(Fortsetzung von:  Geschichte der NPD)

 

Im Vorfeld des Verbotsverfahrens wurde eine eigentlich geheime Materialsammlung öffentlich, die im Folgenden zusammengefasst dargestellt wird und zu der ich mir anschließend meine eigenen Gedanken gemacht habe. Dieses eigentlich geheime Papier („VS“ = Verschlusssache) in der Kurzfassung mit den gesammelten Belegen ist vorab bereits im Netz erschienen und soll hier dazu ausgewertet werden.
Holger_Apfel

Die Materialsammlung im Verbotsverfahren gegen die NPD
(Quelle:

Das vorliegende Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist in die Teile
A: Kurzfassung der Materialsammlung;
B: Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit
und
C: Glossar
eingeteilt.

In der Einleitung wird erläutert, dass das Papier Belege über Äußerungen von über 400 Mitgliedern und Funktionsträgern der NPD enthält und diese Belege in verschiedene Kategorien eingeteilt wurden. Ausdrücklich wird zudem darauf hingewiesen, dass die Personen, über die nach dem 1. Januar 2003 Belege gesammelt wurden, keine V-Leute waren.

Begonnen wird im Abschnitt I mit dem strukturellen Aufbau der NPD und über deren Finanzmittel.

Der Abschnitt II beschäftigt sich mit der Ideologie der NPD, die dabei eingehend skizziert wird:
So wird angeführt, nach der Meinung der NPD sei die BRD ein System und dieses System sei der Gegner (Maik Scheffler; Beleg 194, Kategorie A). Auch wird nachweislich vom Willen zur Überwindung des herrschenden Systems gesprochen (Claus Kremer; Beleg 155, Kategorie A), das System müsse gestürzt werden, was nur eine radikale Partei könne (Daniel Knebel; Beleg 171, Kategorie A). Zudem werde sich die deutsche Rechte nie an das System anpassen können, da sich „das System gerade in einem Vernichtungsfeldzug gegen alles Nationale“ befände (Axel Michaelis; Beleg 181, Kategorie A). Man wolle den „Maximalschaden dieses Parteienstaates“, der nichts anderes sei, als der verlängerte Arm Israels.

Auch wird der NPD in den Papier bescheinigt, sie strebe einen radikalen Umbruch an (siehe Beleg: hier klicken). Auch verneint die NPD die individuelle Würde des Menschen (siehe Beleg: hier klicken).
Als besonders problematisch wird von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe das von der NPD propagierte Abstammungsprinzip angesehen, wodurch insbesondere Migranten diskriminiert werden (siehe Beleg: hier klicken).
Auch wird aus den Belegen ein Bekenntnis zu einem Deutschen Reich erkennbar (siehe Beleg: hier klicken).

Der Punkt 2 beschäftigt sich mit dem völkischen Kollektivismus, der für die NPD von zentraler Bedeutung ist (siehe Belege: hier klicken).
Grundgedanke jeder kollektivistischen Ideologie ist die Unterordnung der Interessen des Einzelnen unter die der Gemeinschaft.
Bei dem in diesem Fall vorliegenden „völkischen Kollektivismus“ – wie es in dem Papier wörtlich definiert wird, ist der Kerngedanke „die uneingeschränkte Unterordnung des Einzelnen, seiner Rechte und Interessen unter die >Volksgemeinschaft<. Zentrale Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung werden zu dabei zu „Unwerten“ – die Freiheit des Einzelnen werde zum – so wörtlich – „gemeinschaftsschädigenden Egoismus, den es zu bekämpfen und auszumerzen gilt.“ (siehe Belege: hier klicken)

Durch diese Auffassung erscheint auch jede Form der Integration als unmöglich (siehe Beleg: hier klicken). Beim Volksbegriff wird auch Bezug auf das 3. Reich genommen (siehe Beleg: hier klicken).

Im Punkt 3 geht es um den Antisemitismus.
Hierbei wird festgestellt, dass die NPD ihren durchaus vorhandenen Antisemitismus verklausuliert (siehe Beleg: hier klicken). Auch pauschale Kritik am Staat Israel wird geübt (siehe Beleg: hier klicken). Zudem werden Juden pauschal als nach Profit und Macht strebend diskreditiert und dabei ein planvolles Vorgehen unterstellt (siehe Beleg: hier klicken).
Im Bezug auf die Judenproblematik wird der Wirtschaft und der Politik von Seiten der NPD zudem vorgeworfen, sie instrumentalisiere den „Holocaust“ für ihr Profitstreben (siehe Beleg: hier klicken).

In diesem Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird jedoch auch eingeräumt, dass auch bei dieser Form des „sog. sekundären Antisemitismus“ klar formulierte Verunglimpfungen und Verächtlichmachungen eher die Ausnahme und damit nicht verallgemeinerungsfähig für die NPD als Partei seien.

Der Punkt 4 geht auf die Themen Rassismus, Islam-, Ausländer- und Menschenfeindlichkeit ein.
Hierzu wird festgestellt, dass diese Punkte zu den prägenden Merkmalen des rechtsradikalen Weltbildes gehören. Sogenannte „biologische menschliche Rassen“ werden als nicht gleichwertig betrachtet, wobei die eigene „Rasse“ – die „nordische Rasse“ – als eine „wertvolle Rasse“ weniger „wertvollen Rassen“ gegenübersteht und dessen Fortbestand deswegen geschützt werden muss. Dabei bewegt sich die NPD jedoch scheinbar innerhalb der Grenzen, die das geltende Recht ihr setzt  (siehe Beleg: hier klicken).
Rassistische Ansichten sowie der Überfremdungsgedanke wird auch mit einer pauschalen Zuweisung negativer ethnischer Merkmale verknüpft  (siehe Beleg: hier klicken). Aus diesen und ähnlichen Gründen wird auch die Integration von Migranten in die Gesellschaft von führenden Mitgliedern der NPD kategorisch abgelehnt  (siehe Beleg: hier klicken). Aus diesen genannten Gründen wird eine „Rückführung“ von in Deutschland lebenden Ausländern in einem 4-Punkte-Plan gefordert  (siehe Beleg: hier klicken).

