schwertkampfWohl kaum eine  andere Waffe steht derart als Symbol für das Mittelalter als das Schwert. Jedes Kind kennt es und die meisten werden es in Form von Holzschwertern schon in einem jungen Alter in der Hand gehalten haben. Ein Ritter ohne Schwert wird für die meisten kaum vorstellbar sein – und war es übrigens auch im Mittelalter nicht. Bei einer derart hohen Bekanntheit ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Mythen um das Schwert ranken. Dabei handelt es sich keineswegs um ein neues Phänomen. Bereits in den Liedern und Geschichten des Mittelalters tauchen Schwerter mit auch heute noch bekannten Namen auf: Siegfrieds „Gram“, Dietrich von Berns „Mimung“, Rolands „Durendal“ und selbstverständlich „Excalibur“, das Schwert König Arturs (um nur einige zu nennen). Alle diese Schwerter tragen nicht nur Namen, sondern zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie allen anderen Waffen überlegen sind und ihren Trägern zu Ruhm und Ehre verhelfen. Geschmiedet werden sie in den Sagen entweder durch legendäre Schmiede oder gelangen durch göttliche Vorsehung oder gar Magie in die Hände ihres für sie vorgesehenen Helden. In der modernen Rezeption finden sich spektakuläre Choreographien, wie man sie aus Film, Theater oder Schaukämpfen kennt. Doch wie nahe kommen diese der mittelalterlichen Realität?

Tatsächlich besaßen gute Schwerter bereits im Mittelalter einen unschätzbaren Wert. Zu dieser Zeit gab es in Europa bereits eine Schmiedetradition, die viele Jahrhunderte in die Geschichte zurück reichte. Schon die alten Hochkulturen waren in der Lage, qualitativ hochwertige Waffen zu fertigen. Im Frühmittelalter waren Schwerter mit dem Schriftzug +VLFBERHT+ sehr begehrt, zunehmend auch bei den aus dem Norden in das Frankenreich einfallenden Wikingern. Interessant ist, dass sich immer wieder qualitativ schlechtere Fälschungen finden lassen, die wesentlich schneller brachen. Bei Ulfberht könnte es sich um einen bekannten Schmied handeln, der im Frankenreich tätig war und vielleicht als Vorbild für die legendären Schmiede aus den Geschichten diente.

 

Die Schwerter dieser Zeit waren in erster Linie für das Zuschlagen gedacht. Sie wurden mit einer Hand geführt, dazu verwendete man in der Regel einen Schild. Wurde zu Fuß gekämpft, bildeten die Krieger meist einen Schildwall. Dieser musste in einer Schlacht unbedingt geschlossen bleiben, wie sich am Beispiel der Schlacht von Hastings 1066 eindrücklich zeigte. Sobald die Angelsachsen ihre dichte Formation auflösten, wurden sie anfällig für gegnerischen Beschuss und Reiterangriffe. Da es sich beim Schwert um eine sehr teure Waffe handelte, wurde sie wahrscheinlich nur von reichen und hochrangigen Kriegern verwendet. Äxte und Speere waren weit günstiger und schneller zu produzieren. Allerdings spielt hier auch die Tradition eine Rolle. Die angelsächsischen Elitekrieger, die „húskarlar“, verwendeten beispielsweise mannshohe Äxte.

 

Im Hochmittelalter war das Schwert in erster Linie ein Symbol der Ritterschaft. Es wurden meist Einhänder verwendet, die stets am Gürtel getragen wurden. Zusätzlich zu den Schilden wurden ab dem 13. Jahrhundert Buckler verwendet. Hierbei handelt es sich um Faustschilde, die einen Durchmesser von ca. 30-35 cm besaßen. Das älteste bekannte Fechtbuch, das I.33, behandelt ausschließlich den Kampf mit dem einhändigen Schwert und dem Buckler.[1] Bei diesem Kampfstil kommen neben den Schlägen auch Stiche zum Einsatz. Zudem ist er nicht mehr primär auf den Kampf in einer Schlachtreihe ausgerichtet, sondern auf das Duell. Das einhändige Schwert war alles andere als plump und schwerfällig. Das durchschnittliche Gewicht lag bei unter einem Kilogramm. Somit sind hiermit schnelle und präzise Aktionen möglich.

 

 

Buckler
Buckler

 

 

