Asylring am Eingang zu Notre-Dame, Paris: Wer ihn erreichte, entging vorläufig seinen Verfolgern. Photo: Myrabella / Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons
Asylring am Eingang zu Notre-Dame, Paris: Wer ihn erreichte, entging vorläufig seinen Verfolgern. Photo: Myrabella / Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons

Ein Recht auf Asyl war bereits in der Antike bekannt.
640 v. Chr. siegte Kylon – ein Athener von adeliger Herkuft – bei den antiken Olympischen Spielen im Diaulus – einer damaligen olympischen Disziplin im Laufen. Nach seinem sportlichen Triumpf griff er nach der politischen Alleinherrschaft in seiner Heimatstadt Athen, doch die Athener wehrten sich. Kylon konnte fliehen, doch seine in Athen zurückgebliebenen Anhänger mussten um ihr Leben fürchten. Die Verschwörer hatten nur eine Chance sich zu retten: Sie mussten die Akropolis erreichen – Athens Burgberg und zugleich ein heiliger Bezirk. Dort angekommen mussten sie es zudem zum Altar im größten Tempel schaffen – den der Göttin Athene. Auf dem Weg dorthin mussten sie Ölzweige an sich reißen, die sie im Tempel gut sichtbar in die Höhe hielten. Dies war Teil des damals bereits bekannten und allgemein anerkannten Rituals, mit dem Flüchtlinge im antiken Griechenland um Schonung und Unversehrtheit – um „asylia“ baten. Ihren Verfolgern blieb dann nichts anderes übrig, als die Waffen zu senken und die Flüchtlinge am Leben zu lassen. Alles andere – auch die Flüchtlinge von dort wegzuführen – wäre Frevel gewesen. Nur an einem geweihten Ort konnte ein solches, von allen Griechen geachtetes Gebot funktionieren.
Ein dauerhafter Aufenthalt im Tempel war jedoch nicht vorgesehen – es musste also eine Lösung gefunden werden, welche zwischen den Priestern und den Athener Beamten ausgehandelt wurde. Die Priester verkündeten auch das Verhandlungsergebnis – Kylons Anhänger hatten zugestimmt, sich einem Gerichtsverfahren zu stellen.
In diesem Fall ging die Sache allerdings dennoch nicht gut aus. Um die für die Flüchtlinge wichtige Verbindung zu Athene zu halten, banden sie einen Wollfaden um das Standbild der Göttin und verließen erst den Tempel, als sie sich zum Ort des Gerichtsverfahrens begeben mussten. Doch auf dem Weg dorthin riss der Faden, was der aufgeputschte Mob als Zeichen dafür wertete, Athene hätte den Flüchtlingen ihre Gunst entzogen. So berichtet Plutarch wurden die Flüchtlinge gesteinigt bzw. „abgeschlachtet“. Dies ging als „kylonischer Frevel“ in die Geschichte ein.
Es gibt aber auch Belege für lange Aufenthalte – so verbrachte der Spartaner Pleistoanax 19 Jahre in einem dem Göttervater Zeus geweihten Heiligtum.
Aber auch damals gab es bereits den Missbrauch des Asyls, denn auch Sklaven und sogar Verbrecher – selbst Mörder – waren nach damaligem Recht erst einmal schutzwürdig und konnten auf ein ordentliches Verfahren und damit auch auf eine Verbesserung ihrer Situation hoffen. In manchen dieser so genutzten Heiligtümer konnten offenbar mehrere Hundert Schutzsuchende mit ihrer Habe – darunter sogar Viehherden – unterkommen. Es gab feste Quartiere und Brunnenanlagen zur Wasserversorgung.

Aus dem griechischen Begriff „asylia“ leitete sich später das lateinische „asylum“ für den Zufluchtsort ab, welches dem modernen Wort für „Asyl“ zugrunde liegt. Denn auch die Römer respektierten das griechische „asylia“, nachdem sie Griechenland im 2. Jh. v. Chr. besetzt hatten – allerdings nur, wenn keine politischen oder militärischen Nachteile zu erwarten waren. Beispielhaft für solchen Frevel war der römische Feldherr Sulla, der 87/86 v. Chr. rücksichtslos die Tempelschätze Griechenlands raubte, um die Kriegskosten des Feldzugs gegen den König von Pontos, Mithridates, zu finanzieren. – Die Tempel dienten auch als Orte, in denen privates Vermögen und auch die öffentlichen Kassen gelagert wurden. – Als Sullas Truppen Athen in einem wahren Blutrausch erobert hatten und auch den Alleinherrscher der Stadt töteten, der in den Tempel geflüchtet war, war der Frevel perfekt. Als Sulla danach erkrankte, galt dies als Strafe der Götter für diesen Frevel.
In Rom galt erst ein Tempel des vergöttlichten Cäsar als Zuflucht für Schutzsuchende, der nach dem gewaltsamen Tod des Diktators errichtet wurde. Doch den Chronisten zufolge war der Eingang zu diesem Tempel fest verriegelt, damit niemand hinein kam.
In der römischen Kaiserzeit boten dann auch Bildnisse und Statuen der Kaiser Schutz vor Verfolgung. Allerdings galt es – anders als in Griechenland – nicht als Frevel gegen die Götter, sondern als Majestätsverbrechen, das strafrechtlich verfolgt wurde. Und auch hier gab es Auswüchse. So berichtet der Römer Tacitus, Menschen hätten andere beschimpft – sogar Sklaven ihren Herren – und sogleich eine Kaiserstatue berührt, um vor einer Bestrafung sicher zu sein.

Auch die Christen gewährten Verfolgten Schutz in ihren Kirchen – hier aber weniger aufgrund der Unantastbarkeit eines heiligen Ortes, sondern aufgrund der christlichen Ethik der Nächstenliebe. Dieses Recht der Kirchen, Asyl zu gewähren, wurde von den christlichen Kaisern der Spätantike anerkannt und durch Erlasse geregelt. Das Asyl wurde auch auf Gebäude, Gärten u. a. Plätze ausgeweitet, die sich auf dem Gelände der Kirche befanden, doch anders als im antiken Griechenland durften etwa Mörder oder auch Staatsschuldner kein Asyl erhalten. In letzterem Fall hätte der Bischof für dessen Schulden aufkommen müssen.

Das Kirchenasyl wird noch heute von den christlichen Kirchen gewährt. Es existiert heute neben den inzwischen staatlich geregelten und international geltenden Bestimmungen des Asylrechts.

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