Katarina Ke hat geschrieben:Du hattest „der Jude“ geschrieben und nicht das „Judentum“. Korrekt. Aber dennoch bleibt für mich die Frage, warum du überhaupt Menschen mosaischen Glaubens in diesem Zusammenhang erwähnst.
Was Adolf Hitler mit der „Kriegsschuldfrage“ zu tun hat, ist für mich schleierhaft. Meines Wissens hatte er vor dem Ersten Weltkrieg als gescheiterter Kunstmaler keinen Einfluss auf die Politik der Regierungen in Berlin und in Wien.
wegen dem hier:
https://www.youtube.com/watch?v=NLo_tHQgunw
Der hat behauptet, dass das internationale Finanzjudentum die Welt in einen Krieg gestürzt hat.
Deine Definition des Begriffs Deutschtums bleibt für mich ungenau. Wenn du die Alldeutschen im deutschen Kaiserreich meinst, dann benenne sie auch so.
Tja, es wäre schön, wenn man Dinge so klar definieren könnte. Es sind aber nicht nur die Alldeutschen, sondern eben das Deutsche Element in Europa. So habe ich es gemeint. Wenn es eine bessere Defintion gibt - her damit.
Wilhelm II. glaubte im Juli 1914, seinen österreichischen „Amtsbruder“ zu einem harten Vorgehen gegen Serbien ermutigen zu müssen. In Belgrad betrieb man seit Jahren eine aggressiv-nationalistische Politik und wurde von Russland teilweise ermutigt. Diese Politik bedrohte die Stellung von Österreich-Ungarns, einem Vielvölkerstaat, der in der Tat reformbedürftig war. In Berlin und Wien glaubten die führenden Politiker und Militärs, Österreich könne mit einem begrenzten Krieg, der eher als Strafaktion gedacht war, Serbien in seine Schranken weisen. Die von dir angeführte Randbemerkung des letzten deutschen Kaisers ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Sie zeugt nicht von politischer Klugheit, aber ist keineswegs ein Beleg für die vorsätzliche Absicht Deutschlands, einen Weltkrieg anzuzetteln.
Und hier sind wir eben bei der Interpretation. Kann man auch anders sehen. Ausserdem - was hatte Österreich-Ungarn da auf dem Balkan zu suchen? Wie es ein kluger Kopf sagte: Ausser ein paar Maulbeerbäume und einen Haufen unzufriedene Untertanen gab es das nichts zu holen. Bismarck sagte zu Recht, der Balkan sei keinen Deutschen Knochen wert. Ausserdem hatte Österreich-Ungarn seinen Erfolg in der Bosnien Krise verbuchen können, wo sich Russland kompromissbereit zeigte. Aggressive Politik der Serben? Man hatte halt die Idee des allsüdslawischen Staates. Dann hätte ja Franz Ferdinand auch nicht ausgerechnet an einem serbischen Feiertag nach Sarajevo fahren müssen. Aber ausser ein paar Waffen an bosnische Serben hat man sich nichts zu Schulden kommen lassen.
„Die Entscheidungen, die den Krieg herbeiführten, entwickelten sich unterdessen im Dreieck Berlin, Wie und Petersburg“, schrieb der Historiker Michael Stürmer (Michael Stürmer, Das ruhelose Reich, Deutschland 1866-1918, Berlin 1998, S. 368).
Die dritte Größe in der Sommerkrise war Russland. Die voreilige Mobilmachung des russischen Heeres verschärfte die Krise.
Voreilig? Und wieder sind wir bei der Wertung oder Interpretation. Die Österreicher hatten gerade einem Verbündeten von Russland den Krieg erklärt - Mobilisierung war das noch das mildere Mittel, dass noch Raum liess für eine diplomatische Lösung. Aber auch Entschlossenheit demonstrierte - damit die Gegner das ernst nahmen.
Katarina Ke hat geschrieben:
Marek schrieb:
„Und wie war das mit der Diagonale? Einen Frieden ohne Annexionen stellten sie sich jedenfalls nicht vor...“
Die Politik der Diagonale, so bezeichnete Bethmann-Hollweg in seinen Memoiren seinen Versuch, im Reichstag von Fall zu Fall Mehrheiten zu gewinnen. Die Reichstagwahlen hatten 1912 zu einer Sitzverteilung geführt, in der die liberal-konservative Politik des Reichskanzlers nur mit Zugeständnissen an alle Seiten des Hohen Hauses möglich wurde. Einige Historiker werten diese Tatsache bereits als Ansatz zu einer Parlamentarisierung des Reiches, aber das ist in der deutschen Geschichtswissenschaft eine Mindermeinung.
