Es gibt 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution und der Vollendung der Deutschen Einheit recht heftige Diskussionen darum, ob die DDR nun ein Rechtsstaat oder ein Unrechtsstaat gewesen sei, mit dem Argument, es hätte zwar politische Gefangene gegeben, aber die normalen Zivilprozesse verliefen rechtsstaatlich. Zudem wird auch darauf verwiesen, den Begriff "Unrechtsstaat" gäbe es rechtswissenschaftlich bzw. völkerrechtlich gar nicht.
Die Frage dabei ist nur: Wie soll man einen Staat nennen, der eben kein Rechtsstaat ist?
Was einen Rechtsstaat auszeichnet, ist hingegen klar:
Es ist "ein Staat, der die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Gerichte, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Rechtsschutz gegen Akte öffentlicher Gewalt und eine öffentlich-rechtliche Entschädigung als unverzichtbare Institute anerkennt". Genau diese Bedingungen erfüllte die DDR aber eben nicht. Selbst Rechtsgeschichtler begehen bei der Beurteilung der Justiz in der DDR Fehler, denn:
"Der Rechtsgeschichtler Prof. Uwe Wesel stellte fest, dass das DDR-Recht bis auf den Umgang mit den politischen Gegnern nicht schlechter als in der Bundesrepublik war."
Diese Aussage des Herrn Wesel ist nicht haltbar:
Aus eigenem Erleben: Ich war mit meiner damaligen Schulklasse in den ´80er Jahren bei einer solchen "normalen" Gerichtsverhandlung als Zuschauer und habe gesehen, wie eine solche Gerichtsverhandlung in einem völlig normalen Zivilprozess ablief. Dabei stellte ich fest, daß eine sehr arrogante Richterin während der Aussagen des Angeklagten nicht nur strafrechtlich relevante Fragen stellte, sondern auch moralische Äußerungen von diesem abverlangte. Daß er etwas falsch gemacht hatte, als er unter Einfluß von Alkohol einen Unfall verursachte, wußte der Angeklagte natürlich selbst. Aus diesem Grunde verlief der Prozeß aus meiner Sicht nicht nach einem rechtsstaatlichen Muster. Daß die Prozesse häufig nach diesem Muster verliefen, habe ich einer Äußerung meiner damaligen Klassenleiterin entnommen, in der sie meinte, daß wir Schüler kein Mitleid mit dem Angeklagten zeigen sollten, auch wenn er etwas hart angegangen werden würde.
Daß es zu solchen Auswüchsen kam, lag im Rechtssystem der DDR selbst begründet:
Bereits die in der Verfassung der DDR festgeschriebene Staatsform als „Staat der Arbeiter und Bauern“ unter der Führung der SED und deren Ideologie zeigt auf, worauf alles in diesem Staat ausgerichtet war - so eben auch die Rechtsprechung. Auch kann man die meisten Richter und Anwälte schon aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der SED nicht als unabhängig bezeichnen. Selbst zivilrechtliche Gesetze, die auf den ersten Blick durchaus als nachvollziehbar erscheinen, konnten durch ein anderes Gesetz wieder hinfällig werden. Insbesondere ist hier eine Bestimmung im „Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975“, Erster Teil: „Grundsätze des sozialistischen Zivilrechts“, Viertes Kapitel, 2. Absatz zu nennen, wo es heißt:
„(2) Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn damit den Rechtsvorschriften oder den Grundsätzen der sozialistischen Moral widersprechende Ziele verfolgt werden.“
Damit konnten im Grunde alle anderen Bestimmungen in diesem Gesetzbuch ad absurdum geführt werden.
Als weitere Beispiele für die eben nicht vorhandene Rechtsstaatlichkeit der DDR können auch mehrere Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch der DDR von 1968/74 herangezogen werden.
In § 42 heißt es z. B.:
„§ 42. Arbeitserziehung. (1) In den gesetzlich vorgesehenen Fällen kann auf Arbeitserziehung erkannt werden, wenn der Täter arbeitsfähig ist und auf Grund seines asozialen Verhaltens zur Arbeit erzogen werden muß. Die Arbeitserziehung beträgt mindestens ein Jahr und dauert so lange, bis der Erziehungserfolg eingetreten ist. Sie darf die Obergrenze der Freiheitsstrafe, neben der sie angedroht ist, nicht überschreiten. § 39 Absatz 5 gilt entsprechend.
(2) Das Gericht beschließt nach Ablauf von mindestens einem Jahr die Beendigung der Arbeitserziehung, wenn durch die Haltung des Verurteilten, insbesondere durch seine regelmäßige Arbeitsleistung und seine Disziplin, zu erkennen ist, daß der Erziehungserfolg eingetreten ist.“
Ebenfalls anzuführen ist hier der Zusammenrottungs-Paragraph:
„§ 217. Zusammenrottung. (1) Wer sich an einer die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigenden Ansammlung von Personen beteiligt und sie nicht unverzüglich nach Aufforderung durch die Sicherheitsorgane verläßt, wird mit Haftstrafe oder Geldstrafe bestraft.
(2) Wer eine Zusammenrottung organisiert oder anführt (Rädelsführer), wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
(3) Der Versuch ist strafbar.“
Später wurde noch die Möglichkeit der Bewährung eingeführt, änderte aber nichts an der Strafbarkeit. Dieser Paragraph ließ sich sehr gut gegen eventuelle politische Protestaktionen anwenden, obwohl die spezielle Anwendung absichtlich nicht näher umschrieben wurde und daher auch gegen nicht politisch motivierte Ansammlungen von Personen - wie z. B. Punks - angewandt werden konnte.
Über die Entwicklung der Justiz in der DDR gibt es eine genaue Studie der hu-berlin, die auf der Internetseite
http://s6.rewi.hu-berlin.de/online/fhi/ ... ollnau.htm nachzulesen ist.
Bekannt ist auch, dass es in der DDR eine hohe Anzahl von politischen Gefangenen gab. Auch hierzu gibt es eine statistische Erhebung auf der Seite:
http://hsr-trans.zhsf.uni-koeln.de/hsrr ... 98_470.pdf