Steckt hinter dem Sagenheld Sigurd der historische Arminius?

Moderator: Barbarossa

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Agrippa
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Peppone hat geschrieben:
Cherusker hat geschrieben:Ferner sind die fränkischen Heere auch nicht in der Größenordnung von den römischen Legionen gewesen. :wink:
Muss es ja auch gar nicht. Bei Roncesvalles wurde nur die Nachhut des fränkischen Heeres vernichtet, und daraus entstand die Roland-Sage...dabei wurden nebenbei gesagt die Angreifer von Basken flugs in Araber umdefiniert. So viel zum historischen Aussagegehalt von Legenden...
Beppe
Viele Dank, Beppe, hiermit lieferst Du, ohne es zu wollen, die
besten Argumente für die Sigurd-Arminius-These. :clap: :clap: :clap:

Du gibst zu, dass die Rolandsage einen historischen Kern hat und nicht einer "germanischen Göttermythologie" entstammt. Dann schreibst Du ferner, dass in der Überlieferung aus den "Basken" irgendwann die "Mauren" wurden, die Sage also aus irgendeinem Grunde verfremdet wurde.

Und nun versuche mal, deinen Gedankengang auf die Sigurd-Saga anzuwenden: Historischer Kern ist die Schlacht im Teutoburger Wald. Allerdings wurde aus dem römischen Heer in der Überlieferung irgendwann ein "Lindwurm", der sich, alles verheerend, durch das Land schlängelte.

Ja, Du hast Recht, es ist eine Vermutung. Eine Vermutung jedoch, die aufgrund der großen Übereinstimmungen sehr wahrscheinlich ist.
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Peppone
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Agrippa hat geschrieben:Du gibst zu, dass die Rolandsage einen historischen Kern hat und nicht einer "germanischen Göttermythologie" entstammt. Dann schreibst Du ferner, dass in der Überlieferung aus den "Basken" irgendwann die "Mauren" wurden, die Sage also aus irgendeinem Grunde verfremdet wurde.

Und nun versuche mal, deinen Gedankengang auf die Sigurd-Saga anzuwenden: Historischer Kern ist die Schlacht im Teutoburger Wald. Allerdings wurde aus dem römischen Heer in der Überlieferung irgendwann ein "Lindwurm", der sich, alles verheerend, durch das Land schlängelte.
Auch wenn´s jetzt rechthaberisch klingt, aber Roland und Siegfried sind nicht miteinander zu vergleichen: Roland war ein Superkämpfer, aber kein Superheld mit übermenschlichen Fähigkeiten. Aus den Basken wurde kein Fabelwesen, sondern andere Menschen, passenderweise der "Erbfeind" der Franken.

Und:
Es ist einfach nicht logisch, dass aus einem Heerwurm ein Lindwurm, also ein einzelnes Wesen werden soll, auch wenn´s verlockend klingen mag. Das wäre ohne Beispiel. Oder gibt´s ein zweites Beispiel aus der Sagenwelt für so eine "Verwandlung", das mir entfallen ist? Wenn, dann wird aus einem menschlichen Heer z.B. so etwas wie die "Wilde Jagd" (die aber auch keine menschlichen Ursprünge hat, sondern eben göttliche).

Beppe
Spartaner
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Peppone hat geschrieben: Es ist einfach nicht logisch, dass aus einem Heerwurm ein Lindwurm, also ein einzelnes Wesen werden soll, auch wenn´s verlockend klingen mag. Das wäre ohne Beispiel. Oder gibt´s ein zweites Beispiel aus der Sagenwelt für so eine "Verwandlung", das mir entfallen ist? Wenn, dann wird aus einem menschlichen Heer z.B. so etwas wie die "Wilde Jagd" (die aber auch keine menschlichen Ursprünge hat, sondern eben göttliche).

Beppe
Das muss man sich nicht vorstellen, der Herrwurm war der Lindwurm.
Lind (Schild ) - wurm hatte die Bedeutung für = Schildwurm oder auch die Variante des schlängelnden biegsamen Wurmes -siehe unten.

