Dietrich hat geschrieben:Wer germanisch spricht, wird gemeinhin als Germane bezeichnet, wer keltisch spricht, als Kelte, wer etruskisch spricht, als Etrusker. Die germanischen Stämme sprachen also germanische Sprachen, was ein solcher Gemeinplatz ist, dass man darüber nicht lange diskutieren muss. Archäologen und Historiker haben beschlossen, Semnonen, Markomanen, Cherusker, Hermunduren, Quaden und andere Stämme als "germanisch" zu klassifizieren. Ich sehe keinen Grund, diese Feststellung infrage zu stellen. Andererseits werden Volcae, Bojer, Tauriscer, Helvetier u.a. als keltische Stämme betrachtet. Ich halte es für unsinnig, das alles anzuzweifeln.
Und schon drehen wir uns wieder im Kreis. Mit dem Begriff "Kulturgemeinschaft" meinst Du dann offenbar doch mehr als der Begriff "Kulturgemeinschaft" eigentlich aussagt.
Was Du schreibst, ist erstens ein Zirkelschluss und zweitens erwiesenermaßen falsch!
Zum Thema Zirkelschluss
Du schreibst (verkürzt): Germanen müssen germanisch gesprochen haben, und weil sie germanisch gesprochen haben, müssen sie Germanen gewesen sein, und weil sie Germanen waren, müssen sie germanisch gesprochen haben etc...
Zum Thema erwiesen falsch
Es ist nicht wahr, dass einzelne Stämme heute aufgrund ihrer Sprache der Gruppe der Germanen oder der Kelten zugewiesen würden. Kein Archäologe und kein Historiker und kein Linguist hat je behauptet, dass ein bestimmter Stamm nachweislich aufgrund der Sprache den Kelten oder den Germanen zugeordnet werden kann. So eine Zuweisung wäre unmöglich, weil es weder ärchäologische noch historiografische Belege dafür gibt, welche Sprache dieser oder jener Stamm gesprochen hat. Wenn Du anderer Meinung bist, dann nenne bitte einen Beleg dafür!
Ich wage die Behauptung, dass die Wissenschaftler immer nur folgendes gesagt haben: Vermutlich waren es Germanen, also haben sie vermutlich germanisch gesprochen.
Ganz grundsätzlich ist zu sagen, dass die Frage der Ethnizität ein fortdauerndes Problem der Archäologen, Historiker und Ethnologen berührt, besonders im Zeitraum der Früh- und Vorgeschichte: Welche Sachfunde und sonstigen Überreste weisen auf ein bestimmtes Volk oder eine ethnische Gruppe hin?
Hier vermischt Du die Definitionen der verschiedenen Wissenschaften. Ethnologen verstehen unter "Ethnizität" was anderes als Historiker. Und Archäologen (Vor- und Frühgeschichtler) trennen von vornherein die Begriffe "Ethnizität" und "Sachkultur".
Und schon das, was wir als "Ethnie" bezeichnen, ist in sich kein monolithischer Block, zuweilen nur eine Stammeskonföderation mit unsicherer ethnischer Zugehörigkeit.
Damit kommt zu der Frage, was Ethnologen oder Archäologen oder Historiker unter "Ethnie" verstehen, noch die Frage hinzu, was Du oder was ich darunter verstehe. Und hier widerspreche ich Dir: Ich verstehe unter "Ethnie" nichts, was "ethnische Zugehörigkeit" unsicher erscheinen lässt. Schon gar nicht etwas, was für eine Stammeskonföderation spricht. Diese Sicht der Dinge widerspricht jeder der drei wissenschaftlich gebräuchlichen Definitionen.
Es bleibt also nichts anderes übrig, als die Verortung vermuteter Ethnien an Sachfunden festzumachen, die von der Forschung als typisch für gerade diese Ethnie betrachtet werden.
Von welcher Forschung? Die Vor- und Frühgeschichte macht "Ethnie" definitiv NICHT an Sachfunden fest! Da ist nur die Rede von Kulturgemeinschaft.
Das ändert jedoch nichts daren, dass Archäologen in bestimmten Kerngebieten sehr zuverlässig die Identität von Stämmen bestimmen können und damit auch die Sprache zur Deckung zu bringen ist.