Unter III. geht das Papier auf das Bekenntnis / die Nähe zum historischen Nationalsozialismus ein. Als Indikatoren für eine solche Grundhaltung gelten nach dem Papier „revisionistische Äußerungen im Sinne einer Verharmlosung der Zeit des historischen Nationalsozialismus“, „Bekenntnisse zum historischen Nationalsozialismus“ und Verwendung von historisch nationalsozialistischer Sprache und Symbolik“. Diese werden wiederum anhand zahlreicher Belege mit Äußerungen von bereits genannten Mitgliedern der NPD nachgewiesen.

So geht es hier unter 1. um den Revisionismus, in dem unter 1.1. auf die Leugnung der deutschen Kriegsschuld am 2. Weltkrieg eingegangen wird. Unter 1.2. geht es um die „Überzeichnung der Handlungen des Kriegsgegners“ in diesem Krieg und unter 1.3. um den „Gebietsrevisionismus“. In 1.4. wird auf „Aussagen zum Holocaust“ eingegangen und unter 1.5. auf die „Relativierung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen“.

Unter 2. wird das „Bekenntnis zum historischen Nationalsozialismus“ belegt.

Im Abschnitt 2.1 findet man Belege für „Positive Bezugnahmen auf Adolf Hitler“,
Abschnitt 2.2: Positive Bezugnahmen auf „Nationalsozialisten der zweiten Reihe“,
Abschnitt 2.3: Positive Bezugnahmen auf NS-Organisationen,
Abschnitt 2.4: Positive Bezugnahmen auf die NSDAP und das Dritte Reich

Unter IV. will das Papier die „aktiv-kämpferische, aggressive Grundhaltung“ der NPD belegen. Dabei wird erläutert, dass dieses Tatbestandsmerkmal in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten ist, jedoch hat das Bundesverfassungsgericht eine solche Haltung bereits einmal für gegeben angesehen, wenn der „politische Kurs der Partei durch eine Absicht bestimmt“ wird, „die grundsätzlich und dauernd tendenziell auf die Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet ist“ und „außerdem soweit in Handlungen (das sind u.U. auch programmatische Reden verantwortlicher Persönlichkeiten) zum Ausdruck“ kommt, „dass sie als planvoll verfolgtes politisches Vorgehen der Partei erkennbar wird.“ (nach BVerfGE 5, 85, 142)
Allerdings wird in dem Papier eingeräumt, dass dieser Richterspruch aus den 50er Jahren des 20. Jh. stammt – einer Zeit also, in der die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland noch nicht über eine jahrzehntelange, gefestigte Tradition verfügte, so wie das heute der Fall ist.
Dennoch orientiert sich die Untergliederung in der Abteilung IV den in diesem vom BVerfGE entwickelten Maßstäben.

Unter 1. wird die „Teilnahme an Wahlen“ beleuchtet.
Hier wird festgestellt, dass die NPD durch ihre kontinuierliche und vor allem bei Kommunalwahl auch erfolgreichen Teilnahme an Wahlen zeigt, dass sie ihre politischen Ziele in die Praxis umsetzen will. So verfügt die Partei derzeit (2013) über rund 330 Kommunalmandate in 14 Bundesländern und ist in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auch mit Fraktionen in zwei Länderparlamenten vertreten.
Diese parlamentarische Präsenz ist für die NPD „ein Agitationsinstrument mit beträchtlicher öffentlicher Resonanz.

Weiterhin werden unter 2. in dem Papier „Strategische Konzepte der NPD“ untersucht.
Danach zeigt sich das planvolle Vorgehen der NPD zur Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung deutlich in ihrer politischen Programmatik. Erkennbar wird dies dem Papier zufolge an einem strategischen Konzept aus dem Jahre 1997, das nach wie vor gültig ist.

Unter Punkt 2.1 wird ein „Vier-Säulen-Konzept“ der Partei genannt. Dieses basiert auf den im Folgenden genannten Punkten:

2.1.1: In der Säule „Kampf um die Köpfe“ geht es darum, die NPD-Ideologie „in die Mitte des Volkes“ zu tragen. Bürger sollen also mit der Weltanschauung der NPD direkt konfrontiert werden, damit diese aus NPD-Sicht dem Einfluss der „Umerziehung durch das herrschende System“ entzogen werden.
Die Schlüsselrolle bei der Umsetzung dieser Säule kommt insbesondere der in der Abteilung IV genannten kommunalen Verankerung der NPD und ihrer Schulungsarbeit zu.

2.1.2: In der Säule „Kampf um die Straße“ geht es laut dem Papier um eine Strategie, die mit dem aus dem Jahr 1997 stammenden Begriff der „Massenmobilisierung“ gleichgesetzt wurde. Mit Hilfe von Demonstrationen u. a. öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten will die NPD ihre politischen Inhalte auf die Straße tragen und damit die Bevölkerung ansprechen. Im Positionspapier der NPD aus dem Jahre 1997 werden als Adressaten für diese Aktionen insbesondere junge Menschen und subkulturelle Zusammenschlüsse, wie „etwa Skinhheadgruppen“ genannt.

