"Übrigens habe ich noch mal - bewusst und unter Wirkung der folgenden Diskussion - Eröffnungbeitrag von Wallenstein gelesen. Man spricht über die dynamische Systeme. Wenn man schon damals erkannt hat, dass es gibt so etwas wie Umschlag von Quantität in Qualität. Respekt!... Wenn Dir die Tragweite dieser Erkennung (egal von wem sie stammt) nicht erkennbar ist, dann sicher weitere Diskussion erübrigt sich." aneri
Was willlst du diskutieren? Die Tragweite des Umschlags von Quantität in Qualität ist schon Kindern bekannt; die wissen auch schon, dass eine Medaille zwei Seiten hat. Das ist ein ganz alter Hut, eine Allerweltsweisheit. Dynamische Systeme, Systemtheorie, Kybernetik. Warum nicht? Das ist neu. Die Chaostheorie gehörte aber nicht zu den Beispielen, die Engels im Blick hatte, als er den Diamat formulierte. Die sowjetischen Philosophen in Stalins Zeit waren auch nicht angetan von der Kybernetik. Stalin förderte Lyssenko, der "bewiesen" hatte, dass erworbene Eigenschaften vererbbar waren.
"Ich denke auch, dass Du - ein "glühender" Kommunismus-Gegner - willst Marx keine bedeutsamen Ideen zu billigen. Wie gesagt, ich stehe kritisch zu seinen gesellschaftlichen Ansichten, weil sehe in Kapital treibende Kraft für die Gesellschaft. Nur eben ist es Heilmittel und Gift in einem. An der Dosierung liegt es." aneri
Im übrigen bin ich durch das Buch von H. Gollwitzer in den 50er Jahren dazu bewogen worden, mich mit Marx und Lenin zu befassen. Der Theologe Gollwitzer war ein sehr streitbarer Linker und hat sehr wohl erkannt, dass in der Philosophie des ML auch positive Elementen enthalten sind. Ich habe das schon angedeutet. Habe nur keine Möglichketi gehabt, diese positiven Dinge im Zusammenhang vorzubringen. Auch halte ich Marx für einen bedeutenden Denker. Was nicht heißt, dass er unfehlbar ist. Seinne Schriftren regen an und fordern heraus. Das ist positiv. Ein Evangelium sind sie nicht für mich. Das Zitat des anglo-irischen Schriftstellers G. B. Shaw muss niedriger gehängt werden. Shaw selbst war Sozialist und gehörte mit S. Webb zu den Gründern der Fabian Society, die eine Vorläuferin der Labour Party wurde. Diskutiere, sofern du kannst, ohne anderen etwas zu unterstellen.
Kapital als Geldkapital und Sachkapital ist nach Marx ein gesellschaftliches Verhältnis und ich gehe davon aus, dass du die Möglichkeiten der Wirkung einer "richtigen" Verwendung des Kapitals meinst. Das ist jedoch deine Philosophie, nicht die von Marx etc. Nach Marx war es die gesetzmäßige Entwicklung der Produktivkräfte und die sich daraus entwickelnden Produktionsverhältnisse (Eigentumsverhältnisse), die in sich den Keim für den Untergang des kap. Systems tragen. Wer soll die "Dosierung" des "Giftes" vornehmen, die doch nichts anderes sein kann als eine Partizipation am Kapital (Produkivermögen) und Mitbestimmung des Proletariats? Der Kapitalist war nach Marx ein Getriebener. Er war keiner, der das gewonnene Geld genießen wollte ja nicht einmal konnte oder durfte. Geldkapital ist nach Marx nur das Mittel, um es mittels Gewinn (Profit) zu vermehren. Rastlos muss er es vermehren, den Gewinn maximieren. Für dich hängt es von der Dosierung ab, was mit dem Geld geschihet, also einem Mehr oder Weniger. Nicht aber für Marx: Für den Kapitalisten gibt es nur eines: Mehr Gewinn machen. Nicht ruhen und genießen. Marx verkannte die Natur des Menschen. Sein Menschenbild entsprach nicht der Wirklichkeit.
