Kohlhaas hat geschrieben:
Und schon drehen wir uns wieder im Kreis. Mit dem Begriff "Kulturgemeinschaft" meinst Du dann offenbar doch mehr als der Begriff "Kulturgemeinschaft" eigentlich aussagt.
Was Du schreibst, ist erstens ein Zirkelschluss und zweitens erwiesenermaßen falsch!
Das ist weder falsch noch ein Zirkelschkuss.
Wenn ein Kelte nicht keltisch als Muttersprache spricht, ist er kein Kelte. Und es gibt auch keinen keltisch sprechenden Germanen. Das sind absurde Behauptungen, die sich einer Internet-Trollerei nähern. Die Forschung hat eine ganze Reihe von Stämmen als "germanisch" klassifiziert, weil sie der Meinung ist, dass es sich um Germanen handelt. Daran ist mit aller Haarspalterei nicht zu rütteln. Bereits zur Zeitenwende postuliert die Sprachwissenschaft eine Aufspaltung in west-, nord- und ostgermanische Sprachen. Und die Träger dieser Sprachen waren Germanen - was denn sonst?
Herwig Wolfram schreibt z.B.: "Man sollte sich auf eine geografische Einteilung der Germanenvölker einigen: Man kann sicher von Skandinaviern sowie con Elb-, Rhein- und Donaugermanen sprechen ... Die klassische Ethnografie hat den Suebennamen auf eine Vielzahl germanischer Stämme ausgedehnt."
(Herwig Wolfram, Die Germanen, München 1997, S. 23)
Kohlhaas hat geschrieben:Es ist nicht wahr, dass einzelne Stämme heute aufgrund ihrer Sprache der Gruppe der Germanen oder der Kelten zugewiesen würden. Kein Archäologe und kein Historiker und kein Linguist hat je behauptet, dass ein bestimmter Stamm nachweislich aufgrund der Sprache den Kelten oder den Germanen zugeordnet werden kann.
Stämme wie die Sueben, Hermunduren, Markomannen, Cherusker oder Chatten gelten als germanisch. Auch ohne, dass wir hermundurische oder markomannische Sprachreste haben. Diese Klassifizierung kannst du in jeder wissenschaftlichen Publikation und jedem Handbuch nachlesen. Es lohnt nicht, das hier anzuzweifeln. Ich verweise u.a. auf Herwig Wolfram, "Die Germanen" oder auf Walter Pohls Publikationen. Ferner kannst du das alles sehr schön hier nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reallexik ... rtumskunde
Bei Wiki ist zu lesen: "Als Germanen wird eine Anzahl von ehemaligen Stämmen in Mitteleuropa und im südlichen Skandinavien bezeichnet, deren
ethnische Identität in der Forschung traditionell über die Sprache bestimmt wird. Kennzeichen der germanischen Sprachen sind bestimmte Lautwandel gegenüber der rekonstruierten indogermanischen Ursprache, die als germanische oder erste Lautverschiebung zusammengefasst werden. Das von den Germanen bewohnte Siedlungsgebiet wird entsprechend als Germanien bezeichnet." (Wikipedia)
Die Archäologie definiert etwas anders, aber ebenso eindeutig: "Germanen: ein archäologischer Formenkreis, dessen Ausdehnung sich mit den aus Schriftquellen bekannten Siedlungsgebieten der Germanen ungefähr deckt ... Der seit der Zeitenwende fassbare, von Germanen getragene archäologische Formenkreis reicht von den römischen Rheingrenzen an Rhein und Donau im Westen und Süden bis ins Weichselgebiet im Osten und schließt das südliche Skandinavien ein."
(Lexikon des Mittelalters, Band IV, Sp. 1338)
Kohlhaas hat geschrieben:Ich wage die Behauptung, dass die Wissenschaftler immer nur folgendes gesagt haben: Vermutlich waren es Germanen, also haben sie vermutlich germanisch gesprochen.
Da wagst du falsch. In keiner Publikation findest du die Einschränkung, dass Chatten oder Sueben "vermutlich" Germanen seien. Das ist kompletter Unsinn.
Kohlhaas hat geschrieben:Hier vermischt Du die Definitionen der verschiedenen Wissenschaften. Ethnologen verstehen unter "Ethnizität" was anderes als Historiker. Und Archäologen (Vor- und Frühgeschichtler) trennen von vornherein die Begriffe "Ethnizität" und "Sachkultur".
Gruppen mit gemeinsamer Sprache, Herkunft und Kultur werden als "Ethnie" bezeichnet. In der Ethnologie wird der Begriff Volk bisweilen parallel zu dem der Ethnie im Sinne einer ethnischen Gemeinschaft gebraucht.
Kohlhaas hat geschrieben:Damit kommt zu der Frage, was Ethnologen oder Archäologen oder Historiker unter "Ethnie" verstehen, noch die Frage hinzu, was Du oder was ich darunter verstehe.
Das ist doch ein unwichtiger Nebenschauplatz.