Wie in einem etymologischen Wb ( Sauerhoff ) gefunden für Linde: "mhd. mnl. Linde=gemeingermanischer Name des Baums -in germanischer Kriegersprache über Lindenschild zu Schild entwickelt -dazu nhd. mundartl. Lind "Bast" annord. lindi "Gürtel" -aus Lindenbast"

Der lintwurm könnte also als Methapher für die sich durch die Landschaft schlängelnden römischen Schilde gestanden haben,oder für etwas schlängelndes biegsames aus einer älteren Bedeutung für lind/lint stammen.

Dazu auch aus dem Buch :Kommentar zu den Liedern der Edda(Carl Winter Universitätsverlag ) S. 119
zu dem Begriff Lindhvito : versteht das nur hier belegte Adjektiv lindvitr als linden(blüten)weiß -Klingenberg 1990 s. 161 dagegen interpretiert (Linden-) Schildweiß - so auch schon Strutevant (1911-1914a 158 Anm.)

Dazu passt auch die etymologische Erklärung des Begriffes Lindwurm, der auf dieser Seite hier, der hier als etwas schlängelndes biegsames darstellt (aus dem lat. Begriff lentus) wird - aber auch schon eine ältere Herkunft haben kann .
http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/2 ... ndwurm.htm

Nun zu den älteren Bedeutungen:
Lind und Lindwurm

anord. linnr, ahd. lint 'Drache'

daraus: anord. linnormr, ahd. lintwurm, auch lintdrache
nach Grimm 12,1026; Kluge ²² 444 eine verdeutlichende Zusammensetzung mit lind, lat. lentus 'biegsam'.

Nun bedeutet aber lind nicht 'biegsam', sondern 'weich, zart, sanft, mild' und lentus 'zäh, klebrig; geschmeidig; langsam', Grundbedeutung 'weich, nicht fest'.


Leviathan

Der Lindwurm hat eine auffallende Parallele zu gleichbedeutend

Ugarit ltn 'ein mythisches Ungeheuer'

hbr. לויתן liwjátán 'Leviathan, Drache', entmythisiert 'Krokodil'
Jes 27,1 als 'flüchtige Schlange, gewundene Schlange' bezeichnet,
synonym zu תנין tannîn 'Seeungeheuer'.

Der Name ist abgeleitet von noach. *lei- 'biegen, drehen'

lwj 'drehen, winden, biegen, biegsam, weich'


arab. لوى lawâ 'drehen, winden, biegen'.

Dazu gehört z.B.

arab. لىن lajin 'weich, zart, biegsam, geschmeidig'


arab. لان lân 'weich, zart, sanft, milde sein'.
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Agrippa
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Danke, Spartaner, für die ausführlichen etymologischen Erläuterungen. Auch Dietrich von Bern ( der historische Theoderich) kämpft in der Sage gegen Fabelwesen, nämlich Riesen. Sie so Metaphern für mächtige Gegner.
Einem Skandinavier oder Isländer des 10. Jhs . konnte man nicht erklären, was ein römisches Dreilegionenheer war. Das war außerhalb der Vorstellungskraft. Stattdessen trat in der mythischen Überlieferung ein Untier, eben ein Lindwurm, der das Land verheere und als unbesiegbar galt.

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Agrippa
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@ Beppe:
In der Rolandsage wurden die Basken also "nur" zu Mauren verfremdet. In der älteren Dietrichsage dagegen wurden dagegen dessen Feinde zu Riesen, also Sagenwesen. Warum soll es nicht ebenso mit dem Varusheer und dem Lindwurm gewesen sein?

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Peppone
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Agrippa hat geschrieben:@ Beppe:
In der Rolandsage wurden die Basken also "nur" zu Mauren verfremdet. In der älteren Dietrichsage dagegen wurden dagegen dessen Feinde zu Riesen, also Sagenwesen. Warum soll es nicht ebenso mit dem Varusheer und dem Lindwurm gewesen sein?

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Weil es eine andere Hausnummer ist, ob man ein einzelnes Wesen in ein anderes einzelnes Wesen bzw. eine Menschengruppe in eine andere Menschengruppe umdichtet oder ob man eine Menschengruppe in ein einzelnes Wesen umdichtet.

