Tîwaz

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germ.:*tó wa-, *tó waz, *teiwa-, *teiwaz,

nhd.: Ziu, >Gott<

(Quelle: http://www.koeblergerhard.de/germanistischewoerterbuecher/altnordischeswoerterbuch/an-T.pdf)

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Germanische Gottheit (zw. ca. 500 v. Chr. – ca. 500 n. Chr.)

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Der Name von Tîwaz läßt sprachwissenschaftliche Schlüsse bis weit in eine Vergangenheit zu, in der die indoeuropäische/indogermanische Spache noch (höchst wahrscheinlich von Unterschieden im Dialekt abgesehen) eine einheitliche Sprache bildete. Die Sprachwissenschaft stellt dabei den wichtigsten Wissenschaftszweig dar, weil Schriftquellen für diese sehr frühe Zeit fehlen. So dürfte der ursprüngliche Name bei den Indoeuropäern (vor der sprachlichen Aufspaltung in Germanen, Romanen Slawen, Griechen usw.) Diaus pater oder Dieus pater gewesen sein. Dieser Name läßt auch Rückschlüsse auf seine ursprüngliche Bedeutung als >Gott des strahlenden Himmels und Tages< zu und man nimmt weiter an, daß er auch von den Germanen anfangs (um 500 v. Chr.) noch so verehrt wurde.

Daraus entwickelten sich bei den verschiedenen Völkern eigene Gottheiten, die jedoch auch einen ganz unterschiedlichen Stellenwert haben konnten.

Tîwaz wird auch oft als der ursprünlich Oberste unter den Göttern bezeichnet – wohl auf Grund einiger Indizien, so z. B. der Begriff >Tîwar< (tÆ-v-ar, M. Pl., Götter), der >die Götter< bedeutet, oder weil er z. B. bei den Griechen später als >Zeus< die oberste Gottheit war – was aber keineswegs bewiesen ist, weil es auch Gegenbeispiele gibt und bei anderen Völkern (z. B. Indien) eine eher untergeordnete Rolle spielte.

Im Folgenden einige Beispiele:

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– älterer antiker lateinischer Name: Diovis pater, der sich aus Diovis (später Jovis) (= der lichte Himmel) + Pater (= Vater) zusammensetzt > Jupiter

– seltener: aus altlatein  Diouis > Diespiter zusammengesetzt aus dies = Tag + Pater = Vater, > Iuppiter.

(höchster Gott der Römer)

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– griechisch: Theos > Zeus (= Gott, Theos ist heute noch im Begriff Theologie enthalten.)

(höchster Gott der Griechen)

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– baltisch: (apr.) Deiwas > lit. Dieva </wiki/Dievas>s, lett. Dievs

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– indisch: Dyaus pitah (zusammengesetzt aus dyauh = Himmel, im Altindischen als Mutter und Göttin angesprochen [verwandtschaftliche Beziehung zum lateinischen dies = Tag ist erwiesen] und pitah = Vater

(spielte in Indien eine eher untergeordnete Rolle)

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(aus: http://www.philos-website.de/index_g.htm?autoren/kerenyi_g.htm~main2)

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Mit den häufiger werdenden Kriegszügen germanischer Stämme, entwickelte sich bei Tîwaz eine weitere Seite als Kriegsgottheit, welche wichtiger wurde, je höher der Stellenwert des Krieges im Leben der Germanen wurde.  So wurde Tîwaz zum Kriegs-, Himmels- und Verhandlungsgott und Schutzgott des Thing (Ratsversammlung der Freilinge). Die Römer setzten ihn mit ihrem Kriegsgott >Mars< gleich. Sein Attribut war der Speer bzw. das Schwert als Waffe und Rechtssymbol.

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Auf Grund der Änderung in seiner Funktion und der Uneinheitlichkeit der Mythologien bei den verschiedenen germanischen Stämmen, konnte auch die Verehrung der Gottheit Tîwaz, wie auch aller anderen Gottheiten, von Stamm zu Stamm unterschiedlich sein.

Orosius berichtet, daß die Germanen ihre Kriegsgottheit auch an den Stätten ihres Sieges durch Opfer ehrten. Die Kimbern und Teutonen vernichteten 105 v. Chr. in Erfüllung eines, den Römern unbekannten und ungewöhnlichen Schwures die gesamte Beute: Die Gewänder der 80.000 Gefallenen wurden zerrissen und in den Kot getreten, Gold und Silber in den Fluß geworfen, die Panzer der Römer zerhauen, der Schmuck der Pferde zerstört, die Pferde in den Strudeln des Stromes ertränkt und die Gefangenen mit Stricken um den Hals an den Bäumen aufgehängt.

