Renegat hat geschrieben:Das mag so sein, bildet aber nicht den Massenbedarf ab.
Triton hat geschrieben:Sprichst Du da aus eigener Erfahrung?
Meiner eigenen Erfahrung nach haben viele Mietinteressenten Haustiere, platzgreifende Hobbies etc., die interessiert die Mietskaserne in Zentrumsnähe nicht die Bohne. Genau von dort, aus der Enge, der Anonymität und der Betonumwelt wollen die alle raus und aufatmen.
Wichtig ist nur, dass Ballungszentren erreichbar sind und die Infrastruktur stimmt.
Mmh, das sind unterschiedliche Wohnungsmärkte, die du ansprichst, Triton. In kleineren Städten und auf dem Land könnte deine Beschreibung die Idealvorstellung sein. Solange man mit dem Auto fahren kann und es keine nervigen Staus gibt, kann man in den Einkaufscentern an den Ausfallstraßen einkaufen. Im Zentrum gibt es in Großstädten selten Lebensmittel und täglichen Bedarf, den kauft man im Stadtteil oder an den Ausfallstraßen auf dem Heimweg.
Mietskasernen in Zentrumsnähe gibt es in meiner Stadt eigentlich nicht. Direkt um das Zentrum liegen die alten Gründerzeitviertel mit sehr gemischten Mietwohnungsbestand. Viele Häuser sind schon lange in Eigentumswohnungen umgewandelt und saniert. Nach meinen Erfahrungen ist dieser Gründerzeit/WR-Gürtel ganz typisch für die meisten deutschen Großstädte. Die Städte haben sich aus den Zentren heraus kreisförmig ausgebreitet.
Der Baustil der Gründerzeit und der Weimarer Republik hat sich bewährt und deshalb sind diese Viertel nach wie vor beliebt und werden bei regelmäßiger Sanierung gerne nachgefragt. Das sind auch die Viertel, in die die älteren Reihenhaussiedlungsflüchtlinge drängen, genauso wie junge Familien, eben weil sich vieles ohne Auto erledigen läßt.
Baugeschichtlich schließen daran die Nachkriegsbauten an. In den 50/60ern baute man noch die klassischen Viergeschosser und wenn diese saniert und in ordentlicher Lage sind, werden die weiter gerne gemietet. Alle großen Vermieter haben diese 50/60er Wohnungen im Bestand und halten die in Großstädten gerne.
Was in Ballungsräumen die meisten Probleme bereitet, sind die Betonentgleisungen der 70er, diese riesigen Wohnmaschinen, im Osten Plattenbau genannt, im Westen Großwohnanlage. Da wollen alle raus und nur die "armen Socken", die sonst keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben, müssen zwangsläufig da wohnen. Was logischerweise zu Problemvierteln und Ghettos führt. Diese Betonmonster liegen idR nicht zentrumsnah, sondern meist in den äußeren Vierteln von Großstädten, was logisch ist, denn die dazu benötigten großen freien Grundstücke waren schon in den 70ern bis auf Industriebrachen mehr in der Peripherie zu finden.
Aus meiner Sicht ist die beschriebene Struktur typisch für deutsche und europäische Großstädte, die ja selten Neugründungen waren, sondern seit dem Mittelalter wuchsen.
Natürlich gibt es Ausnahmen wie Salzgitter oder einige Städte im Ruhrgebiet.
Heute können sich wahrscheinlich nur Rentner aussuchen, wie und wo sie wohnen wollen. Alle anderen berücksichtigen immer stärker den Weg zur Arbeit. Und da die Arbeitsplätze idR nur in den Ballungsräumen massenhaft vorhanden sind, ist der Trend dorthin ungebrochen und wird weiter ansteigen. Der ländliche Raum dagegen verödet, nicht nur im Osten aber da besonders stark. Auf dem Land, jedenfalls in Gebieten, die nur von Landwirtschaft leben, gibt es schon lange keine Arbeitsplätze mehr. Die Dörfer und Kleinstädte im Westen haben mit Ausweisung von Gewerbegebieten teilweise erfolgreich dagegen gekämpft.
Auch im Osten hat man in den frühen 90ern versucht, solche Minigewerbegebiete neben Kleinstädten zu etablieren. Ob dieses bewährte Mittel der Landesentwicklung dort was gebracht hat, bezweifle ich allerdings. Die Flucht aus dem ländlichen Osten hält ja bis heute an.
Die Entwicklung in den östl. Ballungsräumen ist dagegen ähnlich wie im Westen. Aus Leipzig habe ich dazu erst kürzlich einen Vortrag gehört. Bei Dresden weiß ich es nicht. Magdeburg ist schwierig, da ist viel Geld hingeflossen, die Innenstadt ist perfekt erneuert, ob dort allerdings das Leben tobt, kann ich nicht beurteilen. Die Ausweisung von Neubaugebieten auf der grünen Wiese rundum Magdeburg in den frühen 90ern war jedenfalls ein Flop, soviel weiß ich aus Erfahrung. Und das wären ja eigentlich die Wohnformen, die du meintest, Triton.