Aneri hat geschrieben:Ehrwürdige???!!!
Was hat solche Bezeichnungen mit Geschichte zu tun?
Es war 112 unabhängige Staaten, 66 Kirchenterritorien, 421 frei Reichsstädte und 1500 Lehen der Reichsritter...(Quelle "Die Ursprünge der modernen Welt")
Ehrwürdig ist in diesem Forum durchaus erlaubt, Dietrich benutzt das Wort als Hinweis drauf, dass Napoleon ein Gebilde zum Einsturz brachte, das bis dahin schon trotz seiner Zersplitterung über einige Jahrhunderte viele Krisen überstanden hatte.
Aneri hat geschrieben:Es wäre gut, wenn du auch den Weg und Weise dieser Ausstrahlung beschreiben würdest.
Das wäre ein wenig zuviel verlangt, zumindest in diesem Rahmen.
Die französische Revolution und deren Folgen hatten insofern in vielen Staaten Auswirkungen, als dass - von oben oder von unten- vieles getan wurde, um einen solchen gewaltsamen, blutigen Umsturz zu vermeiden.
Es geht doch gerade darum, dass Revolution hatte ursprünglich keine Expansionspläne.
Die Revolution vielleicht nicht, aber die Ideen, aus denen sie teilweise geboren wurde, und die sie vertrat, waren, wie Dietrich betonte, universal. Nur war der Boden, auf den die Saat der Gedanken fiel, unterschiedlich vorbereitet.
Die Ideen der Französischen Revolution von Freiheit und Gleichheit der Menschen breiteten sich weltweit aus. Es waren Publizisten und Denker, die für diese Ausbreitung sorgten, nicht aber Napoleon.
Nicht nur die, sondern auch die Propaganda, die Nachrichten, die aus Frankreich und von Franzosen aller Stände in den europäischen Staaten verbreitet wurden. Da sind die grundlegenden Gedanken hie( bei Adel, Kirche, Monarchen) auf erbitterten Widerstand gestoßen, dort vor allem Bürgertum akzeptier worden sein, doch die Kunde der Umsetzung hatte schon verschreckt.
Wenn Napoleon zum Ziel gehabt haben sollte, mit seinen Eroberungen gleichzeitig Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu bringen, so wurde das Ziel verfehlt, weil die hehren Ziele mit viel Zwang durchgesetzt wurden. Nicht zum sofort erkennbaren Vorteil der Bevölkerung.
Auf die Stelle bleibt zu überlegen, warum so fortschrittliche Reformen nicht mit Freude übernommen wurden? Eigentlich würde den breiten Massen der Weg geöffnet. Dennoch klammerte man an alten System bzw. noch nicht in dieser Hinsicht aufgeklärt.
Weil Napoleon, bzw. seine Handlanger, seineVerwaltung, seine Truppen nicht als freundlich winkende Befreier auftraten, sondern z.B. ohne demokratische Rückfragen Steuern und Abgaben einzogen, die den Bürgern der Territorien nicht gefallen mussten. Mal abgesehen von späteren Zwangsrekrutierungen, die nun mal gar nicht mehr ins Bild von Freiheit passten.Siehe oben.
Dietrich hat geschrieben:Napoleon regierte absolutistsich und sein Staat war keineswegs von den Ideen der Französischen Revolution durchzogen.
Das nicht, und mag Orianne mit Recht manche Reformen beschwören: In der Zeit kamen fast nur die Nachteile der Besatzung zum Tragen.
OT:
Nochmal zur Personengeschichte oder zur Personifizierung der Geschichte:
Aneri hat geschrieben:Ich sehe das Problem in dem Akzent auf Persönlichkeit in dem, dass man eigentliche Ursachen zur Seite schieben könnte. Mit Napoleon ist es weniger ersichtlich, aber mit Hittler zeigt es sich besonders, wie leicht man Schuld dem Einzelnen schieben und sich - als Gesellschaft - weiß waschen kann. Sich als Teil der Gesellschaft, die ihn zum Macht verholfen hat, zu analysieren ist dann ausgeschlossen. Der Schuldige steht schon fest!
Lange wurde Personen-Kult und Heldenverehrungs- Geschichte geschrieben, ohne den Vorgängen im Hintergrund Aufmerksamkeit zu schenken. Alexander der Große, Caesar, Karl der Große, Friedrich der Große, Napoleon, Bismarck, Hitler waren solche Gestalten.
Dass diese Art der Geschichtsbetrachtung glücklicherweise längst Vergangenheit ist, darüber sind wir uns wohl einig.
Die Gefahr, historische Abläufe einzig an Personen zu knüpfen, besteht durchaus, dennoch ist meine Meinung, dass hie und da Entwicklungen der Geschichte durch Persönlichkeiten besonderer Art beeinflusst wurden. Immer ein Teil des Ganzen, immer von ihrer Zeit geprägt. Dennoch:Imho gibt es keine identische Prägung in einer Menge von Individuuen, sodass dem jeweiligen Einzelwesen durchaus individuelle Spielräume der Entwicklung und des Seins bleiben.
( Sage ich als jemand, der sich mit Genetik, Prägung, Sozialisation und Gesellschaft und Individuum schon ziemlich intensiv beschäftigt hat.)
Glauben wir, dass Entwicklung der Gesellschaft hat eigene Entwicklungsgesetze, die Kräfte, die sich in Persönlichkeiten (nur) manifestieren?
Wenn Du das als einzige Voraussetzung annimmst, so glaube ich das in der Absolutheit nicht.
Oder sind es die Persönlichkeiten, die die Gesellschaft bewegen?
Nicht ausschließlich, doch manchmal bewegen sie entscheidende Dinge nicht zuletzt Kraft ihrer Persönlichkeit in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Zusammenhängen. Die gilt es zu erkunden, unter so vielen Aspekten und Ansätzen wie nur möglich.