Ich wiederhole hier die Bitte um Belege. Meiner Kenntnis nach hält die Archäologie (Vor- und Frühgeschichte) sich selbst für unfähig, einzelne Funde bestimmten Stämmen zuzuordnen. Und meiner Kenntnis nach hat kein moderner Archäologe je Aussagen darüber gemacht, welche Sprache ein nicht identifizierbarer Stamm gesprochen haben soll.
Dass im Kerngebiet der Jastorf-Kultur sicher eine andere Sprache gesprochen wurde als im Kerngebiet der Latène-Kultur ist eine völlig andere Frage... Wir wissen nur nicht welche.
Man kann also mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Volcae keltisch und die Sueben germanisch sprachen.
Ja, kann man. Aber "große Wahrscheinlichkeit" ist was anders als "erwiesene Gewissheit", aufgrund derer man heute noch sprachlich unterscheiden könnte zwischen "Kelten" und "Germanen". Viel wichtiger ist aber die Frage: Was für eine Sprache haben denn die Gruppen gesprochen, die zwischen "Volcae" und "Sueben" wohnten?
Was heißt hier "feindselig"?
Gegenfrage: Was meinst Du denn, wenn Du von "Verdrängung" redest? Dass die beiden Gruppen sich zu einem Gelage zusammengesetzt haben und eine davon am nächsten Morgen friedlich-verkatert weggezogen ist?
Wenn es zur Zeitenwende in Mitteleuropa keine Kelten, sondern nur noch Germanen gab, müssen die Germanen die Kelten verdrängt und/oder assimiliert haben. ... Das ist eine logische und auch heute überall vertretene Folgerung, die nichts mit dem Geschichtsbild des 19. Jh. zu tun hat.
Das ist nur unter dem oben benannten Paradigma logisch. Es wird auch keineswegs überall vertreten. Und es hat sehr wohl mit dem Geschichtsbild des 19. Jahrhunderts zu tun.
Überhaupt solltest du hier nicht ständig den Vorwurf der "nationalen Geschichtsschreibung" erheben, auch wenn sich das argumentativ gut macht.
Das ist im Kern gar kein Vorwurf, sondern eine Beobachtung. Und zwar eine, die nicht von mir stammt, sondern von einschlägigen Wissenschaftlern. Einige Belege dafür hatte ich bereits gepostet oder verlinkt. Ich nenne hier noch zwei:
"
In jüngster Zeit wird in der Forschung die Instabilität ethnischer Identität gerade in der Antike verstärkt betont und das aus dem nationalstaatlichen Denken des 18./19. Jahrhunderts stammende Konzept der Germanen zunehmend in Frage gestellt." Aus
https://de.wikipedia.org/wiki/Germanen
"
Im historischen Selbstverständnis der Deutschen gehört die Vorstellung von einer prägenden Rolle der germanischen Vorfahren traditionell in den Katalog der populären Nationalstereotypen. (..) Idealvorstellungen von der germanischen Vorzeit bilden den Fokus eines völkischen Geschichtsdenkens, das in erheblichem Maße auf der Rezeption einer politisch tendenziösen Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts beruht. " Aus
http://www.archaeologie-online.de/magaz ... s/seite-1/
Diese politisch-tendenziöse Altertumsforschung prägt bis heute unser Bild von Germanen und Kelten.
Tut mir leid, wenn sich dadurch jemand persönlich angegriffen fühlt.
Die Forschung ist sich einig, dass die von Kelten getragene Latène-Kultur im 5. Jh. v. Chr. bis zu den deutschen Mittelgebirgen reichte.
Nicht einig ist sich die Forschung aber über die Frage, wie die keltischen Einflüsse dorthin gelangt sind. Für Siedlungs-/Eroberungsbewegungen gibt es keine Belege. Auch nicht für die hier behauptete entgegengesetzte Bewegung germanischer Stämme. Dafür spricht nur die "innere Logik" des Paradigmas, dass es sich um verschiedene Völker handelte, die an den Mittelgebirgen aufeinandergetroffen sind.
Ich habe eine andere möglich Deutung angeboten, die weniger in Konflikt mit archäologischen Funden und Befunden steht.