Renegat:
Der Zuschnitt der Bundesländer ist halbwegs historisch gewachsen, man könnte daran trotzdem einiges verbessern, denke ich.
Die Mutter-Natur ist sehr klug. Sie hat Riegel vorgeschoben, durch die die Entscheidungen eines Mannes oder einer Gruppe das zivilisatorische W-W-Netz im Ganzen nicht gefährden. Eine Entscheidung bzw. Lösung eines Problems wird von dem Netz aufgefangen und auf Herz und Nieren geprüft. Passt es –wird es toleriert oder noch verstärkt, passt nicht – ausgeschieden. Daher im Grunde habe ich nicht die Angst, dass die Welt mit dieser Entscheidung runter geht. Wenn auch ich vielleicht von dieser Entscheidung unmittelbar getroffen und nicht überleben werde.
Sicher sind wir laufend gezwungen irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Mir macht nur Angst die Selbstsicherheit der Leute, die meinen sich gut auskennen. Kennst du „Elefant in Porzellanladen“? So etwa stelle ich mir vor, wenn ich solche Vorschläge höre.
Eine korrespondierende Gedanke zum Beitrag von Karlheinz in Thread „Brauchen wir eine Spaßpartei“, wo ein
gesundes Menschenverstand erwähnt wurde. Gesunder Menschenverstand bezieht sich auf etwas, das Jedem eigentlich ersichtlich sein müsste. Unser technologischer Fortschritt letzten Jahrhunderts beruht sich auf dem Wissen, das gesunden Menschenverstand widerspricht. Ich denke auch, dass gesunde Menschenverstand, der auf unserer (personelle) Agierungsebene uns gute Dienste leistet, reicht nicht, wenn man auf etwa staatlichen Ebene agiert. Man braucht eine Bildung. Ein Politiker bildet sich notwendigerweise (wenn auch nicht alle die gleiche Begabung dafür haben), da er sich von unten nach oben arbeiten muss. Auf die Weise erwirbt er immer neue Sichtperspektiven. Es ist unvermeidlich die Trennung der oberen und unteren Etage.
Man kann nicht gleichzeitig scharf weit und kurz sehen.
In derzeitiger Frustration der Mehrheit von der Politik sehe ich weniger Schuld der Politiker. Es ist eben die Masse, die gebildet werden muss. Die Schuld der Politiker besteht darin, dass sie überlegen müssen, wie solche Bildung stattfinden sollte. Man muss den Bürger – ja, vielleicht in virtuellen Gemeinschaftsspielen?! – ihre Entscheidungen machen lassen und auch sehen, wohin sie führen. Sie müssen eine Vorstellung einer Sicht „von oben“ erwerben.
Der größter Fehler des Bürgers ist zu glauben, dass ein Staat gibt, um seine Bedürfnisse zu bedienen. Es ist ein Irrtum. Der Staat ist eine agierende Einheit, die Selbstorganisationsprinzipien gehört. Wenn man eine Zelle vorstellt, ist es auch nichts anders als ein komplexes Wechselwirkungsnetz der Moleküle, die eine selbsterhaltende lebende Einheit bilden, die in der Umwelt sich behaupten muss. Die Kommunikation zwischen Zellen wird durch die gleichen Moleküle vollzogen die auch intern agieren. Ich sehe hier keinen wesentlichen Unterschied zur zivilisatorischen Einheit – dem Staat, außer dass die Knoten des W-W-Netzes aus Menschen bestehen und „in Kanälen“ des Netzes einerseits die Rohstoffe und anderseits kulturelle Erzeugnisse fließen.
Zum Thema Mittelschicht. Das Wachstum der Mittelschicht des Wohlfahrtstaates bringt zu ihrer Differenzierung. Das Wissen wächst, es werden hervorragende Fachleute gebildet, dennoch lässt die Fächer immer weiter von einander treiben. Es wird zwar versucht die interdisziplinäre Fächer zu entwickeln, wo bestimmte Aspekte fachübergreifend analysiert werden, dennoch scheint es ein Tropfen auf heißen Stein sein. Vergleicht ihr die Universalität der Gelehrten vorigen Jh. und modernen Absolventen. Nicht umsonst ist der Begriff von Fachidioten läufig. Alle sind Spezialisten auf schmalem Gebiet geworden, die keine gemeinsame Sprache haben. Was bleibt gemeinsam zu besprechen? Die Kultur ist bei der Absolutisierung der Ratio zurückgedrängt. Die Religion hat ihre Wirkung verloren. Was bleibt: Das Wetter, das Essen, der Sex und die POLITIK.
Die Differenzierung der Mittelschicht spiegelt sich in der Politik. Jetzt haben wir zur nationalen Identität eine politische Identität. Wir identifizieren uns mehr oder weniger mit der Parteien. Die politische Identität wird m. E. eine große Rolle in der Europas Vereinigung spiegeln. Es werden die politischen Ströme innerhalb eines Staates sein, die sich mit ihresgleichen in anderen Staaten vereinen. Dieser Prozess ist schon im Gange. In diesem Prozess, wenn diese vereinte Flusse gegeneinander und miteinander wirken, sehe ich die Zukunft EU.
PS: Bitte nicht verstehen, dass ich die Politiker hier weis waschen machen. Es gibt sehr viel, was Politikern vorwerfen kann und muss. Ich wollte diesen abgetrampelten Weg nicht noch mal gehen. Es ist offensichtlich. Meine Sichtweise ist nicht so offensichtlich. Sie zwingt zur Selbstkritischen Betrachtung. Mindestens hoffe ich.