2.1.3: Der dritten Säule „Kampf um die Parlamente“ kommt für die NPD offenbar eine besonders große Bedeutung zu, obgleich die Partei den Parlamentarismus selbst ablehnt. So dient der Antritt zu Wahlen insbesondere der Steigerung des Bekanntheitsgrades der Partei, der Inszenierung als „Alternative“ sowie der Mitgliederwerbung. Gerade Wahlkampfzeiten werden von der Partei als Chance aufgefasst, unbehelligt von „staatlicher Behinderung“ agieren zu können. Deutlich wird die Bedeutung dieser Säule an den regional z.T. sehr aufwendig geführten Wahlkämpfen.

Unter 2.1.4 wird als Vierte Säule der „Kampf um den organisierten Willen“ genannt.
Laut den Auswertungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe versteht sich die NPD selbst als „parlamentarischer Arm eines übergeordneten ’nationalen Widerstandes’“. Nach dem Wahlerfolg im Jahre 2004 in Sachsen ergänzte die Partei ihr bisheriges strategisches Konzept um diese vierte Säule. Sie zielt darauf ab, durch den Ausbau ihrer Bündnispolitik die politische Schlagkraft zu steigern. Diese Bündnispolitik erstreckt sich auf verschiedene Bereiche. So strebt die NPD zum einen eine Zusammenarbeit mit neonazistischen „freien Kräften“ an – in Umsetzung des „Volksfront“-Gedankens, zum anderen aber auch eine Zusammenarbeit und Fusion mit anderen Parteien, wie der DVU [Anm. d. A.: Fusion inzwischen vollzogen].
Bei der Umsetzung dieser vierten Säule hat die NPD vor allem den Ausbau einer Vormachtstellung innerhalb der rechtsextremistischen Szene im Auge. Ohnehin sieht sich die Partei laut den Belegen in einer Führungsposition und als zentraler Akteur des „nationalen Widerstandes“.

2.2 „seriöse Radikalität“: Neben dem „Vier-Säulen-Konzept“ werden innerhalb der NPD auch weitere Strategien für ein planvolles Vorgehen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung diskutiert. Während Holger Apfel für eine „seriöse Radikalität“ eintritt, sprechen sich andere dagegen aus.

3. „Graswurzelpolitik“: Art. 21. (2) GG besagt:
„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“
Dieses „…darauf ausgehen…“ in Satz 1 erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein „planvoll verfolgtes politisches Vorgehen der Partei“. Ein solches Vorgehen äußert sich dem Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zufolge insbesondere an der legalen und vermeintlich harmlosen sogenannten „Graswurzelpolitik“ der NPD. Hierbei strebt die Partei danach, in der „Mitte des Volkes“ Fuß zu fassen. Dies geschieht über die „Präsenz der Partei auf lokaler Ebene, die Besetzung bürgernaher Themenfelder und die Anwendung geeigneter Aktionsformen“, um so zu Erfolgen auf Landes- und Bundesebene“ zu kommen. Wiederholt sprachen sich Funktionäre der NPD dafür aus, durch soziales Engagement eine „Gegenöffentlichkeit“ zu etablieren, damit die Partei eine schleichende Akzeptanz erreicht.
Diese „Graswurzelpolitik“ mag oberflächlich betrachtet als „normale kommunalpolitische Arbeit vor Ort“ erscheinen, so wie sie andere Parteien auch verrichten. Der Unterschied zwischen demokratischen Parteien und der NPD besteht jedoch darin, dass diese Partei damit ihre eigentlichen politisch-ideologischen Ziele unterschwellig zu transportieren sucht.
Somit ist nach Meinung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe die „Graswurzelpolitik“ im Zusammenhang mit der oben dargestellten Grundhaltung zu sehen. Sollte es der NPD gelingen, sich lokal zu verankern und der Mehrheit der ansässigen Bevölkerung „nützlich“ zu sein, so ist sie in der Lage, im Sinne ihrer Überzeugung gesellschaftliche Diskurse zu steuern und strukturell Einfluss auszuüben.

NPD-Plakat

In den nachfolgenden Punkten werden die einzelnen Elemente der „Graswurzelpolitik“ verifiziert. Diese sind in einzelnen:

3.1 Kommunalpolitische Verantwortung
3.2 Bürgernahe Agitation
3.3 Besondere Aktionsformen zur Umsetzung der „Graswurzelpolitik“
im letzten Punkt insbesondere:
3.3.1 Aktionen für Kinder und Familien
(bspw. eigens ausgerichtete Kinderfeste oder Spielnachmittage in Jugendzentren)
3.3.2 Engagement in unpolitischen Vereinen und Teilnahme an unpolitischen Veranstaltungen
(bspw. Sozialverbände, im Sportverein, bei der Feuerwehr oder auf Volksfesten)
3.3.3 Gezielte Übernahme öffentlicher Ämter und Aufgaben
(bspw. als Schöffe bei Gericht oder konkret als Interviewer bei Zensus 2011)
3.3.4 Bildung von Bürgerwehren
Hier ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Ansicht, dass die NPD insbesondere in Brandenburg und Sachsen auch fremdenfeindliche Agitationsmuster mit dem Ziel verknüpft, Bürgerwehren gegen die – so wörtlich in dem Papier – „angeblich Überhand nehmende ‚Ausländerkriminalität'“ als Alternative zum angeblich untätigen Staat zu präsentieren.