Aus dem 14. Jahrhundert stammt das Fechtbuch, das heute als maßgeblich für die deutsche Schule gilt – die Aufzeichnungen des Fechtmeisters Johannes Liechtenauer. Er widmete sich in erster Linie dem Kampf mit dem langen Schwert. Diese Waffe ist ca. 120 cm lang, besitzt ein Parier und einen Griff, der für zwei Hände geeignet ist. Der Knauf kann verschiedene Formen haben. In alten Aufzeichnungen sind teilweise sogar Dornen erkennbar. Auch konnte das Parier angeschliffen sein. Bei den angewandten Techniken kommt nicht nur die Klinge zum Einsatz – insbesondere dann nicht, wenn gegen gepanzerte Gegner gekämpft wird. Das Gewicht der Schwerter variiert, beträgt im Regelfall aber ca. 1200-1800 Gramm. Die richtige Balance ist bei diesen spezialisierten Waffen ungemein wichtig. Im Gegensatz zum japanischen Katana, dass eher frontlastig ist, ist das europäische Langschwert um einen Punkt einige Zentimeter hinter dem Parier ausbalanciert. So lassen sich eine Vielzahl an Hieb- und Stichtechniken kontrolliert und schnell ausführen. Der Mythos vom schweren, kaum führbaren und langsamen Schwert ist also durchweg falsch. Auch die Schärfe weicht nicht von der des Katana ab. Im Gegensatz zu den Waffen der Samurai ist es mit dem europäischen Langschwert möglich, im sogenannten Halbschwert zu kämpfen. Der Fechter greift das Schwert am Griff und in der Mitte der Klinge. So ist es ihm möglich, sehr gezielte Stiche auszuführen oder auch Parier und Knauf einzusetzen. Diese Technik eignet sich somit vor allem für den Kampf gegen einen Gegner in Rüstung, die man mit einfachen Schwertschlägen nicht durchdringen konnte. Ring- und Wurftechniken runden das Repertoire des mittelalterlichen Kämpfers ab. Unzerstörbar waren weder das Langschwert noch das Katana. Beide waren wesentlich empfindlicher, als uns das die Geschichten und Filme glauben lassen möchten. Aus diesem Grund musste beim Parieren eines Schlages darauf geachtet werden, diesen mit der flachen Seite der Klinge aufzufangen, nicht mit der Klinge selbst.

 

 

Halbschwert und Mordhau Augsburg Cod.I.6.4º.2 (Codex Wallerstein) 107v
Halbschwert und Mordhau
Augsburg Cod.I.6.4º.2 (Codex Wallerstein) 107v
Darstellung aus Talhoffers Fechtbuch
Darstellung aus Talhoffers Fechtbuch

 

 

Der große Unterschied zum Schaukampf ist, dass in einem richtigen Kampf der Gegner so schnell wie möglich bezwungen werden muss. Mit jeder Sekunde steigt die Wahrscheinlichkeit, selbst getroffen zu werden. Schaukämpfe sind aber darauf ausgelegt, ein Publikum zu unterhalten. Stellen Sie sich einen Film vor, in dem die Kontrahenten nicht miteinander reden und sich Beleidigungen zurufen sondern der Kampf innerhalb von Sekunden zu Ende gebracht wird und auch die Bewegungen der Kämpfer nur in der Zeitlupe klar erkennbar wären – aus dramaturgischer Sicht meistens wohl problematisch, wenn auch realistisch. Auch der Schaukampf auf Mittelaltermärkten folgt diesem Prinzip. Aufzeichnungen über den Schaukampf sind schon aus dem 14. Jahrhundert bekannt.[2] Mit dem richtigen Schwertkampf hatte er aber damals schon wenig zu tun. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass man nicht zwischen gutem und schlechtem Schaukampf unterscheiden könnte. Es gibt viele sehr ansehnliche Choreographien und Shows.

 

Im Endeffekt verhält es sich mit dem Mythen rund um das Schwert und seine Verwendung wie mit allen anderen Verklärungen, die sich in der Welt finden lassen. Schwerter waren hochspezialisierte Waffen, die aufwendig und teuer herzustellen waren. Dabei waren sie nicht die unzerstörbaren Superwaffen, die man in den Geschichten so häufig findet. Kettenhemde und Rüstungen lassen sich durch Schnitte nicht durchdringen, Paraden mit der scharfen Klinge konnten schnell zu Scharten führen. Die Wirkung gegen ungepanzerte Ziele war allerdings verheerend. Das Schwert war zu jeder Zeit eine Waffe mit hohem Symbolwert. Neben den gebrauchstauglichen Schwertern gab es immer auch Zeremonialschwerter, die zu besonderen Anlässen verwendet wurden. Besonders hochwertige Schwerter waren anderen Waffen qualitativ deutlich überlegen. Gut möglich, dass so die Geschichten von den „Wunderschwertern“ entstanden. Die angewandten Techniken setzten auf eine routinierte, präzise und schnelle Ausführung. Weite Ausholbewegungen und langsame Schwünge sind in den Fechtbüchern nicht beschrieben. Das heißt nicht, dass so niemals gekämpft wurde. Die erhaltenen Fechtbücher wurden von Fechtmeistern verfasst. Es ist anzunehmen, dass es auch eine ganze Reihe weniger geübter Kämpfer gab. Die Kämpfe, die man in Filmen, im Theater oder bei Schaukämpfen sieht, zeigen meistens nicht die Techniken, die sich in den Fechtbüchern finden lassen. Sie sind nicht dazu gedacht, einen Kampf zu gewinnen, sondern zu unterhalten. So gut sie auch aussehen mögen, so nutzlos wären die meisten von ihnen in einem richtigen Kampf.

 

Literatur:

Schmidt, Herbert. Schwertkampf. Der Kampf mit dem langen Schwert nach der deutschen Schule. 2. Auflage. Bad Aibling, 2011.

 

Zum Autor:

Daniel Ossenkop, M.A. wurde 1986 in Hildesheim geboren. Seinen Bachelor in Geschichte und Englisch schloss er 2011 in Braunschweig ab. Bis 2014 studierte und arbeitete er in Düsseldorf, wo er den Master of Arts mit dem Schwerpunkt Mittelalterliche Geschichte abschloss. Bereits während des Studiums sammelte er praktische Erfahrungen im Museumsbereich und beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte des Krieges im Mittelalter. In seiner Freizeit ist der Autor im historischen Fechten aktiv.

 

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