Bei den Bangalores, heute bei der Bundeswehr unter der Bezeichnung „Sprengrohr“ in Verwendung, handelt es sich um lange Eisenrohre, die mit Sprengstoff gefüllt sind und mittels Zündschnur gezündet werden können. Sie wurden im Jahr 1912 vom britischen Captain McClintock in der Stadt Bangalore (Indien) erfunden. Zunächst wurden sie dazu verwendet, Minenfelder zu sprengen. Man entdeckte jedoch recht schnell, dass man sie auch gegen feindliche Befestigungen einsetzen konnte, indem man sie unter diese schob und anzündete. Dargestellt wird dieser Einsatz in der Eröffnungsszene von „Der Soldat James Ryan“, in der sich die US-Soldaten mit der Hilfe von Bangalores ihren Weg durch den Atlantikwall bahnen.

Ich bin während meines Quellenstudium anlässlich meiner Masterarbeit in „Die Geschichte von der Belagerung von Neuss“ auf eine Stelle gestoßen, die vermuten lässt, dass diese Sprengrohre bereits im späten Mittelalter im Einsatz waren. Diese Quelle wurde von Christian Wierstraet in Prosaform verfasst, der während der Belagerung der Stadt Neuss durch Karl den Kühnen 1474/75 Stadtschreiber war und 1476 erstmals veröffentlicht. Wir haben hier also einen Autoren, der während der Ereignisse vor Ort war und der Einsicht in so gut wie alle Vorgänge hatte. Auch hätte der Text nicht zeitnaher geschrieben werden können. Insgesamt liefert Wierstraet einen sehr detaillierten und glaubwürdigen Bericht über die Belagerung. Doch nun zum entscheidenden Text:

1476:

Heultzen pyffen vast umbunden
Wurden zu den grauen unden
Behentlych ingestossen
Myt donrekruyd gewullet seer
Idt bracht den greyfften groys erueer
Ind hedt sy wayll verdrossen

Transkription:

Hölzerne Rohre, mit Eisenbändern umwunden,
wurden flink und geschick unten
in die Grabenwand eingestoßen:
sie waren mit Schießpulver gefüllt.
Das brachte die Grabenden in große Gefahr
und hätte sie beinahe dazu gebracht, aufzugeben. 

S. 106/107.

Die Beschreibung dieser Waffen ähnelt sowohl das Aussehen als auch den Verwendungszweck betreffend stark der der Bangalore von 1912, den Sprengrohren der Bundeswehr und dem M1A2 Bangalore-Torpedo der US-Armee. Auch 1476 wurden Rohre mit Schießpulver befüllt, eng mit Stahl eingewickelt und dann in die Grabenwand gestoßen, um diese zum Einsturz zu bringen.
Es wäre nicht erstaunlich, wenn das Wissen um das Grundprinzip dieser Waffe zunächst in Vergessenheit geriet und erst wesentlich später wieder entdeckt wurde.

Quelle:

Wierstraet, Christian. Die Geschichte von der Belagerung von Neuss. Faksimile der Erstausgabe bei Arnold ther Hoernen, Köln 1476. Herbert Kölb, Albert Kreuels, Rudolf Küppers [Hrsg.]. Neuss, 1974.

Blog:

http://dasmittelalter.wordpress.com/2013/02/12/die-sprengrohre-bangalores-des-spaten-mittelalters/

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