Um auf Hegel zurückzukommen: HEGEL definiert die Dialektik in folgender Weise: sie ist «die Natur des Denkens selbst", da jedoch bei Hegel die Gesetze des Denkens und des Sems zusammenfallen, ist für ihn die Dialektik auch "die eigene wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen überhaupt". Mit anderen Worten: für Hegel ist die Dialektik die Gesamtheit von Gesetzen, welche die Entwicklung des Seins bestimmen. JUDIN und ROZENTAL, zwei maßgebende russische Philosophen definieren die Dialektik in Übereinstimmung mit Hegel, wenn sie erklären:
"Die Dialektik ist die Wissenschaft von den allgemeinen Entwicklungsgesetzen in der Natur, in der menschlichen Gesellschaft und im Denken." Das gilt es festzuhalten. Das lässt sich auch aus Darstellungen der DDR bestätigen.
Diese Dialektik spielt im dialektischen Materialismus eine ganz bedeutsame Rolle: Stalin nennt sie
"die Seele des Marxismus." Lenin forderte in seinem Alter die sowjetischen Philosophen zu eifrigem Studium der Hegelschen Dialektik auf. Die Redaktion der Revue "Unter dem Banner des Marxismus" solle eine "Art von Gesellschaft materialistischer Freunde der Hegeischen Dialektik" bilden, so meinte er; er selbst gab durch seine Studien auf diesem Gebiet, die in seinen Werken ihren Niederschlag finden, ein Beispiel.
Von Platon, bei dem die Dialektik die Kunst war, in der Diskussion einen anderen in Rede und Gegenrede zu überzeugen (sehr vereinfacht), über Aristoteles und viele andere bis in die Neuzeit zu Descartes, dann Kant hat es verschiedene Definitionen von Dialektik gegeben. Marx ging von Hegel aus, hat aber selbst keine zusammenfassende Darstellung des Diamat verfasst, aber sehr wohl hat er die Gesetze des Diamat reflektiert und sie tauchen in seinen Texten auf. Du kannst nicht bei Marx diekt nachlesen, was Dialektik genau ist, auch Wallenstein hat nicht bei Marx nachgeschlagen, sondern bei Engels oder vielleicht im Lehrbuch für Politökonomie
"In Lenins frühen Schriften (1894–1899) finden sich Versuche, anhand einer Interpretation des "Kapital" die Marxsche dialektische Methode von der Hegels zu unterscheiden. Gegenüber dieser und in kritischer Wendung gegen die Herabsetzung der Dialektik. unter den zeitgenössischen Marxisten ist sie für Lenin eine "wissenschaftliche Methode der Soziologie"; ihre Aufgabe besteht darin, «den wirklichen historischen Prozeß richtig und exakt darzustellen", nicht aber in dem Versuch, "irgendetwas mit Hilfe von Triaden beweisen zu wollen". Untersuchungsobjekt der dialektischen Methode ist nicht die Analyse der "ideologischen gesellschaftlichen Verhältnisse", sondern jenes Totalitätsprinzip, das die reelle Basis der Gesellschaft darstellt: die "Produktionsverhältnisse, ... die die gegebene Gesellschaftsformation bilden" und in denen die Erklärung für alle Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens, der menschlichen Ideen und Gesetze» liegt. Später wiederholt er (immer im Blick auf Marx), daß die dialektische Methode die gesellschaftliche "Bewegung allseitig" betrachtet, deren "wirklichen historischen Inhalt" sucht und von da aus deren "unvermeidliche Folgen» bestimmt. In "Materialismus und Empiriokritizismus entwickelt Lenin die Idee eines materiellen Substrats als individualisierendes Element der Abstraktion und damit als Voraussetzung dialektischer Naturerkenntnis. Lenin beschränkt sich dabei auf die Festlegung des "erkenntnistheoretischen» Begriffs der "Materie" als "unabhängig von menschlichem Bewußtsein" im Gegensatz zum "naturwissenschaftlichen" Begriff . Diese Unterscheidung erlaubt ihm, in der Frage der Naturerkenntnis der Dialektik eine bloß gnoseologische Rolle zuzuschreiben; er kritisiert damit indirekt eine Dialektik der Natur, die sich als "philosophische Verallgemeinerung" naturwissenschaftlicher Resultate darstellt, und bekämpft ausdrücklich den "physikalischen Idealismus, in dem «die Materie verschwindet" und «die Vernunft der Natur die Gesetze vorschreibt", gibt aber keine dialektische Theorie des naturwissenschaftlichen Begriffs und Gesetzes." Aus: Wörrerbuch der philosophischen Begriffe