Hier geht es um die Definition von Kelten und Germanen. Und dabei handelt es sich sowohl um Sprach- als auch um Kulturgemeinschaften. Zur Entstehung der germanischen Sprachen haben wir bereits ausführlich diskutiert: Das Gemeingermanische entstand in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausend v. Chr. und wird mit der ersten germanischen Lautverschiebung in Verbindung gebracht. Seit dem Auftauchen der allerersten Schriftquellen wissen wir, dass Keltisch und Germanisch zwei verschiedene Sprachen innerhalb der indoeuropäischen Sprachfamilie sind.
Die Latène-Kultur wurde von Kelten hervorgebracht, die Germanen entwickelten verschiedene eisenzeitliche Kulturen, sodass sich mehrere Fundgruppen unterscheiden lassen, die mit historisch bezeugten Stämmen oder Stammesgruppen in Verbindiung stehen. So z.B. vom Mittel- und Niederrhein bis ins Wesergebiet die
Rhein-Weser- Germanische Fundgruppe; das Flussgebiet der Elbe in Mitteldeutschland und Böhmen, dazu die niederösterreichischen, mährischen und slowakischen Landstriche nördlich der mittleren Donau wurden von der großen
elbgermanischen Fundgruppe eingenommen, die mit dem Stammesverband der
Sueben gut identifiziert werden kann. Im Osten schließt sich die
Oder-Warthe-Gruppe an, als deren Kern die
Vandalen anzusehen sind ... usw. usw.
Kohlhaas hat geschrieben:Ich wiederhole hier die Bitte um Belege. Meiner Kenntnis nach hält die Archäologie (Vor- und Frühgeschichte) sich selbst für unfähig, einzelne Funde bestimmten Stämmen zuzuordnen. Und meiner Kenntnis nach hat kein moderner Archäologe je Aussagen darüber gemacht, welche Sprache ein nicht identifizierbarer Stamm gesprochen haben soll.
Wie Archäologen zur Bestimmung germanischer Stämme kommen, habe ich oben dargestellt. Ich verweise im übrigen auf unzählige Publikationen, wo du eindeutige germanische Stammeszuordnungen ohne den Hauch eines Zweifels findest. - Ausnahmen wurden bereits erwähnt, so z.B. die unsichere Klassifizierung der
Treverer, die somit in allen Publikationen als "keltisch-germanisches Mischvolk" auftauchen. Das gilt aber nicht für Chatten, Markomannen, Sueben und mehrfach erwähnte Konsorten.
Kohlhaas hat geschrieben:Dass im Kerngebiet der Jastorf-Kultur sicher eine andere Sprache gesprochen wurde als im Kerngebiet der Latène-Kultur ist eine völlig andere Frage... Wir wissen nur nicht welche.
Das Ur- oder Gemeingermanische, das etwa ab 500 v. Chr. anzunehmen ist, konnte von der Sprachwissenschaft weitgehend rekonstruiert werden. Es liegt auf der Hand, dass diese Sprache im germanischen Zentralraum Norddeutschlands gesprochen wurde.
Kohlhaas hat geschrieben:Ja, kann man. Aber "große Wahrscheinlichkeit" ist was anders als "erwiesene Gewissheit", aufgrund derer man heute noch sprachlich unterscheiden könnte zwischen "Kelten" und "Germanen".
Das verbuche ich mal unter Haarspalterei.
Kohlhaas hat geschrieben:Viel wichtiger ist aber die Frage: Was für eine Sprache haben denn die Gruppen gesprochen, die zwischen "Volcae" und "Sueben" wohnten?
Du scheinst überlesen zu haben, was ich dazu bereits schrieb:
Die Forschung ist sich einig, dass die von Kelten getragene Latène-Kultur im 5. Jh. v. Chr. bis zu den deutschen Mittelgebirgen reichte. Nicht immer einig ist man sich bei der Frage, ob zwischen Donau und den Mittelgebirgen überall Kelten siedelten. Manche bejahen das. Andere vermuten, dass in diesem Raum eine ethnisch nicht näher bestimmbare Bevölkerung saß, die zum Kreis der Latène-Kultur zählte, ohne indes keltisch (oder germanisch) zu sein. Diese Frage wird sich heute nicht mehr lösen lassen. Vermutlich gab es zwischen Harz und Donau sowohl keltische als auch ethnisch nicht näher bestimmbare Siedlungsgebiete.
Kohlhaas hat geschrieben:Was heißt hier "feindselig"?
Gegenfrage: Was meinst Du denn, wenn Du von "Verdrängung" redest? Dass die beiden Gruppen sich zu einem Gelage zusammengesetzt haben und eine davon am nächsten Morgen friedlich-verkatert weggezogen ist?
Wenn Stämme ihre Siedlungsgebiete verlagern und in den Raum anderer Stämme eindringen, werden zwei Szenarien wirksam.
1.: Betroffene Bevölkerungsgruppen wandern ab bzw. ziehen sich zurück.
2.: Alte und neue Bevölkerunsgruppen verschmelzen miteinander - ein Prozess, der sicher nicht immer friedlich verläuft.