3.4 Anwendung der „Wortergreifungsstrategie“
Diese stellt ebenfalls eine sehr öffentlichkeitswirksame Aktionsform dar. Geschulte Aktivisten der NPD versuchen dabei durch verbales Eingreifen auf Veranstaltungen des politischen Gegners den Initiator einzuschüchtern, ihn bloßzustellen oder ihn vor dem Publikum unglaubwürdig zu machen. Vereinzelt kommt es dabei auch zu tätlichen Auseinandersetzungen.
Diese Aktionsform orientiert sich stark an einem Strategiepapier des „Nationaldemokratischen Hochschulbundes“ (NHB) zur Schaffung „befreiter Zonen“, welche frei von staatlicher Handhabe und „politischer Agitation des Gegners“ sein sollen.

4. Schulungen von Parteimitgliedern spielen in der NPD eine zunehmend wichtige Rolle. Inhalt, Anspruch und Intensität der Schulungen orientieren sich dabei insbesondere am Status der jeweiligen Mitglieder (einfache Mitglieder oder Funktionär) und am jeweiligen Wirkungskreis der Teilnehmer (Kreis- Landes- oder Bundesebene)

4.1 Weltanschauliche und charakterliche Schulungen nehmen einen bedeutenden Teil der Schulungsveranstaltungen ein. Sie zielen auf die Vermittlung weltanschaulicher Inhalte und damit auf die ideologische Festigung der Anhänger ab. Funktionäre und Mitglieder werden darüber hinaus im Hinblick auf Belange der Öffentlichkeitsarbeit und Anwendung der genannten strategischen Konzepte im Rahmen des „Kampfes um die Köpfe“ geschult.

4.2 + 4.3 Schulung von Selbstverteidigungs- und Kampfsporttechniken sind ebenfalls Teil der Schulungsveranstaltungen.
Dabei wird auch der jüngste Nachwuchs der NPD gezielt in Selbstverteidigungstechniken geschult.

4.4 Schulung kommunaler Mandatsträger haben für die NPD einen besonders hohen Stellenwert. Diese Mandatsträger leisten einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung der Partei und zur Vorbereitung auf einen „Systemwechsel“.

5. Jugendorientierte Agitation und sonst. Einflussnahme auf Jugendliche auch außerhalb von Wahlkämpfen in Form von gezielten Werbeaktionen reicht von persönlichen Hilfestellungen in verschiedenen Lebenslagen, über Hausaufgabenhilfe und Ausflügen bis hin zu speziell auf Jugendliche zugeschnittene Werbematerialien. Mit der gezielten Ansprache von Jugendlichen dürfte die NPD nach Ansicht der Bund-Länderarbeitsgruppe vor allem das Ziel verfolgen, künftige Erst- und Jungwähler für sich zu gewinnen.

5.1: Spezielle Veranstaltungen für Jugendliche: Scheinbar unpolitische Aktivitäten, wie Konzerte und Sportturniere, werden von der NPD und JN vor allem zu dem Zweck durchgeführt, unpolitische Jugendliche und junge Rechtsextremisten an die Partei heranzuführen bzw. die Bindung an die Partei zu erhöhen.

5.2: Jugendorientierte Rundschreiben und Publikationen: Während die NPD lediglich gezielt vor Wahlen Jugendliche anspricht, bemühen sich die JN kontinuierlich um die Anwerbung junger „Mitstreiter“. Dabei gestalten jedoch beide ihre Materialien gleichermaßen jugendgerecht – z. B. in Form von Comics.

5.3: Bei den „Schulhof CDs“ der NPD und der darauf enthaltenen Musik rechtsextremistischer Bands und Liedermacher handelt es sich um ein besonders bedeutendes Medium, um auch bislang unpolitische Jugendliche an rechtsextremistisches Gedankengut sowie auch an einschlägige Organisationen heranzuführen. Das Konzept, Musik als Werbemittel einzusetzen, hat die NPD nach den Recherchen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Jahre 2004 aufgegriffen. Vorbild für dieses Konzept war die Veröffentlichung der Schulhof-CD „Anpassung ist Feigheit. Lieder aus dem Untergrund“ aus dem Kreis der „freien Kameradschaften“.
5.3.1: So veröffentlichte die NPD seit 2008 fünf dieser Schulhof-CDs.
5.3.1: Die Schulhof-CDs beinhalteten stets eine rechtsextremistische Gewaltrhetorik.

6. Verflechtung der NPD mit der Neonazi-Szene und dem subkulturellen Rechtsextremismus
Laut den Belegen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe besteht eine enge Verflechtung der NPD mit der Neonazi-Szene und dem subkulturellen Rechtsextremismus. Diese Verflechtung zeigt sich sowohl in personellen Überschneidungen als auch in einer intensiven Zusammenarbeit als – so wörtlich – „zwei Schneiden der gleichen Klinge“ einer „Volksfront von rechts“, auch wenn dieses Verhältnis nicht immer spannungsfrei ist, wie in dem Papier eingeräumt wird. Dennoch gibt es große ideologische Schnittmengen und übereinstimmende politische Zielvorstellungen. Diese Überschneidungen und Übereinstimmungen werden in den folgenden Punkten näher beleuchtet.