Kenne ich von keiner anderen Sage...

Beppe
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Agrippa
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Dafür gibt es eine recht einfache Erklärung. So wie das römische Heer auf ein einziges Untier reduziert wurde, steht Sigurd allein für das germanische Heer.

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Spartaner
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Spartaner hat geschrieben: Dem Dichter des Nibelungenliedes müssen wahrscheinlich alte Quellen bekannt gewesen sein, woraus er diesen Namen für seine Stabreimdichtung erschloss. Der Name Siegried lehnt sich wahrscheinlich an alte nicht mehr verfügbare Überlieferungen an. " Bekannt ist, dass von acht Mitgliedern der cheruskischen Königssippe fünf die Vorsilbe Segi (Sieg) im Namen trugen. Der Vater nannte sich Segimer, der Schwager Segimund." Es ist anzunehmen, dass der Name Siegfried, der Wahrheit ziemlich Nahe kommt.
Bei den Römern bekam Siegfried - den Namen "Arminius" übergstülpt. Seine wahren Namen scheint er aber nie vergessen zu haben und für die Cherusker war er immer noch der Siedfried, Segimund, Segimer, Segifridus, Sigurd oder wie auch immer, der richtige Name lautete.
Der Name Arminius den er von den Römern bekam, verdeutschte sich im 18. Jahrhundert zu "Hermann der Cherusker "
Es gibt bei Historikern eine gewisse Skepsis das Arminius wirklich Segifirþus geheißen habe. Es könnte auch der Name Segimund zutreffen.
Dazu schreibt Höfler : "Ein Beweis, dass Arminius mit seinem germanischen Namen Segifirþus geheissen habe, ergibt sich daraus (nämlich der S- Alliteration der cheruskischen Fürstennamen) selbstverständlich nicht."
Dazu ist zu finden im Buch- Studien zum Altgermanischen (Festschrift von Heinrich Beck) S. 687 Der hunnische Siegfried- Fragen eines Historikers an den Germanisten von Reinhard Wenskus:
"Unverständlich bleibt bei dieser Sachlage, dass Höfler sich nicht die Tatsache zu nutze macht, einen anderen cheruskischen Fürstennamen, der Segi- als Erstglied aufweist, als ursprünglichen Namen des angeblich als Drachentöter in die Überlieferung eingegangenen berühmten Römersiegers zu diskutieren, obwohl auch schon andere Forscher darauf aufmerksam machten, dass auch Sigismund in diesem Zusammenhang genannt werden könnte. Im Beowulf (V.875ff.) wird ja Sigemund - schon als Waelsing bezeichnet - als Drachentöter gerühmt, so dass der Historiker E. Zöllner die Vermutung aussprechen konnte, dass die Gestalt Sigmunds erst in England mit dem Drachenkampf verbunden wurde. Dem hätte Höfler entgegenhalten können - vom Standpunkt seines mythologischen Ansatzes aus, dass bereits in der "stirps regia" der Cherusker und als Schwager des Arminius ein Segimundus (Tacitus Ann. 1.57.2), der Sohn des Segesters und Neffe eines Segimerus zu finden ist, wobei betrachtet werden muss, dass auch der Vater des Segimerus oder Sigimerus hieß."
Es ist weiterhin festzuhalten : "dass die Namengebung in der cheruskischen "stirps regia", zu der sowohl die Familie des Arminius wie die des Segest gehörte, völlig im Einklang mit der Annahme eines "Traditionsverbandes" nach der Art eiens endogamen Klans (Ramage) stehen würde."
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Peppone
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Nur zur Hervorhebung noch einmal zitiert:
Spartaner hat geschrieben:Im Beowulf (V.875ff.) wird ja Sigemund - schon als Waelsing bezeichnet - als Drachentöter gerühmt, so dass der Historiker E. Zöllner die Vermutung aussprechen konnte, dass die Gestalt Sigmunds erst in England mit dem Drachenkampf verbunden wurde.
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Peppone hat geschrieben:Nur zur Hervorhebung noch einmal zitiert:
Spartaner hat geschrieben:Im Beowulf (V.875ff.) wird ja Sigemund - schon als Waelsing bezeichnet - als Drachentöter gerühmt, so dass der Historiker E. Zöllner die Vermutung aussprechen konnte, dass die Gestalt Sigmunds erst in England mit dem Drachenkampf verbunden wurde.
Beppe
Noch mal zur Verdständnis. Schon in der Zeit der Völkerwanderung im 5 .Jhd. waren durch die Wirren der Völkerwanderung die Ereignisse der Varussschlacht in Vergessenheit geraten . Was erhalten blieb waren z.B. die Begriffe wie Lintwurm und die Namen der Helden, wie eventuell Sigemund oder Siegfried. Die Sage wurde dann in Skandinavien oder England wiederbelebt. Und fand Einzug in die Beowulfsage und auch der Edda. Es ist stark anzunehmen, dass erste Wiederbelebungsversuche der Sage mit skandinavischen Szenarien versehen bzw. in diesen ihren Einzug fanden. siehe Drachenkampf, der hier das erste mal aus dem Wort Lintwurm umgedeutet wurde und mit einen neuen Sagenszenarium versehen wurde. Zum ersten Mal fand dann Sigemund im Beowulf 7 Jhd. im Drachenkampf Einzug .Zu dieser Zeit ist aber die wahre Bedeutung des Wortes Lintwurm schon in Vergessenheit geraten und ein wahrscheinlich älteres Fragment umgedeutet worden.
Zitat:
"Das Epos Beowulf entstand vermutlich nach dem Jahr 700 und spielt in der Zeit vor 600 n. Chr. in Skandinavien. Wie bei vielen anderen mittelalterlichen Texten ist für das Epos kein zeitgenössischer Titel überliefert; seit dem 19. Jahrhundert ist der Name des Helden Beowulf als Name des Gedichts in Gebrauch." http://de.wikipedia.org/wiki/Beowulf
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Agrippa
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Es ist nachvollziehbar, dass die Sachsen aus Norddeutschland bei der Besiedelung Englands um 500 n.Chr. Ihre alte Sage von der Varusschlacht dorthin mitnahmen und diese, weiterhin verfremdet, weiterführten. Dass aus dem Lintwurm mittlerweile ein Drache geworden war, spricht dafür, das der historische Kern dieser Sage zeitlich sehr weit vor der Völkerwanderungszeit spielte.