Die mathematischen Modelle der (deterministischen) dynamischen Systeme sind wirklich interessant. In der theoretischen Biologie könnte das Räuber-Beute-Modell ein Beispie seinl, anhand dessen festgestellt werden kann, worin der Widerspruch liegt und was systemverändernd wirken kann, obwohl es bei diesem Modell nicht zu einer völligen Umkehr der Verhältnisse im Sinne des Diamat kommen wird. Warum? Keine Tierart hat je eine andere Tierart ausgerottet, sagen Biologen. Nur der Mensch kann Tierarten ausrotten. Der Systemtheoretiker könnte nun feststellen unten welchen Bedingungen dies (Ausrottung einer Tierart durch eine andere) doch der Fall sein könnte. Die Natur stellt in diesem Räuber-Beute-Schema immer wieder ein Gleichgewicht her (rebus sic stantibus). Wie müssten die Bedingungen verändertwerden, damit der Ausrottungsfall eintritt? Das ist ein sehr anregendes Gebiet. Nur hat Engels nichts Derartiges in seinem Gepäck. Wenn Engels oder Lenin durch die Mathematik stringente Modelle der gesellschaftlichen Entwicklung vorgelegt hätten, wäre leichter zu diskutieren. So bleibt der Diamat Glaubensache. Bei den Klimamodellen ist letzte Gewissheit in der Totalität des Geschehens bis jetzt nicht erreicht worden. Es könnte aber mal so weit kommen. Wenn du in dieser Richtung uns Beipiele liefern könntest, würde ich das sehr begrüßen. Allerdings wäre das kein Marxismus-Leninismus mehr und kein Diamat. M. E. sind es die Bedingungen für die Möglichkeit eines Eintritts eines Ereignisses, das mit diesen dynamischen Systemen erforscht werden könnte. Ob ich richtig damit liege, kann ich nicht sagen.
Ich kritisiere übrigens nicht die Verwendung naturwissenschaftlicher Fakten im Diamat. Vielmehr wende ich mich dagegen, dass anhand einer willkürlichen Beispielsammlung der Beweis für die Richtigkeit eines Gesetzes vom Umschlag der Quantität in Qualität erbracht werden soll, das allgemeingültig und notwendig, obwohl keine Wesensverwandtschaft vorliegt.
Die "Erlebbarkeit" einer solchen Untersuchung wäre für den Normalbürger kaum darstellbar. Spartaner meinte in einem Beitrag mit Recht, dass dies möglich sein sollte. Wie soll es bei dem folgenden Abschnitt möglich sein, aus der Theorie ein Erlebnis zu schaffen? Mathematik und Systemtheorie ist nicht mein Fachgebiet, aber interessant ist es für mich schon auf diese Abstraktionen einzugehen. Irrtum immer vorbehalten.
"In der Theorie dynamischer Systeme interessiert man sich besonders für das Verhalten von Trajektorien für . Hierbei sind Limesmengen und deren Stabilität von großer Bedeutung. Die einfachsten Limesmengen sind Fixpunkte, das sind diejenigen Punkte mit für alle , also diejenigen Zustände , deren Bahn die einelementige Menge ist. Weiter interessiert man sich für Punkte, deren Bahn für gegen einen Fixpunkt konvergiert. Die wichtigsten Limesmengen sind neben Fixpunkten die periodischen Orbits. Gerade in nichtlinearen Systemen trifft man aber auch komplexe nichtperiodische Grenzmengen an. In der Theorie der nichtlinearen Systeme werden Fixpunkte, periodische Orbits und allgemeine nichtperiodische Grenzmengen unter dem Oberbegriff Attraktor (bzw. Repeller, falls abstoßend, vgl. auch seltsamer Attraktor) subsumiert. Diese werden in der Chaostheorie ausführlich untersucht."wiki
Leider wird die mathematische Formelsprache nicht übertragen.