Agrippa hat geschrieben:
Tac. Ann. I, 60:
(...) schickte er (Germanicus) Caecina mit vierzig Kohorten, um den Feind zu zersplittern, durch das Gebiet der Bructerer an den Fluß Amisia (Ems). Er selbst fuhr mit vier Legionen über die Seen. Fußvolk, Reiterei und Flotte trafen gleichzeitig an dem vorbestimmten Fluß ein.(...)
Dann führte er (Germanicus) sein Heer weiter bis zu den äußersten Bructerer, und das ganze Gebiet zwischen den Flüssen Amisia (Ems) und Lupia (Lippe), nicht weit entfernt von dem Teutoburger Walde, in dem, wie es hieß, die Überreste des Varus und seiner Legionen unbegraben lagen, wurde verwüstet.
Für das Jahr 16 n.Chr. vermerkt Tacitus:
Tac.Ann. II, 7:
„Er selbst (Germanicus) führte auf die Nachricht, das an dem Flusse Lupia (Lippe) angelegte Kastell werde belagert, sechs Legionen dorthin. Doch konnte Silius wegen plötzlicher Regenfälle nichts weiter ausrichten. (...) Und auch dem Caesar gaben die Belagerer keine Gelegenheit zu einem Kampfe. Sie verschwanden bei der Kunde von seinem Erscheinen. Jedoch hatten sie den erst kürzlich für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel und einen früher für Drusus gebauten Altar zerstört. (...) .“
In der ersten Passage wird beschrieben, dass Germancius, von der Ems kommend, Richtung Lippe zieht und das Land verwüstet. Dann kommt er in die Gegend, die nicht weit vom Varusschlachtfeld entfernt liegt.
In der zweiten Textstelle wird abermals die relative Nähe zur Lippe in Bezug auf das Varusschlachtfeld erwähnt. Es waren die germanischen Belagerer eines Lagers an der Lippe, die vor ihrem Abzug den Grabhügel der Varuslegionen zerstörten.
Aufgrund dieser beiden Quellen lässt sich schließen, dass das Varusschlachtfeld nicht allzu weit von der Lippe entfernt lag.
Kalkriese liegt allerdings mehr als 85 km Luftlinie (!) von der Lippe entfernt.
Dazwischen liegen auch noch zwei Höhenzüge und die Ems.
Wenn man von Kalkriese schreibt, erwähnt man ganz sicher nicht die Lippe.
Vielleicht war auch Tacitus ein Heimatforscher aus dem Lipperland!
Im Buch "Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen -Der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuer Forschungen und Ausgrabungsfunde heraus gegeben von Adolf Lehmann und Rainer Wiegels S.376 von Boris Dreyer) wird folgendes Szenario dargestellt. Es wird von einem vier Tagesmarsch des Varus ausgegangen den Germanicus in umgekehrter Richtung nachvollzogen hat.
knapper Auszug aus dem Buch :
" ........3.) Demanch ist die allgemeine Zugrichtung des Varus in seine Katastrophe nach Westen unumstößlich. Weit entfernte Aufständische haben nach
Dio (56,20)Varus veranlaßt, von seinem Wege abzuweichen. R. Wiegels meint, dass die Antwort auf die Frage nach den weit entfernden Aufständischen müßig sei, da es unmöglich sei, dass Varus auf einem Weg ,"quer durchs Gelände"S. 652) marschiert ist. Wahrscheinlicher sei Varus auf einem festen Wege, also auf dem "Hellweg" entlang des Wiehengebirges, in Kalkriese in den Hinterhalt geraten.
Daraus folgt notwendig, dass Germanicus, der im Jahre 15 an den Stätten der Varuskatastrophe entlangschritt (Tac. 1,60,1-62,2), gegen die Marschrichtung des Varus diese Stätten besucht hat.(S.653-55) Dies gilt bes. dann, wenn man die Erklärung Mommsens und zuletzt wieder Wolters ablehnt, die im Sinne einer Umkehr bzw. Änderung der Marschrichtung durch Varus nach dem Angriff der Germanen in Richtung Osten argumentiert, wonach beide, Germanicus auf dem Weg nach Osten und Varus nach der Richtungsänderung, in die gleiche Richtung gezogen seien.
Es ist jedoch eindeutig, das der packende Bericht des Tacitus über den Besuch der Varuskampfstätten durch Germanicus im Jahre 15, der die Kenntnis des Plinus voraussetzte (s.u.) und deshalb knapp gehalten ist, geographisch-chronologisch angeordnet ist(Ann. 1,61,1-2).
Die Römer unter Germanicus betraten die "Schlachtfelder" der Varuskatastrophe (incedunt), deren Verlauf am besten - nach 6. Jahren - am Zustand der von Varus aufgeschlagenen Lager festgemacht werden konnte. Diese wurden in einer festen chronologischen Abfolge (prima, dein....) abgeschritten. Dabei wird im Bericht des Tacitus die dramatische Verschlechterung der Lage der Varusarmee deutlich - genauso wie im detallierten Bericht des
Dio ( 56,21.1-5). Das bedeutet aber, dass Germanicus im Jahre 15 geographisch und chronologisch das Schicksal des Varus nachvollzogen hat, mithin seinem Weg folgte.
Da auch Tacitus die Germanicus- Armee die "Schalchtfelder" betrat, bevor sie zum ersten Lager gelangte, (Tac. Ann. 61,2), ist dieses erste ( noch vollständige )lager mit dem des
Dio (56,21,1) gleich - und mithin eindeutig nach dem ersten Angriff der Germanen anzusetzen.
Wenn nun Tacitus von einem zweiten Lager - das im Verlaufe des zweiten Kampftages errichtet worden ist - berichtet (1,61,2: semiruto vallo ..., durch incedunt sprachlich eindeutig), dann ist der bei
Dio angedeutete Nachtmarsch (56,21,3) in der Nacht vom 3. auf dem 4. Tag anzusetzen. Dies ist gleichzeitig die paläographisch wahrscheinlichste Erklärung der verderbten Stelle der
Dio -Überlieferung . Die Kämpfe bis zur Endkatastrophe dauerte also 4 Tage )................
Wolters, dagegegen meint, dass der Bericht des Tacitus (über den Germanicus - Besuch) eher noch auf eine kürzere Dauer der Kämpfe bis zur Endkatastrophe des Varus schließen lässt. Diese Annahme basiert erstens auf der nicht korrekten Annahme, dass das erste Lager im Bericht des Tacitus über den Besuch der Varus-Schlachtfelder durch den Germanicus noch vor dem (ersten) Angriff der Germanen anzusetzen ist (s.o.) und zweitens auf der unrichtigen Vorraussetzung, dass der Bericht des Tacitus an der bezeichnenten Stelle erschöpfend sein könnte. Da Tacitus die Vertrautheit seiner Leser mit den Umständen des Untergangs der Varusarmee voraussetzen konnte, wollte er nur knapp die Aggregatzustände der Varusarmee darstellen. Diese ließen sich am prägnantesten anhand des Zustandes der Varuslager auch für die Germanicusarmee 6 Jahre nach der Katastrophe ablesen.................