Ebenso, wie Orosius, berichtete Jordanes, daß der gotische Mars (=Tîwaz) nicht nur Anteil an der Kriegsbeute – die Rüstungen des Gegners würden für ihn an Pfählen aufgehängt -, sondern – wie z. B. die Semnonen auch – auch Menschenopfer erhalten habe. Die Goten verehrten Tius als Lenker der Schlachten und sein Symbol war das Schwert.

Bei den Tenkterern ist er nach römischer Überlieferung >der vornehmste der Götter<. Auch die Rheinländer, deren Kriegsgottheit jedoch Wotan war, brachten doch auch dem Tîwaz besondere Tiere – wahrscheinlich Pferde – zum Opfer.

Die Semnonen – nach Tacitus >der vornehmste Stamm des Suebenvolkes< verehrten Tîwaz auf besondere Weise:

Ein heiliger Hain, von uralten heiligen Schauern durchweht, war ihm geweiht. Nur mit Fesseln durfte man den Wald betreten. Wer fiel, durfte nicht aufstehen, sondern mußte sich hinauswälzen. Mit diesem Brauch stellte sich jeder wie ein Opfer hilflos in die Hand des Gottes, der Herr über Leib und Leben war, der schrecklichsten, strafenden und rächenden Gewalt, dessen heilige Rechte niemand verletzen durfte. Der heilige Hain war ein Bundesheiligtum, das zu bestimmter Zeit von den einzelnen verbündeten Stämmen beschickt wurde, um dem Gotte ein feierliches Menschenopfer darzubringen. Der Glaube verlegte den Ursprung des Volkes dorthin. Die Semnonen und durch sie auch ihre Bundesgenossen, betrachteten sich demnach offenbar als Abkömmlinge des Allwaltenden.

Weiterhin berichtet Tacitus über einen Schwerttanz zu Ehren von Tîwaz, der bis ins späte Mittelalter erhalten blieb:

Jünglinge tanzten kunstvoll zwischen Schwertern und feindlich drohenden Speeren. Die Tänzer führten kunstreiche Fechtschläge aus, ahmten den Schwertkampf nach und bildeten aus den zusammengehaltenen Klingen mannigfaltige Figuren. Der Tanz verlangte Übung und Gewandtheit. Die Beziehung des Tîwaz zum Schwert läßt vermuten, daß dieses Heldenspiel ihm zu Ehren durchgeführt wurde.

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Bei den Friesen wurde offenbar eine Abart des Tîwaz verehrt. Römische Söldner, die aus Friesland stammten, setzten ihrem Kriegsgott, dem >Mars Thingsus< einen Weihestein, wobei dies eine lateinisierte Form von >Thingsaz< darstellte in Anlehnung an die germanische Versammlung, dem Thing.

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Aus allen diesen Überlieferungen kann man schließen, wie man sich Tîwaz in dieser Zeit in etwa vorstellte:

Mit Schwert, Goldhelm und Roß war er gerüstet wie ein Königsheld.

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Bei vielen germanischen Stämmen verlor Tîwaz allerdings im Laufe der Zeit immer mehr zu Gunsten von Wotan/Odin an Bedeutung, wobei dieser Bedeutungsverlust bei den verschiedenen germanischen Stämmen unterschiedlich war. So schworen z. B. Hermunduren und Chatten vor der Schlacht um den Salzfluß jeweils, die Gefangenen des unterlegenen Heeres dem Mars (=Wodan) und dem Merkur (=Tîwaz) zu weihen, wobei es Historiker gibt, die in Erwägung ziehen, daß die Chatten die Kriegsbeute dem Wodan, die Hermunduren hingegen dem Tîwaz weihten.

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Um etwa 500 n. Chr. spaltete sich durch sprachliche Veränderungen (Lautverschiebung/Abnutzung) der Name des Tîwaz auf und hieß dann

bei den Franken, Thüringern, Langobarden u. Alamannen – Zio bzw. Ziu;

Goten – Tius / Tyz; ;

Angelsachsen – Tig bzw. Tiw;

Den nordischen Stämmen – Tyr:

Sachsen – sehr wahrscheinlich Saxnôte (Schwertgenosse)

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