6.1 Personelle Verflechtung: Neonazistischer Vorlauf von NPD-Funktionären und Übernahme von NPD-Funktionen durch „freie Nationalisten“
Insbesondere am Bundesvorstand der NPD zeigt sich, dass verschiedene Funktionäre der Partei einen z. T. sehr intensiven neonazistischen Hintergrund haben. So haben Mitglieder im elfköpfigen Parteipräsidium einen Vorlauf in Organisationen, wie der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG), „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ), „Wiking Jugend“, „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) und „Thüringer Heimatschutz“ (THS). In den Landesverbänden der NPD werden anhand der Belege 32 Funktionäre mit neonazistischem Vorlauf aufgeführt, die in Organisationen waren wie z. B. die „Nationalistische Front“, „Hamburger Sturm“, „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG), „Freies Pommern“, „Nationaler Widerstand Osnabrücker Land“, „Skinhead Sächsische Schweiz“ (SSS). Auch beim Bundesvorstand und den Landesverbänden der JN gibt es Mitglieder mit neonazistischem Vorlauf in Organisationen, wie z. B. der „Wernigeroder Aktionsfront“ (WAF) oder den „Freien Kräften Leipzig“. Bei der Kandidatenaufstellung greift die NPD insbesondere auf kommunaler Ebene auf solche „freien Kräfte“ zurück.

6.2 Sachliche Verflechtung: Zusammenarbeit mit neonazistischen und subkulturellen Rechtsextremisten im Rahmen der „Volksfront von rechts“
Im Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird festgestellt, dass die Zusammenarbeit zwischen der NPD und den neonazistischen „Freien Kräften“ maßgeblich auf strategischen Überlegungen basiert. So verfügen die „freien Kräfte“ über Vorteile in Bezug auf Flexibilität, Mobilisierungsfähigkeit und Aktionsorientierung – die NPD hingegen verfügt vor allem über den Vorteil eines Parteiapparates, welcher unter dem Schutz des gesetzlichen Parteiprivilegs steht. Bei der Kooperation beider Seiten gelingt es, vom Vorteil des jeweils anderen zu profitieren. So betonen NPD-Funktionäre regelmäßig ihre Bereitschaft, in Umsetzung des „Kampfes um den organisierten Willen“, die Zusammenarbeit mit den „freien Kräften“ fortzuführen und zu intensivieren. Diese Zusammenarbeit wird im Papier in weiteren Unterpunkten näher betrachtet:

6.2.1: Die Unterstützung der NPD in Wahlkämpfen durch „Freie Nationalisten“ besteht insbesondere in öffentlichkeitswirksamen Aktionen, wie der Materialverteilung.
6.2.2: Ebenso gibt es eine Verflechtung bei Demonstrationen. So fanden in der Zeit zwischen dem 1.1.2008 und dem 31.3.2012 insgesamt 270 rechtsextremistische Versammlungen/Kundgebungen statt – 116 davon waren NPD/JN-Demonstrationen/Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern. Bei 197 der insgesamt 270 Aktionen konnte eine gegenseitige Unterstützung der „parteiorganisierten“ und der „parteifreien“ Kräfte festgestellt werden. Diese gegenseitige Unterstützung bezog sich sowohl auf die Teilnahme und die Mobilisierung sowie auch auf Redeauftritte und/oder gemeinsamer Organisationen.
6.2.3: Musikveranstaltungen und Konzerte zur Mobilisierung der Szene mit Unterhaltungswert und Rednerbeiträgen rechtsextremistischer Funktionäre werden regelmäßig von der NPD, JN und dem Verlag der „Deutschen Stimme“ veranstaltet. Diese Veranstaltungen haben einerseits die Heranführung junger Aktivisten an die Partei und andererseits z. T. auch die Verbesserung der finanziellen Situation zum Ziel.
6.2.4: Gemeinsame Aktivitäten und sonstige gegenseitige Unterstützungsleistungen zwischen NPD und „freien Nationalisten“ werden vor allem bei den Materialsammlungen deutlich. Als beispielhaft dafür wird hier u. a. genannt: Ein im Sommer 2008 auf der rechtsextremistischen Internetplattform „Altermedia“ veröffentlichter Bericht der „Nationalen Sicherheitswacht Nürnberg“ über eine gemeinsame Bürgerwehr mit Aktivisten aus der NPD, „Freien Kräften“ und BIA.

6.2.5 Gemeinsame Nutzung von Immobilien
Zur Durchführung von Großveranstaltungen und Konzerten sind sowohl die NPD als auch die „freien Kräfte“ an der Anmietung von Räumlichkeiten interessiert. Aufgrund der Schwierigkeiten, gerade für größere Veranstaltungen einen Vermieter zu finden, ist die rechte Szene auch am Erwerb eigener Immobilien interessiert. Auch wenn diese Immobilien von der NPD angemietet oder erworben wurden, ist eine enge Verzahnung mit dem freien rechtsextremistischen Spektrum festzustellen, so dass eine Nutzung der Immobilien außer von Aktivisten der Partei auch durch Mitglieder „freier Kameradschaften“ erfolgt. Solche Objekte werden dann in unterschiedlicher Weise genutzt. So finden dort neben regelmäßigen regionalen Veranstaltungen, wie z. B. Mitgliederversammlungen, Stammtische oder Liederabende, auch regelmäßige Redner- und Schulungsveranstaltungen statt, die eine ideale Plattform zur Verbreitung der rechtsradikalen Ideologie bilden. Gerade in ländlichen Gegenden ist die Gefahr einer subtilen ideologischen Beeinflussung der dortigen Anwohner besonders groß, da sich insbesondere die NPD durch Anlaufstellen für Bürger als – so wörtlich in dem Papier – „Kümmerer-Partei“ profilieren kann.
Bundesweit verfügt die rechtsextremistische Szene über insgesamt 212 Immobilien – davon 116 in den „neuen“ und 96 in den „alten“ Bundesländern. Nur 71 Immobilien davon werden von der NPD selbst genutzt und bei weiteren 19 findet eine gemeinsame Nutzung von NPD und dem „freien“ Spektrum statt.

