Gletscher sind wichtige Speicher im Wasserkreislauf. Das Schmelzwasser des Schweizer Aletschgletschers, des mit 23 Kilometern längsten Eisstroms und größten Süßwasser-Reservoirs der Alpen, ersetzt während des Sommers fehlende Niederschläge. Seit Jahrhunderten führen die Walliser mit Hilfe von Suonen das Gletscherwasser auf trockene Wiesen- und Weidenhänge. Ohne jene Kanäle, die das kostbare Wasser auf zum Teil abenteuerliche Art und Weise – auf Holzgerüsten und in steile Felswände geschlagen – ans Ziel tragen, wären große Teile der Walliser Bergregion buchstäblich vertrocknet! Heutzutage kann man entlang der geschichtsträchtigen Wasserwege besonders schön wandern. Die Wege haben nur ein geringes Gefälle, das Rinnen und Plätschern des Wassers bildet eine bezaubernde Begleitmusik und die Aussicht ist mitunter spektakulär. Noch gelten die Wanderwege als Geheim-Tipp. Besonders empfehlenswert sind die geführten Suonen-Touren, welche die Geschichte „der heiligen Wasser“ auf besonders spannende Art und Weise erlebbar machen.

 

Bausystem der Suonen. Bild ©aletscharena_(Ed Kummer)
Bausystem der Suonen. Bild ©aletscharena_(Ed Kummer)

 

Wasser gibt es zwar reichlich im Schweizer Gletscherland Wallis. Doch nicht unbedingt gleich verteilt. Der Aletschgletscher ist der bedeutendste Wasserspeicher der Alpen, und wenn es in trockenen Sommern kaum regnet, dann ist es sein Schmelzwasser, das für Ausgleich sorgt. Der Eisgigant ist mit seinen 23 Kilometern Gletscherstraße der längste Eisstrom der Alpen. An seiner dicksten Stelle misst er 900 Meter. Es dauert zehn Jahre, bis aus einem Meter Neuschnee ein Zentimeter Gletschereis wird. Würde man den ganzen Gletscher abtauen, könnte mit seinem Schmelzwasser die gesamte Erdbevölkerung sechs Jahre jeden Tag mit einem Liter Wasser versorgt werden. Im Jahr 2001 hat die UNESCO das Gletschergebiet als erste Region in den Alpen überhaupt unter Welterbeschutz gestellt.

Hier ist auch Edelbert „Ed“ Kummers Heimat. Der 79-jährige „Wanderführer im Unruhe(zu)stand“, wie er sich selbst bezeichnet, führt von Mai bis Ende Oktober wöchentlich zur Massaschlucht, auf den Spuren mittelalterlicher Wasserwege. „Eine eindrückliche Tour“ so Kummer. „Der Weg zeigt auf, wie die Menschen hier in früheren Generationen, in schwierigem Gelände mit tiefen Schluchten, das Wasser geholt haben.“ Und es zeigt, dass Wassernot erfinderisch macht! In die wilde Massa ergoss sich früher das Schmelzwasser und floss unten im Tal in die Rhône – Wasser, das auf den Almwiesen und in der Landwirtschaft dringend gebraucht wurde. Aber wie bekommt man es dort hin?

 

Bild ©aletscharena_(Ed Kummer)
Bild ©aletscharena_(Ed Kummer)

 

Ed Kummer zeigt auf ausgehöhlte Baumstämme, die hintereinander gereiht am steilen Fels entlanglaufen. Abenteuerliche Konstruktionen, clever ausgetüftelt, technisch ausgereift. Dort, wo der Weg breit genug ist, münden sie in Wassergräben. „Suonen“ werden diese Leitungen im Wallis genannt. Die traditionellen Wasserfuhren sind uraltes Kulturgut und menschliche Meisterwerke. Oft kühn an steilen Berghängen angelegt, reichen sie mehr als 1.000 Jahre zurück. Die „Bisses“, so ihr französischer Name, durchziehen das Land wie Blutbahnen den  menschlichen Körper.

„Ohne Bewässerung würde hier kaum etwas wachsen“, erzählt Kummer. „Heilige Wasser“ werden die Kanäle daher seit alters her genannt. Neben der Bewässerung dienten die Suonen auch zur Trinkwasserversorgung für Mensch und Vieh, zum Waschen und zum Ausbringen von Mist. Die mit dem Bau und Betrieb der Suonen beschäftigten Arbeiter hatten ein hohes Ansehen bei der Bergbevölkerung, denn das Leitungsnetz war überlebenswichtig für sie, der Bau und der Unterhalt der Kanäle war jedoch äußerst gefährlich. Über die Jahrhunderte entwickelten sie spezielle Techniken, die ein Überwinden von steilsten Felswänden und Geröllhalden ermöglichten. In Felswänden verlaufen die Suonen in Holzkanälen, an Balken mit einem Laufsteg aufgehängt. Die Balken sind in Fels geschlagenen Löchern verkeilt. Oft werden kleine Wasserräder zur Überwachung des Wasserflusses eingesetzt. Sie treiben einen auf Holz schlagenden Hammer an, sind damit über große Entfernungen zu hören und bestätigen den Wasserfluss. Interessant ist zudem das Wissen um den Verwaltungsapparat hinter den Suonen, der schon früh ausgeprägte demokratische Strukturen erkennen lässt.

