaft, sich den angeblich immer nur von anderen gesetzten Zwängen zu beugen – und mitzulaufen.“
Und weiter fragt das ND: „Die Geister, die in diesem Ukraine-Konflikt alle schon gerufen wurden – wer wird sie noch los?“

Doch die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung glaubt dieser „Schwarz-Weiß-Malerei“ nicht mehr. Der Meinung von 4/5 der Medien/Politiker einerseits (Contra Putin) steht die Meinung von zwei Drittel der Bürger, Wähler, Leser andererseits (Pro Putin) gegenüber (Stand: Anfang April 2014). Zu groß ist inzwischen das Misstrauen in die Politik und auch in die Berichterstattung der Medien in Deutschland. Diese Schieflage ist auch im Verhalten der europäischen und amerikanischen Politik im Fall Snowdens und anderer “Whistleblower” zu suchen. Das Verhalten von Putin in dieser Frage hat ihm bei der Bevölkerung in Deutschland sehr viel Sympathie eingebracht. Aber das war es nicht allein. Auch andere Dinge haben die mündigen Bürger in den letzten Jahren sehr wohl registriert:

Man kann nicht überall auf der Welt von  allen möglichen Ländern Demokratie einfordern und wenn es dann in einigen Ländern tatsächlich dazu kommt, plötzlich Angst davor bekommen (Arabischer Frühling) oder gar Panzer und andere Waffen an Regime schicken, die genau solche Demokratisierungsprozesse mit brutaler Gewalt unterdrücken würden (Saudi-Arabien und Katar).

Die derzeitige Krise in der Ukraine findet auf unterschiedlichen Ebenen sehr verbissen statt.
So stellt sich mir die Krise derzeit folgendermaßen dar:

 

Die Regierungsebene

Der abgesetzte Präsident Janukowitsch ist einerseits zwar demokratisch gewählt worden, andererseits hat er aber nicht regiert, wie ein Demokrat (z.B. politisch motivierter Prozess gegen Timoschenko). Sein Privathaus belegt schon, wie er seine Rolle wirklich sah – eher als eine Art Zar, anstatt als Volksvertreter. Das ist der eine Aspekt des Janukowitsch.

Der andere Aspekt ist aber, dass er eine Art Kompromiss, eine Brücke zwischen EU und GUS auf der Regierungsebene und zwischen den Bevölkerungsgruppen auf der gesellschaftlichen Ebene darstellte. Er (Janukowitsch) hatte also nur eine Chance, wenn er jeweils zwischen beiden vermittelte. Problematisch – und damit das Ende der Ukraine in seiner bisherigen Form – war die Aussage des österreichischen Außenministers, als er öffentlich verkündete:

„Denn für uns ist es wichtig, dass die Ukraine ganz klar Richtung Europa ihren Kurs ausrichtet und nicht in Richtung Russland.“ (21.10.2013)

Ich denke, das war der Schlüsselsatz, nachdem die Krise überhaupt begann – klar: auf Betreiben Putins, der eben kein „lupenreiner Demokrat“ ist, sondern ein knallharter Machtmensch, der sich auch nicht scheute, Janukowitsch zu erpressen, um die Ukraine in seinem Machtbereich zu halten, darüber sind wir uns sicher alle einig. Aber das war der Kardinalfehler, den die EU gemacht hat. Beim Bestreben, die EU-Osterweiterung nun auch in den Bereich der GUS-Staaten hinein auszudehnen, hat sie nicht bedacht, dass die GUS eventuell doch noch eine größere Bedeutung für Russland haben könnte, als gedacht. Man hat sich in Brüssel schlicht verspekuliert (oder salopp gesagt: Man hat auch in Brüssel Mist gebaut) – mit den bekannten Folgen.

 

Auf der gesellschaftlichen Ebene

Tatsächlich ist das Aufbegehren der russisch-stämmigen Ukrainer eine Angstreaktion, die verständlich wird, wenn man sich vor Augen führt, dass beispielsweise das EU-Mitglied Lettland im Land geborene Russen keinerlei Bürgerrechte einräumt. Sie erhalten weder die lettische Staatsbürgerschaft noch einen Pass – sie sind staatenlose Russen.
Ähnliche Forderungen wurden nach dem Sturz Janukowitschs auch in Kiew laut. Auch wenn die Forderungen nicht umgesetzt wurden, bleibt die Angst der russisch-stämmigen Ukrainer, denn selbst im EU-Mitglied Lettland tut die EU zu wenig, um die Situation der dortigen Russisch-stämmigen zu verbessern. Außer in Lettland geschieht derzeit in Ungarn sowohl mit anderen Minderheiten, aber auch mit der gesamten Bevölkerung  in Sachen Abbau von Bürgerrechten ähnliches ungestraft.
Die EU täte wirklich gut daran, klar Flagge zu zeigen und sich mehr für die Rechte der Minderheiten in der Gemeinschaft einzusetzen und direkt auf die betroffenen Länder einwirken, wo dies doch zu den besonders hochgehaltenen Werten der Gemeinschaft zählt.

Fazit:
In diesem Konflikt geht es politisch um einen Machtkampf zwischen verschiedenen Mächten, die sich der Ängste von Minderheiten – von Menschen – bedienen. Diese Ängste sind durchaus berechtigt und müssen den betroffenen Menschen genommen werden. Nur so wird es ausländischen Mächten in Zukunft nicht mehr möglich sein, Keile zwischen die Bevölkerungsgruppen eines Landes zu treiben und dieses zu destabilisieren, wie es im Fall der Ukraine geschehen ist.

Das Verhalten Putins im Fall der Ukraine ist natürlich nicht akzeptabel, so dass die verhängten Sanktionen berechtigt sind.
Dennoch müssen sich die Politiker der westlichen Länder endlich geradlinig verhalten, wenn es um die Durchsetzung der demokratischen Bürgerrechte geht, denn nur so ist die Politik im Ausland aber auch bei der eignen Bevölkerung glaubwürdig.
Es gibt also noch viel zu tun beim Kehren vor der eignen Haustür. Da sollte man nicht nur immer mit dem Finger auf andere zeigen.

 

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