Unter „7. Verbindungen der NPD zu verbotenen rechtsextremistischen Organisationen und zu neonazistischen Straf- und Gewalttätern“ wird in weiteren Punkten untersucht:

7.1 Organisation auf Bundesebene
Hier ist besonders interessant, dass es bei neun von zehn der seit 1990 vom Bundesminister des Inneren verbotenen rechtsextremistischen Vereine Berührungspunkte mit der NPD gibt. Diese liegen insbesondere bei personellen Verflechtungen, aber auch öffentlichen Solidaritätsbekundungen von Seiten der NPD für diese Organisationen sowie z. T. dem Versuch der Partei, Tätigkeiten dieser Organisationen aufzugreifen. Bei den verbotenen Organisationen handelt es sich im Einzelnen um die:

„Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG),
„Verein Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ),
„Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens des Holocausts Verfolgten“ (VRBHV),
„Internationales Studienwerk Collegium Humanum (BH) / Bauernhilfe e.V.“,
„Blood an Honour (BH) / Withe Youth“,
„Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP),
„Wiking Jugend“ (WJ)
„Deutsche Alternative“ (DA)
„Nationalistische Front“ (NF)

7.2 Organisationen auf Landesebene
Auch zu weiteren nur auf Landesebene verbotenen Organisationen gibt es Berührungspunkte mit der NPD. Diese bestehen entweder auch hier in personellen Verflechtungen oder darin, dass Mitglieder von verbotenen Organisationen in der NPD eine neue „politische Heimat“ gefunden haben. Als Beispiele für solche Organisationen werden hier genannt:

„Nationalistischer Block“ (NB),
„Frontbann 24“,
„Nationale Liste“
„Mecklenburgische Aktionsfront“ (MAF),
„Skinhead Sächsische Schweiz“ (SSS),
„Sturm 34“

7.3 Einzelpersonen
Auch zu namhaften vorbestraften Rechtsextremisten sowie neonazistischen Straf- und Gewalttätern unterhält die NPD Kontakte. Diese treten z. T. regelmäßig bei NPD-Demonstrationen oder -Vortragsveranstaltungen auf. Zudem erklärt sich die NPD – wie es in dem Papier heißt – „immer wieder mit verurteilten Rechtsextremisten wie Axel Möller oder Horst Mahler solidarisch“ und lässt diese in ihren Veröffentlichungen zu Wort kommen.

8. Einstellung zur Gewalt als Mittel im politischen Kampf
In den anschließenden Punkt versucht das Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe den „aggressiv-kämpferischen Charakter der NPD“ nachzuweisen. Als Indikator für einen solchen Charakter sieht das Papier zum einen die Gewaltrhetorik der Partei, zum anderen aber auch die Anwendung von Gewalt durch NPD-Mitglieder und deren strafrechtliche Verurteilungen.

8.1 Sprachliche Militanz
Die Rhetorik der Militanz und Gewalt der NPD kann das Papier anhand von zahlreichen Belegen nachweisen, in denen vor allem den politischen Gegnern Angst gemacht werden soll und zur Gewalt gegen diese aufgerufen wird.

8.2 Aussagen zur Gewalt
In der Öffentlichkeit lehnen höhere NPD-Funktionäre zumeist Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab, jedoch lassen einige Äußerungen den Schluss zu, dass diese Ablehnung formelhaft ist und – so wörtlich in dem Papier – „dass das Verhältnis der NPD zur Gewalt zumindest ambivalent ist“, was ebenfalls durch entsprechende Belege nachgewiesen wird.

Der nun folgende Punkt ist aufgrund seiner Aktualität (NSU-Prozess) besonders interessant:
8.3 Verhältnis zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU)

Dieser Punkt wird in die folgenden Unterpunkte unterteilt:
8.3.1 Aussagen der NPD zum NSU
Gerade hier reagiert die NPD mit einer deutlichen verbalen Distanzierung zu den Taten der NSU und gibt auch in diesem Fall vor, Terrorismus und Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele abzulehnen und das Gewaltmonopol des Staates anzuerkennen.
Dennoch sind anhand von Belegen im Umfeld der NPD auch Relativierungen und Sympathiebekundungen nachzuweisen.
8.3.2 NPD-Bezüge im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum NSU
Hierzu werden Bezüge von Beschuldigten im NSU-Prozess zur NPD anhand von persönlichen Daten aufgezeigt, in Folgenden als Zitat:

>>Ralf Wohlleben: Beschuldigter wegen Verdachts der Beihilfe zum Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung
– 1999-2008: Mitglied im Landesvorstand der NPD, u.a. in der Funktion des Schulungsleiters,
– 2006-2008: stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Thüringen,
– 1999-2010: Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Jena/Saale-Holzlandkreis,
– 2005-2009: Anmelder (abwechselnd oder gemeinsam mit André Kapke) für den NPD-Kreisverband Jena des rechtsextremistischen Rockfestivals „Fest der Völker – Für ein Europa der Vaterländer“ mit bis zu 1.600 Teilnehmern (2007),
– 2002-2010: Mitwirkung an der jährlichen rechtsextremistischen Musikveranstaltung „Thüringentag der nationalen Jugend“ als Anmelder, Versammlungsleiter oder Redner (…) durchschnittliche Teilnehmerzahl des „Thüringentags“ bei rund 300 Personen,
– nach Parteiaussagen seit September 2010 nicht mehr Mitglied der NPD