Noch heute erstreckt sich dieses Wasseradernetz im Wallis über eine Länge von fast 2.000 Kilometern. Inzwischen wird es touristisch genutzt. Schließlich werden die Wasserläufe von Wegen gesäumt, die in landschaftlich reizvolle, abgeschiedene Hochtäler und durch geheimnisvolle Schluchten führen. Entlang der Suonen entwickelte sich über die Jahrhunderte eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Ein weiterer Vorteil: Die Pfade, die dem Lauf des Wassers folgen, sind meist flach – sie machen wenig anstrengende Wanderung in Höhenlagen möglich. „Wer schwindelfrei ist, kann den Oberriederi-Suonenweg erkunden. Das ist eine relativ wenig begangene Strecke, die über besonders exponierte Passagen führt. Die Route trägt den Namen „Knebelbrückenweg“, da sie über mehrere kleine Brücken aus Holzknebeln führt. Auf dem heutigen, 1996 eröffneten Massaweg führt Kummer häufig seine Gruppen. Es ist der bekannteste Suonenweg der Aletsch Arena.  Hier gab es die „Riederi“, eine um das Riederhorn führende 6 Kilometer lange Leitung, die von 1385 bis 1940 das Gletscherwasser kanalisierte und so die Bewässerung der Wiesen an den Südflanken des Riederhorns sicherstellte. Seit 1946 fließt das Gletscherwasser durch einen drei Kilometer langen Tunnel auf die dürstenden Wiesen der Bergbauern.

„Das Wasser vom Gletscher ist milchig und so nahrhaft, dass die Menschen hier oben keine Sorge mehr über Ernteausfälle haben mussten“, erzählt Kummer. „Die Südhänge können bei uns sehr trocken sein. In früheren Zeiten kam es in der Aletsch Arena immer wieder zu dramatischen Ernteausfällen und schlechter Heuernte“. Ed Kummer führt durch den Tunnel unterm Tälligrat. Vorbei an tropfenden Wänden, entlang einer dicken Rohrleitung, die seit 1988 das Trink- und Tränkewasser vom gestauten Märjelensee auf die Riederalp leitet. Am Ende durchschreitet er eine liebliche grüne Berglandschaft bis die Tour an der Seilbahn-Mittelstation in Ried endet. Es geht zurück zur Riederalp; in die moderne Welt, wo das Wasser ganz selbstverständlich aus der Leitung kommt.

 

Weitere Informationen:

 

Bild ©aletscharena_(Emil Saner)
Bild ©aletscharena_(Emil Saner)

Suonenwanderung mit Edelbert „Ed“ Kummer: Informationen und Buchung unter www.wandersport.ch, ed@wandersport.ch, Tel. 0041-794881728. Kosten CHF 35.-/ Kinder 15.-/ Familien CHF 85.-/ Geeignet für Familien, Kinder ab 6 Jahren, aktive Senioren und Vereine.

Drei-Seen-Tour: Start der Wanderung sind Riederalp oder Bettmeralp. Von hier aus geht es zum Bettmer- und hoch zum Blausee, über Biel und Roti Chumme zum Märjelensee. Die Wanderung endet auf  der Fiescheralp. Weitere Informationen unter www.aletscharena.ch

 

Zur Region Aletsch Arena

Im UNESCO-Welterbe Swiss Alps Jungfrau-Aletsch thronen die autofreien Bergdörfer Riederalp, Bettmeralp und Fiescheralp auf dem sonnenverwöhnten Hochplateau der Aletsch Arena. Im Blick den imposantesten, längsten Eisstrom der Alpen und 40 Viertausender! Knapp zehn Minuten gondelt die Bahn aus dem Tal – mit den charmanten historischen Orten Mörel, Lax, Fiesch und Fieschertal – hinauf in die barrierefreie Sommerfrische der kristallklaren Bergseen und magischen Kraftorte; der eisigen Abenteuer-Touren auf dem 23 Kilometer langen Aletschgletscher; der 1000-jährigen Arven im märchenhaften Aletschwald; der unzähligen Kinderprogramme; der Mountainbike-Trails und Seilparks; und des sensationellen Blicks von den View-Points Moosfluh, Bettmerhorn und Eggishorn.

 

Komfortable Anreise mit Bus und Bahn

  • Günstig mit dem Fernbus nach Zürich (ab 14€ ab München)
  • Von dort mit dem Zug über Brig nach Mörel, Betten Talstation oder Fiesch
  • Vom Zielbahnhof geht es via Luftseilbahn auf das autofreie Hochplateau der Aletsch Arena mit ihren idyllischen Bergdörfern Riederalp, Bettmeralp, Fiescheralp
  • Ein komfortabler Gepäckservice steht den Gästen der Region zur Verfügung

 

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