Renegat hat geschrieben:
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Dabei würde mich interessieren, Inwieweit der Schweizer Boom ein Luxemburgeffekt ist?
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Der Schweizer "Boom" ist relativ.
Im Verhältnis zur Situation, in der sich (auch und gerade dank Deutschland) Länder wie Spanien und Griechenland wiederfinden, ist er sicherlich gegeben.
Leider haben davon aber nicht alle gleichermassen was. Mancher Ort sieht aus wie in der DDR, es wird teilweise gegeizt und gekürzt, weil auch in der Schweiz Steuereinnahmen aufgrund der Bankenkrise weggebrochen sind.
Ein Beispiel: Letzten Herbst war allen Ernstes in einem zentralschweizer Kanton im Gespräch, ein Schuljahr abzuschafffen, weil man dann ein Jahr Ausgaben für die Bildung und die Lehrer der Kids sparen könnte. Ist dann nicht verwirklicht worden, zeigt aber die Rahmenbedingungen bzw. Grössenordnung.
Renegat hat geschrieben:
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Was meinst du mit Abzocke und Lohndumping, RS?
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Einwanderung aus dem Mittelmeerraum in Deutschland v.a. in Jahren des Wirtschaftswunders drückte auf den Markt der Arbeiter und eher nicht so sehr Hochqualifizierten, die dadurch gezwungen wurden, sich zu spezialisieren.
Die massenhafte Einwanderung in die Schweiz durch v.a. Italiener, Portugiesen und Deutsche drücken aber die Löhne v.a. in den höher spezialisierten Berufen, weil sie für weniger, teilweise für viel weniger Lohn bereit und in der Lage sind, eine Arbeit zu verrichten (weil sie sich vom hohen Frankenkurs blenden lassen, teilweise Familie sprich Ausgaben im Ausland haben, weniger Kosten durch weniger Bindungen usw., zumindest, wenn sie noch neu sind in der Schweiz), was dazu führt, dass auch ein Schweizer mitunter viel weniger Lohn bekommt als früher.
Dieses Problem wurde lange Zeit nicht nur nicht erkannt, sondern lautstark und vehement negiert, bis es seit gefühlten 2 Tagen auch durch Studien belegt ist, zumindest in manchen Branchen.
"Abzocke" dadurch, dass viele ausländische Firmen in die Schweiz kommen, um niedrige Steuern zu bezahlen und von niedrige bürokratischen Hürden zu profitieren, dann ausländische - sprich billigere - Arbeitskräfte anstellen (eventuell gar Pendler aus dem Ausland sprich Grenzgänger, so dass - man glaubt es kaum - auch noch die Steuern im Ausland landen), und die Einheimischen in die Röhre gucken. Aber deren Umweltverschmutzung, mordsmässiger Verkehr, höhere Mietpreise, unerschwingliches Wohneigentum usw., die darf der Schweizer gern in Kauf nehmen dafür. Is' ja schön, da freut er sich.
Renegat hat geschrieben:
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Unzweifelhaft ist die Tourismusbranche ohne Ausländer kaum existenzfähig, wie wollen die das machen?
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Die Branche liegt eh am Boden und deckt nur noch einen kleinen Teil des BNP. Verschwindend klein.
Hinzu kommt noch, dass selbst ehemalige Nationalsports wie Skifahren usw. out sind. Schweizer wollen Meer, keinen Schnee.
Renegat hat geschrieben:
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Oder ersetzen sie die EU-Ausländer gegen andere Ausländer, denn das Votum bezog sich nur auf diese?
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Gute Anmerkung;
bisher waren EU-Ausländer Schweizern seit 2008 in Sachen Aufenthalt, Arbeitserlaubnis, Sozialhilfe, Stipendien usw. gleichgestellt, Nicht-EU-Ausländer nicht.
Das jetzige Votum ist v.a. eine Chance für Nicht-EU-Ausländer, denn jetzt geht's zurück (die Frage ist, wie und inwieweit) zur Situation vor 2008.
Renegat hat geschrieben:
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Es ist aber nicht nur Gastronomie- und Hotelgewerbe. Viele junge Deutsche der Generation Praktikum haben in den letzten Jahren in der Schweiz eine lukrative Anstellung gefunden, oft bei international tätigen Firmen, geht es um die? Ist das vielleicht eine Neiddebatte?
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Teilweise auch. Die Schweizer Industrie bildet nicht gern aus, denn es gibt ja jederzeit billigen gutausgebildeten Nachschub aus Deutschland, Italien und Portugal (auch Griechen sind i.d.R. sehr gut ausgebildet, auch ein Erfolg der EU). Da lohnt es sich nicht, in einheimische Ressourcen zu investieren bzw. nicht immer oder nur manchmal.
Die SP sagt (nicht zu unrecht), dass es auch andere Massnahmen gibt, Lohndumping und Verwerfungen, negative Folgen usw. wirksam zu bekämpfen, die nicht so +- offen gegen Ausländer sind.
Stimmt, nur bisher wurde kein Finger krummgemacht, auch, weil die anderen Parteien plus Wirtschaft dies blockierten.
Lächerliche Strafen für Nichteinhaltung der Mindestlöhne, offensichtliches Lohndumping ohne Folgen für die Arbeitgeber, totale Ignoranz und Arroganz in Bern ist bisher Tagesordnung. Im Gegenteil, der Herr Wirtschaftsminister macht vor, wie er sich vorstellt zu überleben: Off-shore-Gesellschaft gründen in Monaco und auf Jersey, dahin die Gewinne verfrachten, keine Steuern zahlen, Kohle zurück in die Schweiz und sich in die eigene Tasche stecken. Und der hat tatsächlich noch den Mumm, dummdreist zu behaupten, dass er die Kohle nicht in der Schweiz hätte investieren können, wenn er sie vorher versteuert hätte. Aha.
Renegat hat geschrieben:
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Ob die Schweiz das wirklich durchziehen kann, bezweifle ich, so hoch sind die Berge nun auch nicht, dass man sich mitten in EU-Europa autark auf der Alm abschotten kann.
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Das erste Alpenland Europas ist Oesterreich. Der Anteil der Schweiz an den Alpen ist kleiner. Keine der grösseren Städte liegt in den Alpen. Mit dem Tourismus wird schon lang kein ordentliches Geld mehr verdient.
Renegat hat geschrieben:
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Aber die Schweiz beflügelt die populistische Debatte und das kurz vor der EU-Wahl, wenn das mal nicht die Absicht der "schlitzohrigen" Eidgenossen ist?
Schlitzohrig?
Die Schweiz ist de facto EU-Mitglied, denn sie zahlt massiv in EU-Kassen und -Projekte ein.
Auch in nationale Projekte ihrer Anrainerstaaten.
Während die Steuern z.B. von Grenzgängern in Rom, Paris und Berlin landen, und die eigenen Orte hingegen vergammeln.
Das Modell ist verbesserungswürdig.
Und solche Typen wie diesen S**schwab
braucht Europa nicht, wenn es Herzen gewinnen will:
Es gibt gute Gründe, weshalb in anderen Ländern diese Frage nicht in dieser isolierten Einfachheit den Bürgern unterbreitet wird. Solche Ergebnisse sind zudem immer nur eine Momentaufnahme. Wenn die Schweizer sehen, dass die EU nicht verhandeln will, werden sie ihre Einstellung wieder ändern.
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/eur ... print.html
Satire pur, oder?
LG