Lia hat geschrieben:Zwar haben Modellrechnungen inzwischen belegt, daß es durchaus möglich gewesen wäre, alle Angeliter per Schiff nach England zu bringen. Doch beantwortet das nicht die Frage, ob wirklich das ganze "Volk" oder nur eine kleine Kriegerelite mit ihren Familien nach Britannien ausgewandert ist."
Das ist eben die große Frage, die unter britischen Historikern heftig umstritten ist: "Elitetransfer" oder "Völkerwanderung"?
Dass nun alle Sachsen und Angeln ausgewandert wären, dafür gibt es keine Belege. Immerhin haben sich die Sachsen ab etwa 400 n. Chr. kräftig vom Norden her bis zum Harz und sogar noch südlich davon ausgebreitet. Soweit mir bekannt ist, verneint der größere Teil der britischen Historiker einen Elitetransfer. Allerdings geht man auch nicht von einer großen Völkerwoge aus, sondern vermutet, dass germanische Bevölkerungsgruppen in mehreren Schüben einsickerten und aufgrund einer stärkeren Kampfkraft und Disziplin und auch besserer Führungspersönlichkeiten die altansässige keltische Bevölkerung zum Teil assimilierten, zum Teil in den Westen der Insel verdrängten.
Als Vergleich wird stets auf die normannische Eroberung Englands im 11. Jh. hingewiesen. Da gab es unbestritten einen "Elitetransfer" und keine normannisch-französische "Völkerwanderung". Das führte dazu, dass sich im Verlauf von etwa 200 Jahren erneut das Englische gegenüber der normannisch-französischen Staatssprache durchsetzte und normannische und englische Eliten miteinander verschmolzen. Dennoch war der kulturelle Einfluss der normannischen Eroberer beträchtlich, was sich auch an einer enormen Zahl französischer Lehnworten zeigt. Davon sind alle Bereiche betroffen: Militär, Mode, Kirche, Administration, Recht, Medizin, Küche usw.
Die keltische Sprache hat hingegen im Englischen nur geringe Spuren hinterlassen, ganz im Gegensatz zum Lateinischen, das zahlreiche Lehnwörter geliefert hat.