Wrklich spektakuläre Reiseziele außerhalb Europas habe nicht zu bieten, vielleicht nur das ein oder andere Erlebnis, das mal eher an den Stammtisch passt, mal in diese Rubrik.
Meine Schilderung eines für mich unvergesslichen Tages an der Invasionsküste dann doch lieber hier als im Strang zu den militärischen Einzelheiten des D-Day.
Normandie, Landungsküste, Vierville- sur-Mer, Omaha Beach, Pointe du Hoc, 6. Juli 1984.
40 Jahre und einen Monat nach Beginn der Operation fahren wir wieder auf die Pointe du Hoc. Nicht der erste Besuch dort.
Hochbetrieb, englische, amerikanische, französische, kanadische Veteranen mit ihrem Nachwuchs, oder eben Kinder oder Kindeskinder der gefallenen Väter.
Wir stehen zufällig mitten in einer Gruppe der anglo- amerikanischen Seite und Belgiern und Franzosen und verfolgen zunächst still die Schilderungen einiger ehemaliger US- Soldaten.
Nur- man versteht sich nicht so wirklich zwischen Französisch und Englisch, rein sprachlich und im Detail.
Ohne nachzudenken, übersetze ich hin und her, stutzig wird man erst, als mein Mann sich ans Französische wagt.
Da kommt dann die Frage: „D’ou est-ce vous venez? Where are you from?“
Etwas verlegen und zögerlich gestehen wir an diesem empfindlichen Ort, kurz nach dem Gedenktag, Deutsche zu sein.
Verwunderung, Fragen, keiner hatte vorher gemerkt, dass wir nicht Englisch, bzw. Französische Muttersprachler waren.
Dann plötzlich ein Engländer: „ Typisch, wenn Franzosen und Engländer sich verstehen wollen – oder müssen- braucht es Deutsche- und sei es als Übersetzer.
Tscha, William/ Guillaume und seine Nachfahren sind also auch noch lebendige Vergangenheit und mit Invasion verknüpft- darauf spielt man zwischen Englisch und Französisch auch lachend an. Die Deutschen hielten Richard Löwenherz gefangen, was uns allerdings nicht noch angelastet wurde.
„ Wahrlich gut getarnt, diese Deutsche, die da für Verständigung über den Kanal und den Atlantik sorgt! Egal, um welche Invasion es geht! Allez-y, les Allemands au secours!"
Das Kompliment nehme ich gern an und dolmetsche weiter, nun wagt sich auch mein Mann in die französische Sprache, und es geht alles etwas einfacher mit Übersetzen.
Als man dann erfährt, dass wir beide- mein Mann fertig mit Studium, Promotion und Ausbildung und Lehrer, ich noch nicht ganz so weit, - Historiker mit vielen Fragen sind, was überhaupt diese Invasion verursachte, kommt man uns allenthalben sehr freundlich entgegen.
Dennoch: Der Vormittag wird nicht einfach, denn aus dem Munde der Veteranen, die deutliche Kriegsverletzungen haben, und von Einheimischen zu hören, welches Grauen über diesen wunderbaren Küstenstrich gekommen war, um das andere Grauen zu vertreiben, ist ein anderes Erleben als die sachliche zur Kenntnisnahme, wenn man friedlich im Uni- HiWi- Zimmer sitzt, oder daheim am Fernseher- oder auch in den Museen an der Landungsküste mit dem Geschehen konfrontiert wird.
Aus dem Morgen wird früher Nachmittag, man sitzt inzwischen zusammen auf den Bunker-Resten und teilte die Lunch-Pakete, Getränke und feierte ein spontanes Friedens-Picknick.
Sogar Champagner lässt sich auftreiben- in unserem Campingbus gut gekühlt, in Mini- Schlucken verteilt, trinkt man auf den Frieden.
Nun waren wir diejenigen, die man fragte, wie es zum Krieg hatte kommen können, warum die Nazis überhaupt an die Macht kamen, was wirklich im Holocaust geschehen war.
Gerade die US- und kanadischen Veteranen wussten 1944 beim Sturm auf die normannische Küste längst nicht alles, was unter der Nazi-Herrschaft in ganz Europa geschehen war und hatten es auch nicht durchgehend nach dem Krieg alle in dem tatsächlichen Ausmaß realisiert.
„Germany 1984- what is it like? What is different to Hitler’s Germany?” Typische Fragen eines US-Amerikaners, dem wir Europäer erstmal einiges erklären müssen, was in der alten Welt seit 1945 so nach und nach anders geworden war.
Eben: Ein plötzliches „Wir“ Europäer- an just diesem Ort!
“What about the other Germany?” “Are you afraid of the communists?”
Wir Deutsche sind es weniger als mancher Franzose und das andere Deutschland kannte ich eigentlich gar nicht - lag nicht auf meiner Landkarte, dafür war die bessere Hälfte umso besser informiert und kannte Land und Leute, so gut es eben möglich war.
Zwischendurch kommt so etwas wie Bewunderung wie für die Qualität der Bunkeranlagen und deutsche Ingenieurskunst. Mir ist nicht so ganz wohl dabei, als Abkömmling eines beteiligten Ingenieurs der OT…
„ May something like Hitler and the Nazis happen again? “
Daraus entspinnt sich eine generelle Diskussion über Nationalismus, Rassismus- und ob solcher Wahn nur in Deutschland und nur aus den spezifischen Ursachen entstehen könnte, oder auch in anderen Ländern solches wieder möglich sei.
Franzosen und Engländer, aber auch die Amis werden nachdenklich, als wir dann vieles erklären, was dann doch wieder nicht zu erklären ist.
Es ist dann die Idee eines schottischen Veteranen, sich, so möglich, in der Kirche von Sainte- Mère- Eglise zu treffen. Er habe dort etwas entdeckt, das zu diesem Tage, der einer des Gedenkens, der Verständigung und Versöhnung sei, passe.
Etliche fahren hin, wir nehmen zwei Engländer mit. Rein zufällig sitzt in der uralten Kirche jemand an der neuen Orgel und spielt Bach’sche Präludien.. Musik kennt keine Nationalitäten.
Genau einen Monat zuvor war diese neue Orgel geweiht worden, die Tafel dazu erklärt:
Im Gedenken an alle Opfer, militärische wie zivile, des zweiten Weltkrieges
Deutschland, die Deutschen, werden nicht explizit genannt, deutsche Opfer auch nicht ausgeklammert- ungewöhnlich noch, damals.
Viel hat sich geändert zwischen 1944 und 1984- und seit 1984 nochmal.
Tage wie der heutige sollten Mahnung und Hoffnung zugleich sein, dass künftigen Generationen solches erspart bleibt.