Lia hat geschrieben:
Uneingeschränkt zu sagen, die Germanen seien ein mehr oder weniger nomadisches Viehzüchtervolk von Kriegern gewesen, engt das Spektrum unnötigerweise ein. Auch das wurde missbraucht.
Verfremdet wurde das Germanenbild insbesondere seit Mitte des 19.Jhs. Als sich das Bewusstsein einer deutschen Nation herausbildete, stellte sich auch die Frage nach den Urahnen der Deutschen.
Die Archäologie, damals noch eine junge Disziplin, begann die deutsche Frühgeschichte zu erforschen. Es lag im kulturellen Interesse des jungen Deutschen Reiches, die Tugenden und die Tüchtigkeit der Deutschen bereits bei seinen Vorfahren nachzuweisen.
Die „Welschen“, also Franzosen, konnten auf eine gallische, später gallo-römische Kultur zurückblicken. Ansonsten galt natürlich die römische und griechische Antike als Inbegriff für die Kultur Europas. Und zwar von der Architektur, Literatur, Philosophie bis zur bildenden Kunst.
Und die Germanen?
So sehr sich Schuchardt auch anstrengte, es waren in Germanien nur die Spuren von Pfostenlöchern zu finden. Abgesehen von ein paar flachen Wällen im Wald.
Archäologisch betrachtet war und ist die Situation in Germanien schlichtweg trostlos.
So erfand man im Deutschen Kaiserreich den „Germanischen Bauern“, der zwar keine architektonischen Hinterlassenschaften zu bieten hatte, jedoch im Wesen tüchtig und ehrlich war. „Am deutschen Wesen sollte schließlich die Welt genesen.“
Einige Jahre später konnte man als Beweis stolz den „Pflug von Walle“, ein wahrhaft erstaunlich modernes landwirtschaftliches Gerät, präsentieren.
Auch der Goldschatz von Eberswalde galt als Zeichen germanischer Kultur. Carl Schuchardt, der Vater der deutschen Archäologie, stellte sich vehement gegen diese Behauptungen und verwies darauf, dass beide Objekt aus der Bronzezeit stammten und nichts mit dem Volk der Germanen zu tun haben. Egal, dann waren es eben Proto- oder Prägermanen.
Auch die Himmelsscheibe von Nebra wird von manchen „Wissenschaftlern“ ähnlich bewertet, was ebenso falsch ist.
Die nördlichste Grenze keltischer Kultur wurde traditionell knapp nördlich der Mainlinie, etwa bei Gießen gesehen.
Neuere Forschungen revidieren dieses Bild. Ausgrabungen auf der Schnippenburg bei Osnabrück, auf der Barenburg bei Elze und auf der Amelungsburg bei Hess. Oldendorf zeigen, dass der keltische Siedlungsraum um 300 v. Chr. erheblich weiter im Norden lag.
Die Zerstörung der beiden letzteren Anlagen konnte dendrochronologisch auf die Jahre um 270 v.Chr. datiert werden. In dieser Zeit drangen von Norden her die Germanen in das keltische Gebiet ein und drängten diese nach Süden zurück.
Woher diese Germanen ursprünglich kamen, lässt sich schwer archäologisch feststellen. Auf jeden Fall ist zu bemerken, dass das Land unter den Germanen nur extensiv landwirtschaftlich genutzt wurde.
Nach heutigem Forschungsstand waren die germanischen Stämme Halbnomaden, die ihre Siedlungsgebiete von Zeit zu Zeit änderten.
Zur Verwirrung römischer Chronisten und auch heutiger Archäologen.
Die germanischen Stämme waren also ständig in Bewegung, so dass die „Blut und Boden“-These der Nationalsozialisten historisch gesehen Humbug ist.