Carsten Schulze, Beschuldigter wegen Verdachts auf Beihilfe zum Mord
– (…) 1999-2000 Führungsfunktionär im NPD-Kreisverband Jena und von Oktober 1999 bis bis zu seinem Ausstieg aus der rechtsextremen Szene Ende 2000 JN-Stützpunktleiter in Jena

NPD-Funktionäre bzw. NPD-Aktivisten mit Kontakten zu Beschuldigten des NSU-Ermittlungsverfahrens:

André Kapke
Als Kameradschaftsführer der Sektion Jena innerhalb des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) beteiligte sich André Kapke seit Mitte der 1990er Jahre an gemeinsamen rechtsextremistischen Aktivitäten mit dem weiteren Sektionsmitgliedern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, den im Januar 1998 untergetauchten Jenaer Neonazis und späteren Mitbegründern des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Innerhalb der NPD war bekannt, dass Kapke nach dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos und Beate Zschäpe zunächst Kontakt zu diesen per Haftbefehl gesuchten Rechtsextremisten aufrechterhielt. Der zumindest Phasenweise seit 2000 als NPD-Mitglied aktive Kapke nahm an einer Vielzahl von Parteiveranstaltungen teil (Demonstrationen, Parteitage) teil. In besonderer Weise engagierte sich Kapke für die rechtsextremistische Festivalreihe „Fest der Völker“, wobei er insbesondere Ralph Wohlleben zusammenarbeitete.
(…)
Mit Wohnsitz behördlich gemeldet war Kapke von 2003 bis 2007 im sogenannten „Braunen Haus“ in Jena, einem Immobilienprojekt, das als Anlaufstelle der rechtsextremistischen Szene in Thüringen diente.

Frank Schwerdt
Der langjährige (2001-2010) thüringische NPD-Landesvorsitzende Frank Schwerdt, der seit 1998 auch Mitglied im NPD-Bundesvorstand ist und sei 2009 das Amt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden bekleidet, kooperierte nach eigener Aussage im Rahmen seiner Tätigkeit für die Landespartei eng mit seinem zeitweiligen Stellvertreter Ralf Wohlleben, einem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zum „Nationalsozialistischen Untergrund“. Auch räumte Schwerdt gegenüber den Tagesthemen im März 2012 [ein], von Kapke um Unterstützung für die im Januar 1998 untergetauchten Jenaer Neonazis Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gebeten worden zu sein. Der Kontakt Kapkes zu Rechtsextremisten, die mit Haftbefehl gesucht wurden, war für Schwerdt, der in den Jahren 1995 bis 1998 wegen gemeinschaftlicher Verbreitung von Propagandamitteln in Tateinheit mit der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung sowie wegen Gewaltverherrlichung Haftstrafen von insgesamt 15 Monaten verbüßte, kein Grund, die intensive Zusammenarbeit mit diesen in Frage zu stellen oder sich von diesen zu distanzieren.

Patrick Wieschke
Der seit 1997 mit zwischenzeitlicher Unterbrechung in der NPD aktive Multifunktionär Patrick Wieschke – von 2006 bis 2012 NPD-Landesgeschäftsführer, von 2008 bis 2012 stellvertretender NPD-Landesvorsitzender und seit Mai 2012 NPD-Landesvorsitzender – arbeitete in der Vergangenheit bei Versammlungen, Demonstrationen oder Parteiveranstaltungen eng mit dem Beschuldigten Ralf Wohlleben zusammen. Wie Wohlleben agierte auch Wieschke als Führungskader des „Thüringer Heimatschutzes“, wobei er als Leiter der unter der Bezeichnung „Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen“ (NSAW) auftretenden Sektion Eisenach war. Seit November 2011 ist Wieschke Bundesgeschäftsführer der NPD.

– 2002 Danksagung im Fanzine „Der Weisse Wolf“ für eine Spende des NSU. Der Domainname der zum Fanzine eingerichteten Internetseite „der weisse-wolf.de“ war bereits 1999 auf den Domaininhaber David Petereit eingetragen.
Beleg 3058<<

8.4 Strafbares Verhalten von Funktionären und ausgewählten Mitgliedern der NPD
Trotz der Aussagen von NPD-Funktionären zur Gewalt wie im Punkt 8.2 schrecken dennoch selbst NPD-Mitglieder der Führungsebene und auch Mandatsträger nicht vor der Begehung von Straftaten zur Durchsetzung politischer Ziele zurück. Diese reichen von Propagandadelikten bis hin zur Körperverletzung mit Landfriedensbruch.
Das Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe führt nachfolgend Personen exemplarisch auf, an denen die kriminelle Energie bzw. die Gewaltbereitschaft von NPD-Mitgliedern nachgewiesen werden soll – in dieser Aufarbeitung vereinfacht aufgeführt:

