Die Gründung der Weimarer Republik erfolgte am 9. November 1918 durch die Proklamation von Philipp Scheidemann (M-SPD). Dieser Proklamation waren militärische Niederlagen an der Front in Frankreich im Zuge des 1. Weltkrieges (1914-1918) und der Beginn der Novemberrevolution ab dem 4. November 1918 vorausgegangen, die zur Abdankung des Deutschen Kaisers Wilhelm II. führte. Nach der Proklamation der deutschen Republik begannen Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten, da die militärische Situation Deutschlands und seiner Verbündeten aussichtslos war. Der Abschluss des Waffenstillstandes erfolgte am 11. November 1918, woraufhin die Kampfhandlungen beendet wurden. Der Waffenstillstand beinhaltete relativ harte Bedingungen:
- Rückzug des Westheeres hinter den Rhein innerhalb von 15 Tagen;
- Besetzung der linksrheinischen deutschen Gebiete sowie dreier Brückenköpfe bei Köln, Mainz und Koblenz durch alliierte Truppen innerhalb von 25 Tagen;
- Aufrechterhaltung der Seeblockade bis zum Friedensvertrag;
- Übergabe des schweren Kriegsgerätes, der U-Boote und der Hochseeflotte;
- Ablieferung von 5.000 Lokomotiven, 150.000 Waggons und 5.000 LKW als erste Reparationsleistungen;
- Freilassung der alliierten Kriegsgefangenen;
- Aufhebung der Friedensverträge mit Rumänien und Russland u. Rückzug des Ostheeres auf Abruf hinter die deutsche Grenze von 1914;
- vorläufige Stationierung deutscher Truppen im Baltikum (um die Ausbreitung des russischen Kommunismus zu verhindern)
Dabei kam es der neuen Reichsregierung unter Friedrich Ebert (M-SPD) als Aufgabe zu, die Frontsoldaten in die Heimat zurück zu führen. In einer Begrüßungsrede an die Soldaten erklärte Ebert am 10. Dezember 1918 vor dem Brandenburger Tor u. a.: „Kein Feind hat euch überwunden.“ Dieser Satz – immerhin vom Regierungschef der neuen Republik – half nach Ansicht des Historikers Mark Jones, die Vorstellung vom militärisch unbesiegten Heer im Volksgedächtnis zu verankern.
Auch in der Presse machte das schnell die Runde. Bereits am 17. Dezember 1918 veröffentlichte erstmals die Neue Zürcher Zeitung in einem Artikel die These von einem Dolchstoß gegen die kaiserliche Armee, wo es hieß, Zitat:
„Was die deutsche Armee betrifft, so kann die allgemeine Ansicht in das Wort zusammengefasst werden: Sie wurde von der Zivilbevölkerung von hinten erdolcht.“
Diese Legende machte demnach die Revolutionäre und die neue Zivilregierung (wurden als Verräter dargestellt) für die Niederlage Deutschlands verantwortlich, nicht aber die militärischen Misserfolge der Armee an der Westfront. Diese als „Dolchstoßlegende“ in die Geschichte eingegangene Verschwörungstheorie wurde rasch von den Gegnern der harten Bedingungen des Waffenstillstandes und des Versailler Vertrages, der am 28. Juni 1919 unterzeichnet wurde, aufgegriffen und stark propagiert.
Es war schließlich Paul von Hindenburg, der am 18. November 1919 im Deutschen Reichstag als Zeuge vor dem ,,Untersuchungsausschuss für die Schuldfragen des Weltkrieges“ ganz offiziell die Ansicht vertrat, das deutsche Heer sei unbesiegt geblieben und die Niederlage von 1918 gehe letztlich auf das Konto der Ereignisse in der Heimat, die der stolzen Armee und ihrer Führung einen Dolch in den Rücken gestoßen habe. Er stützte sich dabei auf die Aussage eines britischen Generals und erklärte dazu vor dem Ausschuss wörtlich:
,,Ein englischer General sagte mit Recht: ‚Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden‘ […]. Bedurfte es noch eines Beweises, so liegt er in dem angeführten Ausspruch des englischen Generals und in dem maßlosen Staunen unserer Feinde über ihren Sieg.“
In einem Gerichtsprozess im Herbst 1925 wegen Ehrenverletzung gegen den Chefredakteur der sozialdemokratischen Münchner Post, Martin Gruber, kam das Thema ebenfalls zur Sprache und wurde im Grunde endgültig juristisch widerlegt. Doch es half nichts. In rechts-konservativen und später auch nationalsozialistischen Kreisen wurden jegliche Gegenargumente verdrängt.
Hinzu kam dagegen noch eine linke Dolchstoßlegende, die wiederum die Sozialdemokraten für den vermeintlichen ,,Verrat an der Arbeiterklasse“ verantwortlich machte.
Auch der am 10.1.1920 in Kraft getretene Versailler Vertrag beinhaltete für Deutschland harte Friedensbedingungen:
- Alleinschuld des Deutschen Reiches am Ausbruch des Ersten Weltkriegs;
- große Gebietsabtretungen – z. T. auch von Gebieten mit überwiegend deutscher Bevölkerung – bzw. zeitweilige Gebietsbesetzungen;
- Verzicht auf alle Kolonien; Internationalisierung wichtiger dt. Flüsse;
- zeitweilige Entmilitarisierung einiger dt. Gebiete (z. B. Rheinland) und drastischen Beschränkung der zahlenmäßigen Größe der dt. Wehrmacht;
- Auslieferung von Kriegsverbrechern und Regelung der Auslieferung von Kriegsgefangenen; enorme Reparationszahlungen
Sowohl von der deutschen Regierung als auch von der deutschen Bevölkerung wurde der Vertrag als ungerecht angesehen und löste heftige Proteste aus, so dass es erst nach einem Ultimatum der alliierten Siegermächte zur Unterzeichnung kam. Zu einer Akzeptanz dieser Bedingungen durch die deutsche Bevölkerung kam es nie, so dass der Friedensvertrag in Verbindung mit der „Dolchstoßlegende“ von Anfang an zu einer großen Belastung der ersten deutschen Demokratie wurde und deren Destabilisierung förderte.
Artikel aus dem Magazin: Untergang der Weimarer Republik
Dieser Artikel wurde überarbeitet und ergänzt am 11. Februar 2019.