Mit dem Ausbruch des Krieges, unserem Thema, hat das nichts zu tun. Der Reichstag spielte im Juli 1914 überhaupt keine Rolle. Das Problem der Annexionen ebenfalls nicht. Viele Deutsche, auch große Teile der SPD, teilten die Meinung der Reichsleitung, dass Deutschland einen Verteidigungskrieg führen müsse.
Das Thema ist hier aber die Kriegsschuldfrage - und die kann auch die Schuld der Politik für die Fortsetzung des Krieges mitbeinhalten. Da man stur auf Siegfrieden setzte bis zuletzt, und zuletzt nur noch das Deutsche Reich, während Österreich-Ungar zum Vasall wurde, sehe ich die Kriegsschuldfrage auch in diesem Kontext.
Katarina Ke hat geschrieben:Marek schrieb:
„Wieso dann in allerwelt erklärten sie ihn? Ein Verzicht auf einen Angriff Österreich-Ungarns auf Serbien hätte genügt. Das serbische Volk wurde ohnehin durch Massaker in Sarajevo an dortigen Serben bestraft. Ganz in der später wieder aufgegriffenen Tradition von Wehrmacht und SS: 100 Tote Serben für einen Wehrmachtstoten/gefallenen Adligen.“
Aus heutiger Sicht kann man einfach sagen, Österreich - Ungarn hätte Serbien nicht angreifen müssen. Die Ermordung eines Thronfolgers war keine Kleinigkeit. Im Sommer 1914 waren überall Politiker und Monarchen an der Macht, die in anderen Kategorien dachten. Für Österreich war es eine Frage der Ehre; in Deutschland redete man von Nibelungentreue, und in Russland wollte man sich an Habsburg für diplomatische Niederlagen auf dem Balkan retten.
Gavrilo Princip war ein Bosnier - so auch seine Mitstreiter. Wenn er auch Waffen aus Belgrad bekam, war er doch ein österreichischer Bürger. Das ist ein Grund einen Krieg anzuzetteln? Darauf wäre Bismarck nie hereingefallen...
Katarina Ke hat geschrieben:Was die von dir angesprochenen Massaker an den Serben betrifft; das fehlen mir die Informationen. Außerdem geht es in diesem thread um die Frage der Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Auch deine Schlenker zu deutschen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg oder zu Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau haben nichts mit dem Thema zu tun.
Ein paar bissige Bemerkungen. Zweifellos war es 1914 etwas unerhörtes, Frauen so hinzurichten, genauso wie die Kriegsverbrechen in Belgien. Im Zweiten Krieg baute man auf dieser Tradition auf.
Katarina Ke hat geschrieben:Die Zweibund zwischen Berlin und Wien wurde 1879 geschlossen. Bismarck wollte damit Russland zu einer Annäherung an Deutschland und Österreich-Ungarn bewegen, was vorübergehend auch gelang. Nach 1890 zerfiel das Bismarck'sche Bündnissystem. Möglicherweise wäre ein Politiker vom Format eines Bismarck in der Lage gewesen, im Juli 1914 mäßigend auf Wien einzuwirken.
ja
Katarina Ke hat geschrieben:Aber auch in Sankt Petersburg hätten der Zar und seine Berater besonnener reagieren können.
nein, man kann nicht mitansehen, wie ein Verbündeter angegriffen wird, ohne dass man selbst aktiv wird. Zumal klar war, dass die russische Armee lange brauchen würd, mobilisiert zu werden. Aber genau in diesem Punkt widerspreche ich den "Schuldverwässerungstheoretikern" am vehementesten - und denke an München 1938.
Christopher Clark hat in seinem grandiosen Buch „Die Schlafwandler“ auf die Problematik eines Forschungsansatzes hingewiesen, der in erster Linie an der Schuldfrage interessiert ist (vgl. Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, 10. Aufl., Stuttgart 2013, S.715 ff.). Er musste sich ja auch mit dem Vorwurf auseinandersetzen, die Deutschen kämen bei ihm zu gut weg. Dabei kritisiert Clark Fehler der deutschen Außenpolitik.
Ich bleibe bei meinem Standpunkt: Deutschland trägt eine Mitverantwortung. In den entscheidenden Wochen im Juli 1914 erkannte man in Berlin nicht die Brisanz der Krise. Man glaubte, es würde sich um einen lokalen Konflikt handeln.
Aber die Reichsleitung hat das Attentat vom 28. Juni 1914 nicht als Vorwand genutzt, um einen seit langem geplanten Krieg vorsätzlich vom Zaun zu brechen.
Das ist Deine Intepretation, meine ist ein andere. Ich sehe keinen entscheidenden Fehler, den die Entente gemacht hätte. Allenfalls könnte man die Waffenlieferungen der Schwarzen Hand an die Bosnischen Serben als Fehler sehen. Aber bitte, das als Grund für ein Völkergemetzel? Wie gesagt, man hat am gleichen Abend in Sarajevo 200 Serben massakriert. Das hätte es sein können.