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Agrippa
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Ebenso wie in England die Sigurd/Arminius Sage in den Beowulf eingebaut wurde, wurde sie später in Deutschland in das Nibelungenlied , der Sage vom Untergang der Burgunder,integriert.

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Spartaner
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Höfler geht auch nicht von Segimund, sondern schreibt hier von Arminius, bzw. Siegfried
Zitat:
"Wir wissen ferner, das 6 Jahre nach der Varusschlacht, im Jahr 15, der Fürst Segestes zusammen mit seinem Sohn Segimundus (der, obwohl von den Römern zum Priester der Ara Uborium gewählt, im Jahr 9 von Ihnen abgefallen und zu den cheruskischen "Rebellen" geflüchtet war (profugus ad rebelles:Ann.I,57)). seinen öffentlichen und entgültigen Übertritt zu den Römern vollzogen hat (Ann.I,57)
Segestes, von Arminius belagert hatte durch eine Gesandtschaft, der auch sein Sohn Segimundus beigegeben war, die Römer um Hilfe gebeten, und auf seine Bitte entsetzte Germanicus die Belagerten und befreite den Segestes und die Seinen (darunter auch Thusmelda, die dann von den Römern nach ravenna geschickt wurde , wo sie den Sohn des Arminius gebahr: Ann. I,58)"
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Peppone
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Agrippa hat geschrieben:Ebenso wie in England die Sigurd/Arminius Sage in den Beowulf eingebaut wurde, wurde sie später in Deutschland in das Nibelungenlied , der Sage vom Untergang der Burgunder,integriert.

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Und dass die Drachensage aus Wales (!) oder England selber stammte, schließt du aus? Warum?
Weshalb sollte die Sigurd/Drachen-Sage nicht von den englischen Sachsen zu den deutschen Sachsen gewandert sein?

Beppe
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