Troja war ein Handelszentrum der Bronze- und Eisenzeit, das bis ins frühe Mittelalter hinein existierte.
Die Stadt entwickelte sich an einer Stelle, an der der Weg von der Ägäis ins Schwarze Meer besonders schwer war. Das halbe Jahr über blasen nämlich Winde aus dem Schwarzen Meer Richtung Ägäis, dazu kommen noch sehr schwierige Strömungsverhältnisse im Marmarameer.
Wollten bronzezeitliche Schifffahrer von der Ägäis ins Schwarze Meer, mussten sie warten, bis günstige Verhältnisse herrschten. Während großer Teile des Jahres herrscht bei Troja eine Strömung, die es verhindert, Richtung Schwarzes Meer zu fahren. Man konnte aber eben bei Troja die Schiffe entladen, die Ladung auf dem Landweg auf die andere Seite der „trojanischen Halbinsel“ (= Troas) bringen, dort auf ein anderes Schiff laden und weiter gings.
Für den Rückweg galt Gleiches. Eine Stadt an dieser Stelle hatte nicht nur eine strategische Schlüssposition, sondern konnte auch gehörig Gewinne abschöpfen, solange wartende Schiffe im Hafen lagen und durch die Bereitstellung von „Transportservices“.
Und genau das taten die Trojaner. Als der Handel mit dem Schwarzen Meer für die Mykener immer wichtiger wurde, weil die südlicheren Handelsbeziehungen gegen Ende der Bronzezeit nicht mehr so einfach zu handeln waren, geriet Troja in den Fokus der Mykener. Was, wenn man diese Schlüsselposition selber beherrschen könnte? Solange die Hethiter ein mächtiges Großreich hatten, war das nicht möglich, denn Troja war mit den Hethitern eng verbandelt, auch wenn diese das westliche Kleinasien offenbar kaum einmal direkt beherrschen konnten.
Im Südwesten Anatoliens oder eventuell auch auf dem griechischen Festland lag „Ahhijawa“, zu dem auf alle Fälle auch Milawanda = Milet gehörte, das ein eher widerspenstiger Zeitgenosse für die Hethiter gewesen zu sein scheint. Vermutlich war das ein mykenischer Staat. Als die Hethiter durch innere Streitigkeiten geschwächt waren, witterten die Ahhijawa ihre Chance, um Troja unter Kontrolle zu bringen.
Das dürfte der historische Kern des Trojanischen Krieges gewesen sein: Ein Föderation aus (kleinasiatischen) Ahhijawa und Mykenern (= eventuell griechische Ahhijawa) griff das hethitisch beeinflusste, wenn auch nicht direkt von Hethitern beherrschte Königreich Troja an, um den Schwarzmeerhandel beherrschen zu können.
Nach der trojanischen Niederlage und dem Untergang sowohl der Hethiter als auch der Mykener in den Wirren der Seevölkerzeit wurde etwas weiter östlich Byzanz gegründet (auf wahrscheinlich noch älteren Wurzeln), das in einer ähnlichen strategischen Gunstlage war, aber besser verteidigbar war als Troja. Troja selbst existierte weiter (irgendwie musste die Problemstelle ja nach wie vor bezwungen werden), gelangte aber nie wieder in so eine Großmachtstellung wie zum Ende der Bronzezeit – die böse Konkurrenz verhinderte dies.
Weithin ist man sich heute unter Forschern einig, dass das Königreich, dessen Hauptstadt Troja gewesen ist, mit dem in hethitischen Quellen überlieferten Land „Wilusa“ identisch war (aus Wilusa entwickelte sich „Ilion“).
Wilusa war bis etwa Mitte des 14.Jh.v.Chr. Vasallenstatt des Reiches Arzawa, das wiederum in der Mitte des westlichen Kleinasien lag und dessen Hauptstadt Ephesos („Apasa“) war. Dieses Reich war mal mehr, mal weniger abhängig von den Hethitern und von Luwiern bewohnt, deren Kultur der hethitischen sehr ähnlich war. Deutlicher Hinweis auf diese Beziehung zwischen Wilusa und Arzawa: Die bisher einzige in Troja gefundene Inschrift ist auf Luwisch geschrieben.
Ab Mitte des 14.Jhs. änderte sich das Verhältnis Arzawa-Hethiter, Arzawa wurde von den Hethitern erobert und zerschlagen. Demzufolge dürfte die Abhängigkeit von Wilusa zu den Hethitern um einiges enger geworden sein als zuvor. Wenn überhaupt, dann war Wilusa ab Mitte des 14.Jhs. Vasall von Hattuscha, nicht vorher.
Wilusa war also mehr hethitisch als thrakisch oder griechisch; darauf deuten nicht nur „ungriechische“ Einzelheiten beim Festungs- und Tempelbau hin. Westlich von Troja wurden um 1900 v.Chr. einige Städte zerstört, und in der darauf folgenden Zeit (Troja II) zeigen sich deutliche hethitische Einflüsse, die zuvor noch nicht feststellbar waren; dies wird in Zusammenhang gebracht mit einer Bevölkerungsverschiebung im Gefolge der Einwanderung der Hethiter in Anatolien.
Schon allein die Namen der in der Ilias erwähnten Trojaner deuten darauf hin, dass kulturelle Beziehungen zu den Hethitern bestanden:. Nur ein paar Beispiele:
Paris hat einen zweiten Namen, Alexander (ein eigentlich ungriechischer Name). In hethitischen Archiven finden wir tatsächlich einen Fürsten „Alaksandu von Wilusa“, der ein Verbündeter der Hethiter gewesen ist.
Priamos ist ein luwischer Name. Ein Piyama-Radu war als König von Troja/Wilusa ein Vorläufer des Königs Alaksandu.
Hekuba, Frau von Priamos, soll die Tochter eines phrygischen Königs gewesen sein, also aus Zentralanatolien gestammt haben.
Kassandra – außerhalb der Ilias auch als Alexandra bezeichnet – scheint ursprünglich eine göttliche (?) Figur aus Anatolien gewesen zu sein, da sie mit der Doppelaxt dargestellt wird, einem aus dem Nahen Osten stammenden göttlichen Symbol.
Ihr Zwillingsbruder heißt in der Ilias Helenus, aber auch Skamander – ein Flussname, der nicht nur in der Troas, sondern auch in Lykien und Phrygien geläufig gewesen zu sein scheint, jedenfalls gibt es mehrere Flüsse dieses Namens in Anatolien.
Helena wurde auf Rhodos als Baumgöttin verehrt.
Aphrodite, die die Trojaner im Krieg gegen die Achaier unterstützte und durch ihr Versprechen an Paris, ihm die schönste Frau auf Erden zu besorgen, die eigentlich Auslöserin des Trojanischen Kriegs war, stammt aus dem mesopotamischen Raum (= Ischtar).
Poseidon und Apoll, die angeblich die Mauern Trojas gebaut haben sollen, sind zwei Götter mit Ursprüngen in Nordwestanatolien. Poseidon war eventuell ursprünglich ein Pferdegott…auch Apoll hat Bezüge zu Pferden, und die Troas war in der Antike berühmt für ihre Pferdezucht…
Ganymed, ein Halbbruder von Priamos, ist eine Sagengestalt, die auch auf akkadischen (!) Siegeln schon dargestellt ist.
Dass in der Ilias die Beziehungen zwischen Trojanern und Hethitern nicht erwähnt werden, liegt daran, dass zu Zeiten Homers die Hethiter schlicht vergessen worden sind. Aber es blieben Spuren erhalten, die genau diese Beziehung nahe legen.