Presiden_Sukarno
Der damalige indonesische Präsident Sukarno

 

Indonesien ist dieses Jahr Schwerpunkt auf der Frankfurter Buchmesse 2015. Als junger Mann Anfang der siebziger Jahre schrieb ich meine Diplomarbeit über dieses Land und betrieb ein halbes Jahr Feldforschung vor Ort auf verschiedenen Inseln. Deshalb habe ich eine besondere Beziehung und Liebe zu diesem Land entwickelt.

Im Jahre 1965 kam es in Indonesien zu einem blutigen Militärputsch, der vermutlich eine halbe Million bis eine Million Todesopfer im Gefolge hatte, eines der schlimmsten Massaker der neueren Geschichte, welches später in Asien nur noch von dem Blutbad der Roten Khmer in Kambodscha übertroffen wurde. Doch der Massenmord in Indonesien ist weitgehend in Vergessenheit geraten.

Nach einem blutigen Befreiungskampf unter Führung des späteren Präsidenten Sukarno hatte sich das Land 1949 von der holländischen Kolonialmacht befreit. Sukarno war ein nationalistischer Populist, der schon bald im Westen Misstrauen und Unwillen hervorrief. Er wollte das Land wirtschaftlich voranbringen und enteignete westliche Firmen. In der berühmten Konferenz von Bandung 1955 unter seiner Führung versammelten sich die maßgeblichen Politiker aus Asien und Afrika und gründeten die Bewegung der Blockfreien. Sie definierten sich als „Dritte Welt“ und wollten einen unabhängigen Weg gehen zwischen Ost und West. Sie schrieben sich den Kampf gegen Neokolonialismus auf die Fahnen und forderten wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Aidit
Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Aidit

Unter Sukarno wurde die indonesische Kommunistische Partei (PKI) mit 3,5 Millionen Anhängern zu einer der stärksten kommunistischen Parteien in Asien. Sie orientierte sich an Peking und in vielen Dörfern hatte sie bereits die Macht erobert. Während die Sowjets auf friedliche Koexistenz mit dem Westen setzten, wollten die Chinesen die Weltrevolution vorantreiben. Sie vertraten die Theorie von dem Kampf der Weltdörfer gegen die Weltstädte. Die Dritte Welt war demzufolge das Weltdorf, welches gegen die Weltstädte des Westens kämpfen sollte. Diese Theorie fand außerhalb Chinas nur wenige Anhänger, doch in Indonesien erwies sich der Führer der PKI, Aidit, als getreuer Gefolgsmann von Mao. Dies Land schien das ideale Experimentierfeld zu sein für die neue Theorie. Andererseits wurden die Kommunisten aber immer wieder von Peking ausgebremst, denn China legte auch großen Wert auf gute Beziehungen zu Sukarno, der zwar selbst kein Kommunist war, durch seine antiwestlichen Ausfälle jedoch ebenfalls ein guter Bundesgenosse zu sein schien.

Soekarno
Sukarno

In den sechziger Jahren geriet Sukarno immer mehr unter Druck. Die Kommunisten wurden ständig stärker, aber daneben stand das Militär, welches eindeutig prowestlich orientiert war. Es schien nur eine Zeitfrage zu sein, bis das Land entweder kommunistisch wurde oder die Militärs die Macht übernahmen. Bei den Wahlen konnte sich Sukarno zwar immer wieder durchsetzen, doch seine Position wurde zunehmend schwächer.

1965 kam es dann angeblich zu einem Putschversuch einiger mit der PKI sympathisierenden Offiziere, die ominöse, bisher nicht bekannte „Bewegung des dreißigsten Septembers“. Ob dies tatsächlich stimmt, ist bis heute unaufgeklärt. Jedenfalls übernahm daraufhin die Generalität die Macht und es kam dann zu dem blutigen Massaker. Es wurde deshalb so grauenhaft, weil sich an den Bluttaten viele Zivilisten beteiligten.

Karte und Religionen Indonesiens
Karte und Religionen Indonesiens

Die indonesische Gesellschaft basiert auf Großfamilien, Sippen, Clans, die fest zusammen halten. Zwischen ihnen gibt es Rivalitäten und Auseinandersetzungen, die oft weit in die Vergangenheit zurückreichen. In den sechziger Jahren wurden die Gegensätze zwischen ihnen zunehmend politisiert, es bildeten sich „rote Sippen“ und „schwarze Sippen“. Getreu dem Prinzip der Blutrache folgend, reichte es nicht aus, einzelne Menschen zu töten, nein, es musste die gesamte Sippe sterben. Also wurden nun überall die „roten Sippen“ systematisch abgeschlachtet, damit niemand von ihnen übrig bleibt. Monatelang dauerten die Schlächtereien an. Auch die ungeliebte chinesische Minderheit erlitt einen fürchterlichen Aderlass, weil man sie verdächtigte, mit den Kommunisten zusammen zu arbeiten und als Geldverleiher und Händler waren sie in der Bevölkerung verhasst.

„Seit dem 20. Oktober herrschte das Grauen in Indonesien. Das Morden begann in Mitteljava, sprang über nach Ostjava, der Götterinsel Bali und den anderen Provinzen. Das Heer übte grausame Rache, bei den Islamiten brach sich der lang aufgestaute Groll gegen die „Gottlosen“ mit Macht Bahn, hinzu kam der soziale Gegensatz, der Zorn der Grundbesitzer auf die „Roten“, die es gewagt hatten, ihren Grund und Boden aufzuteilen.“ (Röll, Werner, Indonesien, Wiesbaden 1975, S. 306)

International wurde das Massaker kaum zur Kenntnis genommen. Im Westen war man aber sichtlich erleichtert über den Putsch. Es wird vermutet, dass er mit Hilfe der USA durchgeführt wurde.

In der UDSSR interessierte man sich dafür nicht weiter, denn die PKI war mit dem Rivalen Peking verbündet gewesen. In Moskau fehlte es nicht an Häme darüber, dass die Chinesen ihren wichtigsten Bündnispartner verloren hatten und die Theorie vom Kampf der Weltdörfer einen schweren Rückschlag erlitten hatte.

 

Dieser Artikel wurde von unserem Mitglied Wallenstein geschrieben und erschien ursprünglich im Geschichte-Wissen Forum.

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