Frank Schwerdt: verurteilt zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen Beleidigung (rassistisches Propagandadelikt, 2009),
Safet Babic verurteilt am 22. 12. 2010: Bewährungsstrafe von 7 Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung als Anführer einer Tätergruppe (2009),
Björn Wild verurteilt am 14. 8. 2007: Bewährungsstrafe von 11 Monaten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung (2007),
Thomas Baumann verurteilt am 19. 4. 2012: Bewährungsstrafe von 8 Monaten wegen vorsätzlicher unerlaubter Ausübung tätlicher Gewalt über eine Kriegswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition – zusätzlich 100 EUR Geldbuße wegen der Ordnungswidrigkeit des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Hieb- und Stichwaffe sowie eines Einbandmessers (2009),
Peter Rausch verurteilt am 26. 11. 2008: Bewährungsstrafe von 7 Monaten wegen wegen gefährlicher Körperverletzung („Aggression zum Nachteil Andersdenkender“, Februar 2008),
Schwere Krawalle der „Terror-Crew-Muldental“ am Rande eines Fußballspiels am 24. 10. 2009. Mehrere Personen wurden z. T. schwer verletzt. Verurteilt wurden dafür:
Chris Rox: Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung in 3 tateinheitlichen Fällen und versuchte gefährliche Körperverletzung,
Frank Schröder: Bewährungsstrafe von 1 1/2 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung in in 3 tateinheitlichen Fällen, in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung,
Christian Kaufmann: unter Einbeziehung weiterer Verfahren Gesamtfreitheitsstrafe von 3 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung in 4 tateinheitlichen Fällen und tateinheitlich begangener versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung

Der folgende „Teil B“ führt im Punkt I. „Verhältnismäßigkeit eines Parteiverbots nach nationalem Recht“ aus, dass ein Parteiverbot nicht erst dann angemessen ist, wenn eine Partei eine akute Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellt, sondern der Art 21 Abs. 2 GG durchaus präventiven Charakter hat. An anderer Stelle wird ausgeführt, dass dies auch der Rechtsprechung des EMGR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) entspricht.
Es wird weiter ausgeführt, dass der Prozess auf eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung hinausläuft. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere:

„Schwere des Nachteils (Eingriffsintensität) Förderung des Vorteils“
Und weiter wörtlich: „Bei einem Parteiverbot handelt es sich um den denkbar schwersten Eingriff in das Recht der Parteienfreiheit.“ Diesem Eingriff muss also ein entsprechend großer Vorteil gegenüberstehen, damit der Eingriff gerechtfertigt ist. Dabei ist nach Meinung vor allem die im Teil A dargestellte „aggressiv-kämpferische“ Charakteristik und die verfassungsfeindliche Haltung der NPD zu beachten, weniger die geringe Mitgliederzahl und ihre derzeit schwachen Wahlerfolge der Partei.
Weiterhin stellt das Papier dar, dass ein „dringendes soziales Bedürfnis“ eines Parteiverbotes im Falle der NPD gegeben ist, da die Partei ein klares Bild eines Gesellschaftsentwurfs vor Augen hat, das „dem Grundkonzept einer demokratischen Gesellschaft widerspricht“.

Ein Punkt sei hier noch hervorgehoben:
Die Belege in der Materialsammlung stellen fast ausschließlich Äußerungen von Einzelpersonen aus der NPD dar.
In Punkt II. 1.1.2: „Zurechenbarkeit“ wird untersucht, in wieweit diese Äußerungen einen Rückschluss auf die Programmatik der NPD zulassen. Daher wird ausgeführt, dass laut der Rechtsprechung des EMGR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) auch politische Stellungnahmen und das Verhalten der Parteiführer der Partei zuzurechnen sind, weil Parteiprogramme auch die wahren Ziele einer Partei verschleiern können. Ebenso gilt es als Indiz für eine demokratiefeindliche Haltung einer Partei, wenn Urheber demokratiefeindlicher Handlungen von der Partei für wichtige Ämter nominiert werden.
Dieser Punkt scheint in diesem Zusammenhang einer der besonders wichtigen Argumente für ein Parteiverbot zu sein.

Es schließen sich weitere rechtliche Abhandlungen an.

Im Teil C: Glossar,
I. Personen: werden Mitglieder der NPD mit persönlichen Daten genannt,
II. Organisationen: werden z. T. verbotene NPD-nahe Organisationen aufgeführt

Damit endet das vorliegende Papier.

Fazit:

Nach der Einreichung des Verbotsantrages liegt es beim Bundesverfassungsgericht, ob die im Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe angesprochene Verhältnismäßigkeit gegeben ist.
Denn es dürfte nach diesen Ausführungen klar sein, dass es sich bei der NPD um eine Partei handelt, die den demokratischen Rechtsstaat mit individuellen Freiheiten, so wie wir ihn kennen, abschaffen wollen, zugunsten eines Staates mit einer kollektivistischen Gesellschaftsordnung, in der die Gemeinschaft alles zählt, der Einzelne jedoch nichts.

Mit einem Verbot würde die NPD für sie wichtige Rechte verlieren.
NPD verlöre alle Grundrechte, wie Versammlungs- und Demonstrationsrecht und darf nicht mehr zu Wahlen antreten und kann damit auch keine staatlichen Gelder, wie Wahlkampfkostenerstattung erhalten.

Nicht erreichen würde man damit:
Die (Ex-)Mitglieder würden keinesfalls aufgrund eines NPD-Verbotes ihre Gesinnung ändern und aufhören, sich für diese Gesinnung einzusetzen.
Damit gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die NPD nach einem Verbot reagiert:

1.) NPD arbeitet in der Illegalität weiter;
2.) NPD löst sich selbst auf und gründet eine neue Partei,
oder:
3.) NPD löst sich selbst auf und die Mitglieder schließen sich einer bereits bestehenden anderen Partei an.

Dennoch würde man damit die führende Kraft der rechtsextremen Szene zerschlagen, als die sich die NPD selbst sieht und es würden möglicherweise einige der von der NPD aufgebauten Strukturen zerschlagen und Parteivermögen beschlagnahmt werden können. Zumindest für eine gewisse Zeit könnte damit der Rechtsstaat die rechtsextreme Szene schwächen. Dieser Schritt wäre in diesem Fall also nicht völlig zwecklos.

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